Update Vertriebsrecht November 2019
Internationale Handelskammer veröffentlicht INCOTERMS 2020
Sie werden in vielen internationalen wie nationalen Kaufverträgen verwandt und beschreiben zentrale Rechte und Pflichten der Vertragsparteien mit (fast) nur drei Buchstaben: Incoterms („International Commercial Terms“) wie EXW, FCA, FOB, CIF oder DDP sind ein wesentlicher Bestandteil vieler Kaufverträge. Die Internationale Handelskammer (ICC) brachte im September 2019 eine neue Fassung der von ihr herausgegebenen Regeln zur Auslegung der international gebräuchlichen Handelsklauseln heraus – die sogenannten „INCOTERMS 2020“. Eine übersichtlichere Gestaltung der Regelungen soll es den Parteien erleichtern, die für den jeweiligen Kaufvertrag richtige Klausel auszuwählen. Die INCOTERMS 2020 zeichnen sich daher weniger durch grundlegende inhaltliche Änderungen, als vielmehr durch ausführlichere Einführungstexte zu einzelnen Handelsklauseln sowie ihrer teilweisen Neuordnung aus.
Die INCOTERMS regeln …
Die INCOTERMS dienen der Auslegung der elf gebräuchlichsten Handelsklauseln. Die Regeln der ICC erläutern, welche Pflichten die Parteien bei Verwendung der entsprechenden Handelsklausel jeweils übernehmen: Wer ist für den Transport oder die Versicherung der Ware sowie die Beschaffung der Frachtpapiere und der Ausfuhr- oder Einfuhrgenehmigungen verantwortlich? Außerdem treffen die INCOTERMS Regelungen zum Gefahrübergang: Wo und wann gilt die Ware als durch den Verkäufer „geliefert“ bzw. wo und wann geht das Risiko eines zufälligen Unterganges der Ware oder ihrer Beschädigung auf den Käufer über? Schließlich regeln die INCOTERMS, wer die Transport-, Verpackungs-, Lade- und Entladekosten trägt.
… und was sie nicht regeln!
Selbstverständlich ersetzen die INCOTERMS nicht den Kaufvertrag! Sie enthalten keine Aussagen über die Art der zu liefernden Ware und ihre Eigenschaften, ihren Preis, die Zahlungskonditionen oder wann der Käufer das Eigentum an der Ware erwirbt und welche Gewährleistungsregelungen gelten. Diese Punkte müssen von den Parteien im jeweiligen Vertrag gesondert geregelt werden. Die INCOTERMS werden nur Bestandteil eines Kaufvertrages, wenn die Vertragsparteien im Rahmen des Kaufvertrages auf die INCOTERMS Bezug nehmen. Die INCOTERMS enthalten auch keine Regelung über das auf einen Vertrag anwendbare Recht. Im Falle eines internationalen Kaufvertrages sind daher möglicherweise internationale Rechtsnormen auf den Vertrag anwendbar.
Neuerungen der INCOTERMS 2020
Bei den Neuerungen durch die INCOTERMS 2020 sind die folgenden Punkte hervorzuheben:
- Die INCOTERMS 2020 treten am 1. Januar 2020 in Kraft, können aber ab sofort in Kaufverträge einbezogen werden. Alle älteren Fassungen der INCOTERMS bleiben weiterhin wirksam. Es bleibt den Parteien eines Kaufvertrags unbenommen, auf ältere Fassungen der INCOTERMS zu verweisen. Dabei sollte jedoch stets die maßgebliche Fassung der INCOTERMS benannt werden. Auch Verweise auf Vorversionen der INCOTERMS in bestehenden Kaufverträgen bleiben wirksam und werden nicht durch die INCOTERMS 2020 ersetzt.
- Die INCOTERMS 2020 beinhalten unverändert elf Klauseln, von denen vier speziell auf den Transport der Ware per See- oder Binnenschiff (FAS, FOB, CFR und CIF) zugeschnitten sind.
- Der Nutzer der INCOTERMS 2020 kann nunmehr an einer Stelle im Regelwerk in übersichtlicher Form die Kostenverteilung identifizieren, die mit der Verwendung der jeweiligen Klauseln für den Verkäufer oder Käufer einhergehen.
- Der Verkäufer ist bei den Klauseln CIP („Carriage and Insurance Paid“ oder „Frachtfrei versichert“) und CIF („Cost, Insurance, Freight“ oder „Kosten, Versicherung und Fracht“) neben dem Transport zum genannten Bestimmungsort weiterhin dazu verpflichtet, eine Transportversicherung auf eigene Kosten zu unterhalten. Bei Verwendung der Klausel CIP ist der Verkäufer nunmehr verpflichtet, eine Versicherung mit einer erhöhten Mindestdeckung abzuschließen.
- Die Klausel DAT (= „Delivered at Terminal“ oder „Geliefert Terminal“) wurde in DPU (= „Delivered at Place Unloaded“ oder „Geliefert benannter Ort entladen“) umbenannt. Inhaltlich hat sich dadurch nichts geändert, auch wenn in der Praxis oft unzutreffend (!) die Annahme bestand, die Klausel DAT bestimme ein Abfertigungsgebäude des Zolls als Bestimmungsort der Lieferung. Weiterhin besteht der einzige Unterschied zwischen der Klausel DPU und der Klausel DAP („Delivered at Place“ oder „Geliefert benannter Ort“) darin, dass der DPU-Verkäufer verpflichtet ist, die Ware dem Käufer entladen zur Verfügung zu stellen. Unter DAP liegt die Verpflichtung zur Entladung der Ware hingegen beim Käufer. DPU steht somit nahezu für die Maximalverpflichtung des Verkäufers. Denn bei Geltung der Klausel DDP (= „Delivered Duty Paid“ oder „Geliefert verzollt“) ist der Verkäufer zwar zusätzlich für die Einfuhrfreimachung in den Staat des Käufersitzes verantwortlich, eine Pflicht zur Entladung der Ware trifft den DDP Verkäufer aber nicht.
Auf folgende Punkte möchten wir Sie anlässlich der Neufassung der INCOTERMS besonders hinweisen:
- Die Klausel EXW (= „Ex Works“ oder „Ab Werk“) ist weiterhin in den INCOTERMS 2020 enthalten. Diese erfreut sich bei vielen Verkäufern großer Beliebtheit, bürdet sie dem Käufer doch nahezu sämtliche Pflichten in Zusammenhang mit der Verbringung der Ware an ihren Bestimmungsort auf. Demgegenüber muss der Verkäufer die Ware nur an seinem Werk oder Lager zur Verfügung stellen. EXW verpflichtet den Verkäufer auch nicht dazu, Ausfuhr- oder andere behördliche Genehmigungen für den Transport der Ware zu besorgen. Er muss den Käufer lediglich bei der Beschaffung dieser Dokumente unterstützen.
Die Vereinbarung der Klausel EXW führt in der Praxis von Exportunternehmen aber oft zu ungeahnten Schwierigkeiten. Dies liegt unter anderem an dem Zollkodex der Europäischen Union. Denn danach ist der gewerbliche Ausführer aus dem Binnenmarkt zwingend im Zollgebiet der EU ansässig. Vereinbart also ein deutscher Lieferant mit chinesischen Käufern die EXW-Klausel, werden die Chinesen nicht als Ausführer im Sinne des Zollrechts angesehen. Daher werden sie nicht ohne weiteres in der Lage sein, die Ware aus der EU auszuführen. Die Konsequenz kann sein, dass sich der deutsche Verkäufer trotz Vereinbarung der Klausel EXW an der Ausfuhrabfertigung der Ware beteiligen muss. Dies kann etwa die Unterstützung bei der Beschaffung von Dokumenten und Informationen erforderlich machen. In solchen Fällen ist es sinnvoll, die Beteiligung und Vergütung des Verkäufers im Vorfeld vertraglich zu regeln. Alternativ kommt die Wahl einer INCOTERMS-Klausel in Betracht, nach der die Verpflichtung und die Kosten für die Erlangung der Ausfuhrabfertigung vom Verkäufer übernommen werden (z.B. FCA = „Free Carrier“ oder „Frei Frachtführer“).
- Die Klausel DDP (= „Delivered Duty Paid“ oder “Geliefert verzollt”) ist die bei vielen Käufern beliebteste Klausel. Sie bedeutet, dass der Verkäufer die Ware entladebereit am benannten Bestimmungsort bereit zu stellen hat. Der Verkäufer trägt also alle Kosten und Gefahren des Transports. Er hat zudem die Ware für die Einfuhr in den Binnenmarkt freizumachen, alle Abgaben (Zölle, Verbrauchssteuern etc.) zu zahlen und alle Zollformalitäten zu erledigen.
In der Praxis erweist sich DDP aber oft nicht als das erhoffte Rundum-sorglos-Paket für den Käufer. Denn die Abwicklung von Einfuhrgeschäften birgt zahlreiche Fallstricke aus zoll-, steuer- und außenwirtschaftsrechtlicher Sicht. Im Ergebnis sollte daher geprüft werden, ob und für welche Fallkonstellationen DDP-Lieferungen wirklich sinnvoll sind. In vielen Fällen kann einem Käufer in der EU nur geraten werden, die Einfuhrpflichten im Zweifel lieber selbst bei der Abfertigung wahrzunehmen. Dies kann zum Beispiel durch Vereinbarung der Klausel DAP (= Delivered At Place“ oder „Geliefert benannter Ort“) vertraglich abgebildet werden.
Fazit: Die richtige Auswahl treffen
Auch weiterhin gilt es, die für die jeweilige Interessenlage passenden Incoterms für einen Kaufvertrag auszuwählen. Die Lösung findet sich unter Umständen abseits der weit verbreiteten Klauseln EXW und DDP. Bei der richtigen Auswahl unterstützen wir Sie gern!