Countdown - Das kommt 2018!
EuGH Urteil „Coty Germany“: Plattformverbote sind zulässig! Hersteller von Luxuswaren dürfen ihren autorisierten Händlern den Weitervertrieb über Drittplattformen im Internet verbieten.
Hersteller aus dem Premiumsegment – etwa in den Bereichen Kosmetik, PKW oder Luxusgüter – können ab sofort ihren Selektivvertriebspartnern den Weiterverkauf der Waren über Plattformen wie Amazon, eBay und Co. untersagen, um das Luxusimage der Vertragswaren aufrechtzuerhalten. Das hat der Europäische Gerichtshof am 6. Dezember 2017 entschieden. Das Urteil stärkt den Rücken der Hersteller im Selektivvertrieb und schafft nunmehr Rechtssicherheit in einer viel diskutierten Fragestellung. Eine Zäsur im Online-Handel.
Für Hersteller wie Händler, die Luxusprodukte etwa im Bereich Kleidung oder Kosmetik erfolgreich vertreiben möchten, führt am Vertrieb über das Internet kein Weg mehr vorbei. Dabei setzen auch autorisierte Vertriebspartner von Luxusherstellern nicht selten auf Plattformen dritter Anbieter, wie eBay, Amazon und ähnliche. Das Problem für die Absatzpolitik des Herstellers: Während der stationäre Handel strikt an die Ladenlokale der Selektivhändler gebunden ist, entsteht für den Kunden im Internet der Eindruck, die Waren seien auch über Dritte ohne Weiteres erhältlich.
Der EuGH stellt die Weichen
In seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2017 entschied der Europäische Gerichtshof recht kurz und bündig: Ja, das Verbot an Selektivhändler, Dritte so in den Internetvertrieb einzubinden, dass diese Einbindung für die Kunden erkennbar wird, ist grundsätzlich zulässig: Plattformverbote zur Sicherstellung des Luxusimages fallen unter bestimmten Voraussetzungen gar nicht unter das Kartellverbot. Darüber hinaus sind „Plattformkunden“ auch keine von den übrigen Internetkunden abgrenzbare Kundengruppe, die kartellrechtlich besonders geschützt wäre. Eine genauere Darstellung zu den Hintergründen sowie zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs finden Sie in unserem aktuellen Update Kartellrecht.
Ende eines langen Streits
Den ausschlaggebenden Anstoß zur nun europaweiten höchstrichterlichen Klärung eines seit Jahren zwischen Kartellbehörden, Gerichten und juristischer Literatur intensiv diskutierten Themenkreises gab die Klage der Coty Germany GmbH als einer der Marktführerinnen im Segment der Luxus- und Prestigekosmetik gegen einen ihrer langjährigen Selektivvertriebspartner. Letzterer hatte sich geweigert, einer Vertragsänderung zuzustimmen, wonach der Vertrieb von Coty-Produkten über solche Drittplattformen verboten werden sollte, die für den Verbraucher erkennbar in Erscheinung treten. Coty Germany begründete ihre Vertragsänderung damit, dass ein Verkauf durch ihre Selektivvertriebspartner über Drittplattformen wie Amazon der eigenen Marke und ihrem Produktimage schaden kann. Denn: Mit der Nutzung von Amazon und Co. könnten das wertige Ansehen der Produkte, der Qualitätsanspruch der Marke und ein adäquater Kundendienst nicht mehr gewährleistet werden. Die Frage lautet: Ist vor diesem Hintergrund ein Plattformverbot zulässig, und zwar unabhängig davon, ob die Plattform legitime Qualitätskriterien des Herstellers erfüllt oder nicht? Der Europäische Gerichtshof jedenfalls hat diese Frage nunmehr recht klar bejaht.
Vertriebsstrategen aufgepasst!
Die Entscheidung gilt ab sofort. Vertriebsstrategen, die an der kontinuierlichen Optimierung ihrer Absatzstrukturen arbeiten, sollten die Vor- und Nachteile eines Plattformverbots klar analysieren. Gerade dort aber, wo die Wahrung eines Luxusimages für die Vertragsprodukte im Mittelpunkt steht, kann ein Verbot, solche Plattformen Dritter einzuschalten, die für den Verbraucher erkennbar in Erscheinung treten, der Wertigkeit des Absatzerlebnisses einen entscheidenden Schub versetzen.
Für Hersteller, die ihre Produkte bereits bisher im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems absetzen, eröffnen sich also neue Möglichkeiten der Vertragsgestaltung. Für entsprechende Vertragsänderungen ist freilich die Zustimmung der Selektivhändler erforderlich. Möglicherweise wird der eine oder andere Hersteller dabei überrascht sein, dass auch das Gros seiner Selektivhändler einem Plattformverbot gegenüber gar nicht abgeneigt ist.
Ob das Coty-Urteil des Europäischen Gerichtshofs gar zu einer Renaissance des eben noch geschmähten Selektivvertriebs führen wird, bleibt abzuwarten. Überzogen dürfte jedenfalls die Prognose sein, bereits die Möglichkeit des Drittplattformverbots werde die Neigung von Herstellern zur Einrichtung selektiver Vertriebssysteme entscheidend beeinflussen. Jenseits derartiger überzogener Erwartungen wird sich das Coty-Urteil des EuGH jedoch spürbar auf die Vertriebslandschaft 2018 im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum und darüber hinaus auswirken.
Wir helfen Mandanten nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, das passende Vertriebssystem für ihre Waren zu entwickeln bzw. die bestehenden Vertriebsstrukturen zu optimieren.
Ihre Ansprechpartner sind die Experten aus den Praxisgruppen Kartellrecht und Vertriebsrecht. Dr. Reinhard Siegert und sein Team sind spezialisiert auf Vertriebsrecht und die kartellrechtskonforme Ausgestaltung von Vertriebsverträgen.