Update Vertriebsrecht 13. Juli 2020
Fairness und Transparenz auf Online-Plattformen: Neue P2B-VO in Kraft getreten!
Für viele kleine und mittlere Unternehmen, für die sich kein eigener Online-Shop lohnt, stellen Online-Plattformen einen überragend wichtigen Absatzkanal dar. Die Fallhöhe zwischen den Plattformbetreibern und den auf der Plattform verkaufenden Händlern ist aber groß. Bereits seit Juli 2019 führt die Europäische Kommission eine Untersuchung gegen Amazon wegen einer möglicherweise wettbewerbswidrigen Ausnutzung seiner marktstarken Position als Einzelhändler und Plattformbetreiber zulasten der übrigen, auf der Plattform verkaufenden Händler. Parallel dazu initiierte die Kommission die Nachschärfung der gesetzlichen Standards durch eine eigene P2B-VO. Seit dem 12. Juli 2020 findet die Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online Vermittlungsdiensten unmittelbare Anwendung.
Breiter Anwendungsbereich
Die P2B-VO gilt zum einen für Online-Vermittlungsdienste. Zu diesen gehören neben Online-Marktplätzen und Vermittlungsdiensten etwa auch App Stores und Online-Dienste sozialer Medien. Daneben fallen aber auch Online-Suchmaschinen unter die P2B-VO.
Regelungsgehalt
Die P2B-VO legt den Betreibern auf der einen Seite bestimmte Transparenzpflichten auf und verbietet auf der anderen Seite bestimmte Verhaltensweisen. Zudem werden verschiedene Maßnahmen für eine effektive Streitbeilegung vorgeschrieben.
Mehr Transparenz
Neben der generalklauselartigen Vorschrift in Art. 3 (1) P2B-VO, wonach die Geschäftsbedingungen von Anbietern klar und verständlich formuliert und zudem leicht verfügbar sein müssen, enthält Art. 5 P2B-VO Vorgaben für die Offenlegung von Ranking-Kriterien. Demnach müssen Anbieter die das Ranking beeinflussenden Hauptparameter offenlegen. Weiter muss die Möglichkeit der Beeinflussung des Rankings durch Zahlung eines Entgelts erläutert werden. Art. 7 P2B-VO enthält zudem Vorgaben zur einer etwaigen differenzierten Behandlung eigener Angebote der Plattformanbieter („Self-Preferencing“). Schließlich regeln Art. 8 lit. b und Art. 9 P2B-VO umfangreiche Informationspflichten, insb. zu Kündigungsmodalitäten und dem Zugang zu Daten. Wird dem Nutzer der Vertrieb auf anderen Wegen untersagt, müssen die Gründe dafür offengelegt werden (Art. 10 P2B-VO).
Verbot bestimmter Verhaltensweisen
Neben den positiven Verpflichtungen zur Transparenz enthält die Verordnung auch detaillierte Verbote für bestimmte Verhaltensweisen: So dürfen Änderungen der Geschäftsbedingungen künftig gem. Art. 3 (2) P2B-VO nicht ohne Vorankündigung erfolgen. Zudem müssen die zu ändernden Geschäftsbedingungen dem Nutzer mindestens 15 Tage vor Änderung in physischer Form übermittelt werden. Damit einhergehend steht dem Nutzer ein Kündigungsrecht bei Änderung zu. Weiter gibt Art. 4 P2B-VO Vorgaben zu einer Einschränkung, Aussetzung und Beendigung des Dienstes und den damit einhergehenden Anforderungen. Schließlich wird ein Verbot rückwirkender und für den Nutzer nachteiliger Änderungen der Geschäftsbedingungen in Art. 8 (1) P2B-VO verankert.
Auswirkungen der P2B-VO auf die Praxis
Der Anwendungsbereich der P2B-VO reicht, wie dargelegt, deutlich über klassische Online-Plattformen hinaus. Für jegliches Angebot von Onlinedienstleistungen an gewerbliche Kunden sollte daher ein kritischer Check erfolgen, ob der Anwendungsbereich der P2B-VO eröffnet ist und, falls ja, ob ihre Vorgaben eingehalten werden. Dies betrifft zu allererst die AGB: Klauseln, die gegen die Vorschriften des Art. 3 (1) und (2) P2B-VO verstoßen, sind nach Art. 3 (3) P2B-VO nichtig. Betroffenen Unternehmen ist daher dringend zu einer zeitnahen Überarbeitung ihrer gegenüber ihren Handelspartnern verwendeten AGB zu raten. Die Beurteilung fällt dabei nicht immer leicht. Dies sieht auch der Verordnungsgeber und empfiehlt daher ausdrücklich die Erarbeitung von Leitlinien durch die Kommission (Erwägungsgrund 28).
Ausblick
Die P2B-VO fügt sich ein in die seit einiger Zeit anhaltenden Bemühungen der EU, den Online-Handel und dabei insbesondere Online-Plattformen stärker zu regulieren. Neben der P2B-VO hat die EU im Mai 2019 die „Digitale-Inhalte-Richtlinie“ (RL EU 2019/770) erlassen, welche von den Mitgliedstaaten bis Juli 2021 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Zudem wird erwartet, dass die Nachfolgeregelung zu der im Mai 2022 auslaufenden Vertikal-GVO auch spezifische Regelungen für Online-Plattformen und Vergleichsportale enthalten wird. Auf nationaler Ebene schließlich sieht der Entwurf zur 10. GWB-Novelle eine stärkere Einbeziehung digitaler Plattformen vor.