Update Health Care 1/2025
Medizinische Wahlleistungen: Chancen und Risiken
Krankenhäuser bieten üblicherweise neben den allgemeinen Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 2 KHEntgG auch ärztliche Wahlleistungen und die Wahlleistung Unterkunft an. Daneben gibt es aber auch noch die sog. medizinischen Wahlleistungen, welche allerdings bisher von Krankenhäusern kaum angeboten werden.
Die rechtlichen Voraussetzungen der medizinischen Wahlleistungen sind vielschichtig, insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung der medizinischen Wahlleistung zu der Regelleistung.
Definition und Abgrenzung medizinischer Wahlleistungen
- Das Gesetz sieht lediglich eine negative Begriffsbestimmung von Wahlleistungen vor (Böhnke in: BeckOK KHR, Dettling /Gerlach, 9. Edition, Stand: 15.09.2024, KHEntgG § 17 Rn. 5). Nach § 17 Abs. 1 S. 1 KHEntgG stellen Wahlleistungen Leistungen dar, die von den allgemeinen Krankenhausleistungen abweichen. Allgemeine Krankenhausleistungen sind gemäß § 2 Abs. 2 KHEntgG solche Leistungen, die hinsichtlich der Art und Schwere der Krankheit medizinisch geeignet und ausreichend sind, um die Versorgung des Patienten sicherzustellen.
Die medizinischen Wahlleistungen stellen neben den ärztlichen Wahlleistungen und der Wahlleistung Unterkunft eine weitere Kategorie der Wahlleistungen dar, bei der es um die Anwendung einer bestimmten Methode oder den Einsatz eines bestimmten Produkts geht (Bender in: Rieger/Dahm/Katzenmeier/Stellpflug/Ziegler, Arztrecht Krankenhausrecht Medizinrecht, 98. Lieferung, 11/2024, 5485 Wahlleistungen Rn. 208). So ist in § 17 Abs. 1 S. 2 KHEntgG als spezielle medizinische Wahlleistung ausdrücklich die Erbringung diagnostischer und therapeutischer Leistungen anerkannt (BGH, III ZR 85/14, Urteil vom 16.10.2014, Rn. 21).
Generell können zu den medizinischen Wahlleistungen Zusatzleistungen, wie eine erweiterte Labordiagnostik, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, alternative Behandlungsmethoden oder der komplementäre Einsatz naturheilkundlicher Methoden gehören (Bender, a. a. O., 5485 Wahlleistungen Rn. 224 ff.).
- Eine zentrale Herausforderung ist, insb. bei qualitativen Behandlungsalternativen (z. B. höherwertigen Medizinprodukten), die Abgrenzung zwischen den allgemeinen Krankenhausleistungen und den medizinischen Wahlleistungen.
Relevant ist die Abgrenzung vor allem für die Krankenhausträger, da eine fehlerhafte Einschätzung sowohl Auswirkungen auf die Vergütung als auch auf die Haftung haben kann. Medizinische Wahlleistungen können nicht wie die allgemeinen Krankenhausleistungen über das DRG-System abgerechnet werden, sodass bei einer fehlerhaften Einschätzung der Leistung als Regelleistung eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ausbleibt (Heil in: MPR 2013, 109, 112). Die gesetzlichen Krankenkassen sind nach § 12 Abs. 1 SGB V lediglich zu den Leistungen verpflichtet die „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind“ und „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“, dahingegen ist eine aus Sicht des versicherten Patienten „optimale Versorgung“ nicht geschuldet (Heinz in: Schlegel/Voelzke, Juris PK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 12 SGB V, Rn. 78).
Andererseits drohen dem Krankenhaus und dem behandelnden Arzt zivilrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen, wenn fehlerhaft eine Regelleistung als kostenpflichtige medizinische Wahlleistung angeboten wird (Heil, a. a. O., 109, 112).
Ein Indiz für das Vorliegen einer medizinischen Wahlleistung besteht, wenn die entsprechenden Leistungen noch nicht in die relevanten medizinischen Leitlinien aufgenommen wurden und bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gemäß § 137c SGB V geprüft wurden (Bender, a. a. O., Rn 227, wobei hier § 6 Abs. 2 KHEntgG hinsichtlich der sog. neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) zu beachten ist). Auch wenn eine Richtlinie des G-BA nach § 137c Abs. 1 SGB V festlegt, dass Leistungen nicht auf Kosten der Krankenkassen erbracht werden können, da sie hinsichtlich ihrer medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht als erforderlich für die zweckmäßige Versorgung der Versicherten gelten, kann eine derartige Leistung meist als medizinische Wahlleistung angeboten werden (Patt/Wilde in: Huster/Kaltenborn, 2. Aufl. 2017, § 8 Rn. 29).
Wichtig ist allerdings zu prüfen, ob die Leistung tatsächlich einen echten Mehrwert für den Patienten bietet. Denn auch eine medizinische Wahlleistung muss von eindeutigem zusätzlichem Nutzen für den Patienten sein (Bender, a. a. O., 5485 Wahlleistungen Rn. 223). Ein Zusatznutzen ist ausgeschlossen, wenn der G-BA zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Zusatzleistung - wissenschaftlich belegt - keinen medizinischen Nutzen hat (Patt/Wilde, a. a. O., § 8 Rn. 29). In einem derartigen Fall darf das Krankenhaus diese Leistung auch nicht als medizinische Wahlleistung anbieten (Bender, a. a. O., 5485 Wahlleistungen Rn. 223).
Zuletzt wurde in der Rechtsprechung die Transplantation eines Spendermeniskus als medizinische Wahlleistung anerkannt, weil der Kassenpatient als Regelleistung lediglich einen Anspruch auf knieendoprothetische Versorgung oder eine konservative Therapie hat. Zwar stellte, nach Feststellungen des Gerichts, die Transplantation im streitigen Fall die optimalste Versorgung und auch die sinnvollste Behandlungsmöglichkeit für die endgültige Schmerzfreiheit des Patienten dar, allerdings sei die Regelleistung, welche zumindest zu einer kurz- und mittelfristigen Besserung der Beschwerden führen würde, als ausreichende Behandlungsmethode für die nächsten Jahre anzusehen, sodass eine darüberhinausgehende Behandlung nicht zwingend erforderlich und damit keine Regelleistung ist (AG Mosbach, MedR 2019, 395, 396 (2 C 97/17)).
Rechtliche Voraussetzungen
- Allgemeine Wahlleistungsvoraussetzungen
Die rechtlichen Grundlagen für Wahlleistungsvereinbarungen sind in § 17 KHEntgG statuiert.
Wahlleistungsentgelte dürfen nur berechnet werden, wenn die allgemeinen Krankenhausleistungen durch die Wahlleistungen nicht beeinträchtigt werden und die gesonderte Berechnung mit dem Krankenhaus vereinbart ist. Diese Vereinbarung muss schriftlich und vor der Erbringung der Wahlleistung erfolgen. Ein zentrales rechtliches Element im Bereich der Wahlleistungen ist die Informationspflicht gegenüber den Patienten. Der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung schriftlich über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten. Schließlich darf die Wahlleistung nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Art der Leistung stehen und sie muss zuvor der zuständigen Landesbehörde mitgeteilt werden (Dettling, a. a. O., § 6 Rn. 314).
- Besonderheiten medizinischer Wahlleistungen
Bei der medizinischen Wahlleistung ist im Gegensatz zu der ärztlichen Wahlleistung die Person des leistenden Arztes nicht entscheidend. Entscheidend ist allein die Anwendung einer bestimmten Methode oder einem besonderen Produkt und nicht die Leistung durch einen Wahlarzt (Str., Stürzer in: Spickhoff, MedR, 4. Aufl. 2022, § 17 Rn. 1). Bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 1 S. 2 KHEntgG, der für diagnostische und therapeutische Wahlleistungen lediglich die Voraussetzung der Leistung durch einen „Arzt“ stellt, widerspricht der teilweise vertretenden Ansicht, dass eine medizinische Wahlleistung nur möglich ist, wenn gleichzeitig eine ärztliche Wahlleistung abgeschlossen wird (Dettling, a. a. O., § 6 Rn. 313).
Des Weiteren kommt insbesondere der Informationspflicht im Rahmen der medizinischen Wahlleistungen aufgrund der schwierigen Abgrenzung zu den Regelleistungen eine große Bedeutung zu. Es empfiehlt sich v.a. die Patienten ausdrücklich darüber zu informieren, warum die angebotene Leistung nicht als Regelleistung anerkannt ist und diese Leistung über das medizinisch oder wirtschaftlich Erforderliche hinausgeht (Dettling, a. a. O., § 6 Rn. 334).
Fazit
Zusammenfassend stellen medizinische Wahlleistungen sowohl einen Gewinn für Krankenhäuser als auch für Patienten dar.
Medizinische Wahlleistungen eröffnen Krankenhäusern nicht nur eine Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Stabilität durch eine zusätzliche Einnahmequelle zu sichern, sondern auch, sich strategisch als moderne und hochwertige Versorgungseinrichtung zu positionieren.
Mit dem Angebot medizinischer Wahlleistungen kann die Versorgung der Patienten optimiert werden, sodass trotz Kostentragungspflicht der Patienten die Heilungsmöglichkeiten verbessert und damit die Zufriedenheit der Patienten steigt.
Eine rechtssichere Umsetzung, die insbesondere die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung und deren Dokumentation erfüllt, ist allerdings essenziell, um (finanzielle) Risiken zu vermeiden.