20.03.2017Fachbeitrag

Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 2/2017

Nationale Preisbindung für Medikamente im Versandhandel europarechtswidrig

In Deutschland sind für verschreibungspflichtige Arzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise vorgeschrieben. In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), das sich mit dem Rabattsystem einer Versandapotheke beschäftigte, wurde die Festlegung von Apothekenabgabepreisen nun aber für europarechtswidrig erklärt.

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016 (Az. C-148/15) wurde der in Deutschland vorgesehene einheitliche Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel als nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs in der EU betrachtet.

In dem Verfahren, das das Oberlandesgericht Düsseldorf dem EuGH vorgelegt hatte, hat die Deutsche Parkinson Vereinigung mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris ein Bonussystem ausgehandelt, das ihre Mitglieder in Anspruch nehmen können, wenn sie bei dieser Apotheke verschreibungspflichtige Parkinson-Medikamente erwerben. Der national festgelegte Apothekenpreis der betreffenden Arzneimittel wurde durch dieses Bonussystem unterschritten, das damit gegen die deutsche Preisbindung für Medikamente verstoßen hat.

Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit

Der EuGH hat hierzu festgestellt, dass die streitgegenständliche Regelung, welche vorsieht, dass für verschreibungspflichtige Arzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festgesetzt werden, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine europarechtswidrige mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstellt. Das beruht nach seiner Auffassung darauf, dass sich die Preisbindung auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker auswirkt als auf die Abgabe solcher Arzneimittel durch im Inland ansässige Apotheken. Es liegt hier ein Verstoß gegen den europarechtlichen Grundsatz des freien Warenverkehrs vor.

Versandapotheken benachteiligt

Die Benachteiligung von Versandapotheken sieht das Gericht konkret darin begründet, dass solche nicht in Deutschland ansässige Apotheken ihren Nachteil, dass sie sich nur über den Versandhandel auf dem deutschen Markt engagieren können, maßgeblich durch niedrigere Preise ausgleichen müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Traditionelle Apotheken dagegen sind nämlich grundsätzlich besser als Versandapotheken in der Lage, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Da Versandapotheken mit ihrem diesbezüglich eingeschränkten Leistungsangebot eine solche Versorgung nicht angemessen ersetzen können, ist nach dem EuGH davon auszugehen, dass der Preiswettbewerb für sie regelmäßig einen ungleich wichtigeren Wettbewerbsfaktor darstellt als für traditionelle Apotheken. In erster Linie hängt nämlich von ihm ab, ob Versandapotheken einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt finden und auf diesem konkurrenzfähig bestehen können.

Ausnahme nicht gerechtfertigt

Zudem stellte der EuGH klar, dass die Einfuhrbeschränkung in Form der festen Apothekenpreise nicht ausnahmsweise europarechtsgemäß mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden kann. Die nationale Festlegung der Apothekenabgabepreise ist nicht geeignet, diese angestrebten Ziele zu erreichen. Der EuGH hat zwar anerkannt, dass es den Mitgliedstaaten obliegt zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Gesundheitsschutz der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses erreicht werden soll. Das gesundheitliche Ziel aber, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Apothekenpreisbindung erreichen will, kann jedoch nach dem EuGH damit nicht verwirklicht werden. Für das von Deutschland vorgebrachte Argument, die Versandapotheken könnten sich ohne die streitgegenständliche Regelung einen ruinösen Preiswettbewerb liefern, so dass wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr sichergestellt wären, weil sich die Präsenzapotheken in der Folge verringern würden, finden sich laut EuGH keine Hinweise. Der EuGH hat dazu angemerkt, dass ein Preiswettbewerb den Menschen sogar Vorteile liefern könnte, da dadurch ermöglicht werden kann, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland zu günstigeren Preisen anzubieten. Dass Arzneimittel zu angemessenen Preisen verkauft werden, würde unmittelbar dem verfolgten Ziel eines wirksamen Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen zugutekommen.

Fazit

Der EuGH hat die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel für europarechtswidrig erklärt. Infolge der Entscheidung dürfen die Vorschiften zum einheitlichen Apothekenpreis auf EU-Einfuhren von verschreibungspflichtigen Medikamenten nach Deutschland nicht mehr angewendet werden, wobei inländische Apotheken aber weiter an den Abgabepreis gebunden bleiben. Von inländischen Apotheken wird die Entscheidung sehr kritisch gesehen, nicht zuletzt da man dadurch auch den Erhalt vor allem ländlicher Apotheken bedroht sieht. Auch daher könnte die Entscheidung noch weiter ein Thema für Gerichte darstellen, da in deutschen Regierungskreisen zudem ein komplettes Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten befürwortet wird.

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