17.03.2017Fachbeitrag

Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 2/2017

Kein Streikrecht für kassenärztliche Vertragsärzte

Ein niedergelassener Arzt mit einem Vertragsarztsitz unterliegt aufgrund seiner vertraglichen Bindung zur Kassenärztlichen Vereinigung bestimmten Pflichten. Dazu hat das Bundessozialgericht (BSG) nun entschieden, dass er aufgrund des medizinischen Versorgungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigungen einer Präsenzpflicht in seiner Praxis zur Behandlung der Patienten unterliegt, die eine Abwesenheit wegen eines Streiks nicht gestattet.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 30. November 2016 entschieden (Az. B 6 KA 38/15 R), dass kassenärztlichen Vertragsärzten das Streiken nicht gestattet ist, wenn sie dazu während der Sprechstundenzeiten ihre Praxis schließen müssen.

In dem Fall, den das BSG zu entscheiden hatte, teilte der als Facharzt für Allgemeinmedizin zugelassene Kläger der beklagten für ihn zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung mit, dass er zusammen mit fünf anderen Vertragsärzten in einen Warnstreik treten und dazu seine Praxis an zwei Tagen schließen würde. Er rechtfertigte diese Maßnahme mit der Wahrnehmung des nach seiner Ansicht allen Berufsgruppen verfassungsrechtlich zustehenden Streikrechts. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung erteilte dem klagenden Arzt daraufhin einen disziplinarischen Verweis, da er durch die Praxisschließungen seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt habe. Die in der Folge in erster Instanz erhobene dagegen gerichtete Klage des Arztes vor dem Sozialgericht hat dieses zunächst abgewiesen, da ein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit im Vertragsarztrecht nicht vorgesehen sei.

Vertragsarzt unterliegt Präsenzpflicht

Auch das BSG hat als Revisionsinstanz das Begehren des Arztes zurückgewiesen. Das beruht darauf, dass Vertragsärzte grundsätzlich dazu verpflichtet sind, ihre Patienten innerhalb der angegebenen Sprechzeiten zu versorgen, und dementsprechend einer Präsenzpflicht unterliegen. Eine ausnahmsweise Abwesenheit ist dabei nur im Rahmen von Krankheit oder Urlaub gestattet. Ein durch die Verfassung oder die Europäische Menschenrechtskonvention garantiertes Streikrecht, das ebenfalls eine Abwesenheit rechtfertigen könnte, steht einem kassenärztlichen Vertragsarzt jedoch nicht zur Verfügung.

Streiks nicht mit Vertragsarztrecht vereinbar

Überhaupt ist laut dem BSG nicht mit dem Vertragsarztrecht vereinbar, Forderungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen im Weg von Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen zu versuchen, da mögliche gegenläufige Interessen von Krankenkassen und Ärzten bereits im Rahmen der Gesetzgebung durch die Ausgestaltung des Vertragsarztrechts zum Ausgleich gebracht worden sind. Dadurch sollte eine zuverlässige Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten zu angemessenen Bedingungen sichergestellt werden. Diese Regelungen sind auch verfassungsgemäß.

Versorgungsauftrag durch Mitgliedschaft in Kassenärztlicher Vereinigung

Vielmehr ist der Vertragsarzt eingebunden in das Gefüge von Ärzten und gesetzlichen Krankenkassen, innerhalb dem die ärztliche Entlohnung aufgrund einer gemeinsamen Selbstverwaltung in weiten Teilen unabhängig ausgehandelt wird. Durch seine Mitgliedschaft in dieser vertragsärztlichen Verbindung bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung unterliegt der Arzt dem von der Kassenärztlichen Vereinigung als Körperschaft des öffentlichen Rechts übernommenen Auftrag, die medizinische Versorgung durch Vertragsärzte sicherzustellen.

Weiterhin verwies das BSG darauf, dass Konflikte zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen um die Höhe der Vergütung durch zeitnahe verbindliche Entscheidungen von Schiedsämtern gelöst werden könnten, sodass ein Streik nicht in Betracht käme. In weiterer Konsequenz könnte ein ergangener Schiedsspruch von einem Gericht überprüft werden.

Fazit

Das BSG hat in seiner Entscheidung deutlich herausgestellt, dass gegen gesetzliche Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen nicht mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts vereinbar sind. Vertragsärzte sind vielmehr in ein Gefüge eingebunden, innerhalb dessen aufgrund des besonderen Versorgungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigungen Streitigkeiten, die zum Beispiel die Entlohnung betreffen, weitgehend selbstverwaltet gelöst werden. Streiks sind demgemäß im Vertragsarztrecht nicht vorgesehen.

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