Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 1/2017
Die geplante Modernisierung der EU-Vorschriften für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika
Die derzeitigen EU-Vorschriften für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika stammen aus den 1990er Jahren. Die rasanten technischen Entwicklungen im Gesundheitswesen in den letzten Jahren sowie der verstärkte grenzüberschreitende Handel erfordern dringend eine Modernisierung des geltenden Rechtsrahmens. Nun steht die Verabschiedung neuer EU-Rechtsakte kurz bevor. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die geplanten Inhalte und das voraussichtliche Inkrafttreten der Verordnungen.
Die Europäische Kommission legte bereits im Jahr 2012 Vorschläge für eine Medizinprodukteverordnung sowie eine In-vitro-Diagnostika-Verordnung vor, mit denen die bisherigen Richtlinien außer Kraft gesetzt werden sollen. Die Verordnungsvorschläge beabsichtigen unter anderem die Förderung des europaweiten Handels, die Verbesserung der Kontrolle der Produkte vor der Markteinführung und eine strengere Überwachung nach der Markteinführung.
Anforderungen an benannte Stellen werden steigen und europaweit vereinheitlicht
Die genannten Schritte erscheinen dem europäischen Gesetzgeber erforderlich, weil Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika bisher – anders als Arzneimitteln – vor dem Inverkehrbringen keiner behördlichen Genehmigung bedürfen. Sie unterliegen lediglich einer Konformitätsbewertung, die – abhängig von dem Risikopotenzial des Produkts – von einer sogenannten „benannten Stelle“ durchgeführt werden darf. Dabei kann es sich zum Beispiel um ein Labor handeln. Die Vorschriften über den Ablauf und das Ausmaß der von dieser Stelle durchgeführten Prüfungen und die Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Personals dieser Labore variieren jedoch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, so dass kein einheitlicher europäischer Standard gewährleistet ist. Dies soll nun geändert werden. Die benannten Stellen sollen verpflichtet werden, medizinisches Fachpersonal einzustellen und sich regelmäßiger Kontrollen zu unterwerfen.
Bei Produkten mit höherer Risikostufe müssen die Hersteller nach den Verordnungsentwürfen zudem vor deren Inverkehrbringen Studien durchführen und vorlegen und dürfen gegenüber den Behörden nicht allein auf das Konformitätsbewertungsverfahren verweisen. Ein solches Sicherheitsverfahren soll zukünftig zum Beispiel für Implantate oder HIV-Tests greifen. Hier müsste nicht nur die benannte Stelle, sondern auch ein besonderes Expertenkomitee die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regeln überprüfen.
Produktnummer soll Rückruf erleichtern
Die vorliegenden Verordnungsentwürfe setzen zudem durch unangekündigte Qualitätskontrollen bei den Herstellern einen Schwerpunkt auf die Überwachung der Produkte nach dem Inverkehrbringen und zielen auf eine zukünftige Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika über die gesamte Lieferkette. Hierzu ist unter anderem die Einführung einer individuellen Produktnummer geplant, die den Rückruf mangelhafter Produkte vereinfachen und den Kampf gegen gefälschte Produkte unterstützen soll. Für Patienten wird zudem ein Implantatepass eingeführt, der Patienten und Ärzte darüber informiert, welches Produkt implantiert wurde.
Die Vorschläge der Kommission befinden sich derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren und müssen noch abschließend vom Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament beraten werden. Derzeit ist zu erwarten, dass die Verordnungen Anfang des Jahres 2017 verabschiedet und in Kraft treten werden. Nach einer Übergangsfrist von drei Jahren wären sie dann ab dem Jahr 2020 in allen EU-Mitgliedstaaten direkt anwendbar.
Fazit
Die Verabschiedung der EU-Verordnungsentwürfe für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika steht kurz bevor. Angesichts vieler Änderungen und neuer Herausforderungen – insbesondere beim Inverkehrbringen von Produkten – bedeutete dies trotz der vorgesehenen Übergangsfrist von drei Jahren eine enorme Herausforderung, vor allem für kleine und mittelständige Unternehmen. Es wird daher von großer Bedeutung sein, rechtzeitig einen Plan für die Umsetzung der Anforderungen aufzustellen und mit dessen Umsetzung zu beginnen.