Update Restrukturierung 3/2021
BAG: Keine Haftung des Unternehmenskäufers für vorinsolvenzliche Betriebsrentenansprüche
Bundesarbeitsgericht schafft weitere Rechtssicherheit bei übertragenden Sanierungen aus der Insolvenz
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit einem Urteil vom 26. Januar 2021 (Az. 3 AZR 139/17) ein weiteres Stück Rechtssicherheit für Erwerber insolventer Unternehmen geschaffen. Bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz gilt auch künftig eine Beschränkung der Haftung für vor Insolvenzeröffnung begründete Betriebsrentenansprüche, selbst wenn der Pensionssicherungsverein (PSVaG) für solche Ansprüche nicht bzw. nicht voll eintreten sollte.
Reichweite der Haftung des PSVaG
Bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz (sog. übertragende Sanierung) ist ein arbeitsrechtlicher Unsicherheitsfaktor neben einem möglichen Betriebsübergang beim Kauf wesentlicher Assets und der gesetzlichen Überleitung bestehender Arbeitsverhältnisse (§ 613a BGB) sowie der Übernahme von Schlüsselmitarbeitern häufig die Frage, für welche Besitzstände der zu übernehmenden Arbeitnehmer ein Erwerber haftet. In Deutschland haftet für Betriebsrentenansprüche im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers grundsätzlich der PSVaG. Es war bisher nicht abschließend geklärt, ob sich eine Haftung des Erwerbers nur auf die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworbenen Anwartschaften beschränkt und eine Teilung der Haftung mit dem PSVaG erfolgt oder ob nicht der Erwerber riskiert, sogar für alle insgesamt erworbenen Betriebsrentenanwartschaften haften zu müssen, insbesondere falls betroffene Arbeitnehmer mangels Unverfallbarkeit von Betriebsrentenanwartschaften keinen direkten Anspruch gegen den PSVaG haben sollten.
BAG bisher: Insolvenzeröffnung ist Zäsur aufgrund teleologischer Reduktion des § 613a BGB
Das BAG hatte schon bisher die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Zäsur gesehen: Für alle Betriebsrentenansprüche, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet sind, besteht eine Haftung des PSVaG. Der Erwerber sollte hingegen nur für die Ansprüche haften, die von den übernommenen Arbeitnehmern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdient wurden. Zu diesem Ergebnis gelangte das BAG stets über eine Auslegung des § 613a BGB aufgrund der besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens, obwohl § 613a BGB nach seinem Wortlaut eigentlich eine Haftung des Erwerbers auch für Ansprüche vor der Insolvenzeröffnung vorsieht.
EuGH: Bisherige Rechtsprechung des BAG ist mit Europarecht vereinbar
Das BAG hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die angenommene Haftungsverteilung mit dem Europarecht vereinbar sei, insbesondere auch, wenn die erdienten Anwartschaften noch nicht unter den Schutz der Insolvenzsicherung des PSVaG fallen. Entgegen vielfacher Befürchtungen billigte der EuGH mit Entscheidung vom 09.09.2020 (Az. C-674/18, C-675/18) im Wesentlichen das bisherige deutsche System als europarechtskonform und verwies zur weiteren Prüfung an das BAG zurück.
BAG bestätigt auf Basis der Billigung durch den EuGH seine bisherige Rechtsprechung
Das BAG hat nun seine bisherige Haltung mit dem Urteil vom 26. Januar 2021 bestätigt. Unternehmenserwerber und Investoren können also aufatmen: Zu einer Ausweitung der Haftung des Erwerbers kommt es nicht. Es bleibt dabei, dass der Unternehmenserwerber im Falle eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB allenfalls für Betriebsrentenanwartschaften haftet, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdient wurden. Nur insoweit besteht eine Haftung des Erwerbers.
Keine Pflicht des Erwerbers, Haftungslücken zu schließen
Das gilt nach dem aktuellen Fall des BAG explizit auch, wenn ein betroffener Arbeitnehmer keinen Anspruch gegen den PSVaG hat, weil er beispielsweise das erforderliche Alter für die Erlangung einer Unverfallbarkeit seiner Anwartschaften noch nicht erreicht hat. Der vom EuGH geforderte Mindestschutz ist auch in diesen Fällen durch die grundsätzliche Haftung des PSVaG sichergestellt. Für den Erwerber von Unternehmen aus der Insolvenz bleibt damit alles wie gehabt. Er muss eine Haftungslücke bei Betriebsrentenanwartschaften in keinem Fall schließen. Gleichzeitig ist das eine gute Nachricht für die Bemühungen insolventer Unternehmen und ihrer Insolvenzverwalter um nachhaltige Sanierungen.
Gleichwohl bleibt Betriebsübergang auch weiter wesentlicher Risikoposten
Allerdings bleiben der arbeitsrechtliche Betriebsübergang und die damit einhergehenden Haftungsrisiken des Unternehmenserwerbers weiterhin ein kritisches Feld für Investoren. Die Tragweite, die daraus folgenden finanziellen Belastungen, die Risiko- bzw. Kostenverteilung und die Möglichkeiten eines Personalabbaus in der Insolvenz unter Reduzierung der Risiken werden auch weiterhin wesentlicher Gegenstand der rechtlichen und wirtschaftlichen Vorprüfungen (Due Diligence) sowie einer der Hauptverhandlungspunkte zwischen Unternehmenserwerbern und Insolvenzverwaltern sein.