Update Arbeitsrecht September 2022
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot – Berechnung der Karenzentschädigung – Einbeziehung von Leistungen Dritter – Restricted Stock Units (RSUs)
BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 8 AZR 453/21
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer (weiteren) Karenzentschädigung.
Kläger und Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerinnen verband von Januar 2012 bis Januar 2020 ein Arbeitsverhältnis.
Auszugsweise hieß es in § 15 des Arbeitsvertrags des Klägers, in dem ein neunmonatiges konzernweites nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart war:
„Für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verpflichtet sich die Gesellschaft nach Ende der Anstellung eine Entschädigung zu zahlen, welche für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der vom Angestellten zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreicht“.
Es wurde die Geltung der §§ 74 ff. HGB vereinbart.
Während des Bestands des Arbeitsverhältnisses nahm der Kläger am RSU-Programm (Restricted Stock Units Programm) der Obergesellschaft seiner Arbeitgeberin teil, sodass er jährlich hierbei eine bestimmte Zahl an RSUs erhielt.
Mit der Revision verfolgte der Kläger nun noch eine weitere, höhere Karenzentschädigung, nachdem die Beklagte in der ersten Instanz bereits rechtskräftig zur Zahlung einer Karenzentschädigung verurteilt worden war. Er ist insoweit der Auffassung gewesen, ihm stehe ein Anspruch auf weitere Entschädigung zu, da in der Bemessung auch die gewährten, aber bisher nicht berücksichtigten RSUs einzubeziehen seien.
Entscheidung des BAG
Nachdem die Klage in Bezug auf die noch streitgegenständliche Karenzentschädigung bereits in den Vorinstanzen abgewiesen worden war, hatte auch die Revision des Klägers vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht gelangte zu der Einschätzung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren, höheren Karenzentschädigung unter Berücksichtigung der RSUs. Bei den RSUs der Obergesellschaft handele es sich nicht um „vertragsmäßige Leistungen“ im Sinne der arbeitsvertraglich vereinbarten Karenzentschädigung. Diese allein seien nach § 15 des Arbeitsvertrages aber maßgeblich für die Höhe der Karenzentschädigung. Insoweit greife die Klausel den Wortlaut der gesetzlichen Vorgaben in § 74 Abs. 2 HGB auf und sei daher so zu verstehen, dass sie sich auf die gesetzliche Mindestentschädigung beziehe. Die Auslegung der Vertragsklausel sei daher am Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ i.S.v. § 74 Abs. 2 HGB zu orientieren. Hiernach seien aber nur solche Leistungen in der Bemessung zu erfassen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses beruhen würden und damit als Vergütung für geleistete Arbeit geschuldet seien. Etwaige Vereinbarungen mit der Obergesellschaft seien in diesem Rahmen also nur dann berücksichtigungsfähig, wenn der eigentliche Vertragsarbeitgeber auch eine (Mit-)Verpflichtung für eine etwaige Leistung übernommen hätte. Daran fehle es – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt habe –vorliegend indes. Auch die Vereinbarung eines konzernweiten Wettbewerbsverbotes gebiete kein anderes Verständnis. Soweit die Wettbewerbsabrede mit Blick auf den Konzernbezug nicht dem Schutz berechtigter Interessen des Arbeitgebers gedient haben sollte, könne dies allenfalls Auswirkungen auf die konkrete Reichweite des Verbots haben, nicht aber eine Ausweitung der Karenzentschädigung nach sich ziehen.
Für die Praxis
Auch wenn RSUs wie in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall regelmäßig als Anreiz gewährt werden, dauerhaft in einem Unternehmen des Konzerns tätig zu sein, sind sie doch eine Leistung eines Dritten, der nicht Arbeitgeber ist. Insoweit ist die Klarstellung des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 25. August 2022 – 8 AZR 453/21, soweit es sich aus der derzeit allein vorliegenden Pressemitteilung ergibt, zu begrüßen, dass Aktienzuteilungen einer Konzernobergesellschaft nicht im Rahmen der Gesamtvergütung zu berücksichtigen sind, die für die Höhe einer vom Arbeitgeber zu zahlenden Karenzentschädigung maßgeblich ist. An dieser Stelle ist allerdings auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung möglicherweise zu einer abweichenden Einschätzung gelangen könnte, wenn hinter dem Vergütungsbestandteil zumindest auch eine (Mit-)Verpflichtung des eigentlichen Vertragsarbeitgebers steht. Dies ist bei der Ausgestaltung entsprechender Aktienzuteilungen zu berücksichtigen.