Update Restrukturierung 10/2020
Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) beschlossen
Am 14. Oktober hat die Bundesregierung den Entwurf des SanInsFoG vorgelegt. In der kurzen Zeit seither hat sich eine intensive rechtswissenschaftliche Diskussion dazu entwickelt. Diese betraf sowohl das im SanInsFoG enthaltene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) als auch die erheblichen Änderungen der Insolvenzordnung, insbesondere der Eigenverwaltung. Auch der Bundesrat hat am 27. November eine umfassende Stellungnahme abgegeben. Am 25. November erfolgte eine öffentliche Expertenanhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestages. Die Ergebnisse sind sodann in die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses eingeflossen. In der Form dieser Beschlussempfehlung hat der Bundestag in seiner heutigen Sitzung das Gesetz in 2. und 3. Lesung beraten und sodann mit den Stimmen der Regierungskoalition beschlossen.
Regierungsentwurf mit wesentlichen Änderungen
Das verabschiedete Gesetz entspricht in weiten Teilen, insbesondere der Konzeption des StaRUG, dem Regierungsentwurf (s. hierzu unser Update Restrukturierung 3/2020). Allerdings enthält die nun beschlossene Fassung auch einige wesentliche Änderungen. Auf diese möchten wir Sie hier hinweisen.
Vertragsbeendigung nicht länger vorgesehen
Die wohl wichtigste Änderung am StaRUG besteht darin, dass entgegen dem Regierungsentwurf Vertragsbeendigungen gegen den Willen der Vertragspartner in einem Restrukturierungsvorhaben nicht erfolgen können. Diese Regelung war auf erheblichen Widerstand gestoßen. Während nun Vermieter und die hinter diesen stehenden Finanzierer etwas aufatmen dürften, wird insbesondere der durch die COVID-19-Pandemie arg gebeutelte stationäre Einzelhandel dieses Sanierungsinstrument schmerzlich vermissen. Eine leistungswirtschaftliche Sanierung ohne Zustimmung aller Beteiligter ist damit nur durch Insolvenzverfahren (mittels der dort gegebenen Sonderkündigungs- und Wahlrechte) mit all ihren teils sehr schädlichen Effekten und hohen Kosten möglich.
Gestaltung von Drittsicherheiten sämtlicher verbundener Unternehmen – Praxisprobleme absehbar
Sanierungsförderlich ist es hingegen, dass zukünftig nicht nur Upstream-Sicherheiten von Tochterunternehmen, sondern alle von verbundenen Unternehmen gestellte Sicherheiten in einem Restrukturierungsplan gestaltet werden können (§ 2 Abs. 4 StaRUG). Nicht gelöst ist allerdings das Problem, dass durch die Pflicht zur angemessenen Entschädigung (§ 26 Abs. 2 StaRUG) erheblicher Darlegungsaufwand und große Unsicherheiten in das Verfahren getragen werden. Dieser Aufwand besteht nicht nur dann, wenn die Gruppe der Drittsicherheiten-Berechtigten dem Plan widerspricht (dafür § 28 Abs. 3 StaRUG), sondern über den pauschalen Prüfungsauftrag an das Restrukturierungsgericht in § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG in jedem Fall (siehe hierzu schon Proske/Streit, NZI 2020, 969, 974). Ob diese Sanierungshilfe unter diesen Voraussetzungen tatsächlich praktische Bedeutung erlangen wird, muss sich erst erweisen.
Plangestaltung eingeschränkt
Deutlich eingeschränkt wurde sodann die Möglichkeit, einer Gruppe rechtlich gleichrangiger Gläubiger (zum Beispiel Kleingläubiger) eine Vorzugsbehandlung (höhere Quote etc.) zuzugestehen. Dieses ist zukünftig gegen die Mehrheit der Gläubiger (nach Stimmrechten, d.h. Forderungs- bzw. Sicherheitenbeträge) nicht mehr möglich (§ 28 Abs. 1 S. 2 StaRUG). Der Gestaltungsspielraum zukünftiger Planverfasser ist insoweit also eingeschränkt.
Gläubigerbeirat
Letztlich sei erwähnt, dass in Restrukturierungssachen, welche die Umgestaltung aller überhaupt nach dem StaRUG gestaltbaren Forderungen zum Ziel haben, vom Gericht ein Gläubigerbeirat eingesetzt werden kann (§ 93 StaRUG). Dieser kann sodann den Restrukturierungsbeauftragten mit einstimmigen Beschluss bindend vorschlagen. Darüber hinaus sollen seine Mitglieder den Schuldner bei seiner Geschäftsführung unterstützen und überwachen. Die Abgrenzung zu den Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten (s. etwa § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) StaRUG) wird sich entwickeln müssen.
Privilegierung von Förderbanken im Eigenkapitalersatzrecht
Auch die geplanten Änderungen an der Insolvenzordnung haben eine Überarbeitung erfahren. Hervorzuheben ist zunächst, dass auf staatliche Förderbanken und mit ihnen verbundene Unternehmen das Eigenkapitalersatzrecht § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zukünftig nicht mehr anzuwenden ist. Diese Institute werden somit den Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, für die das schon lange gemäß § 24 UBGG gilt, gleichgestellt. Der Rechtsausschuss ist hier einem Wunsch der Bundesländer, zu denen regelmäßig die Förderbanken gehören, gefolgt.
Steuerforderungen im vorläufigen Insolvenzverfah-ren sind Masseverbindlichkeiten
Sodann gelten sämtliche Steuerforderungen, die im vorläufigen Insolvenzverfahren entstehen, unabhängig davon, ob Eigenverwaltung oder Regelverfahren angeordnet ist, künftig als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 4 InsO). Damit dürfte zukünftig ein Argument für die (vorläufige) Eigenverwaltung entfallen.
Doch kein Sondersachwalter in der Eigenverwaltung
Ferner wurde das nahezu einhellig kritisierte Instrument des Sondersachwalters (§ 274a InsO-RegE) gestrichen. Nach dem RegE sollte das Insolvenzgericht diesen einsetzen können, wenn es bezüglich des (vorläufigen) Sachwalters einem Vorschlag des Schuldners oder des vorläufigen Gläubigerausschusses folgen musste. Nahezu alle hierzu erfolgten Äußerungen monierten, dass dieses Instrument nur Unfrieden stiften und eine effiziente Verfahrensbearbeitung stören würde. Erstaunlich ist, dass diese Erwägungen nicht auch im StaRUG gehört wurden. Dort blieb der „weitere Restrukturierungsbeauftragte“ bestehen (§ 74 Abs. 3 StaRUG).
Eigenverwaltung bei COVID-19-Pandemie bedingter Insolvenz noch nach altem Recht
Eine wesentliche Anwendungsvorschrift findet sich sodann im Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVInsAG). Gemäß dessen neu geschaffenem § 5 ist bei Insolvenzanträgen in 2021 noch das alte, weniger restriktive Recht der Eigenverwaltung anzuwenden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf die COVID-19 Pandemie zurückzuführen ist. Die Regelung, wann das der Fall ist, füllt eine ganze Seite und besteht aus Regeln, Vermutungen, Ausnahmen und Rückausnahmen. Es ist offensichtlich, dass hiermit ein Quell von Unsicherheit und Streit geschaffen wurde.
Es wird kompliziert!
Insgesamt steht ab dem 01. Januar 2021 mit dem StaRUG in der heute vom Bundestag beschlossenen Form ein sehr komplexes, beratungsintensives und in seiner Gestaltungsmacht reduziertes Verfahren zur Restrukturierung von Unternehmen zur Verfügung. Dieses wird trotz seiner gegenüber dem RegE erfolgten Schwächung in den von Anfang an in den Blick genommenen Fällen finanzwirtschaftlicher Sanierungen unter Überwindung von Akkordstörern sein Anwendungsfeld finden. Zu denken ist hier insbesondere an Schuldschein-Restrukturierungen. Hinsichtlich der vielen Detailmängel wird die Praxis vermutlich Lösungen finden, die, wie bisher, auch das Forum-Shopping beinhalten dürften.
Das Forum-Shopping, das eigentlich zurückgedrängt werden sollte, dürfte auch in Insolvenzverfahren weiter zu beobachten sein. Die unter bestimmten Bedingungen in 2021 noch verfügbaren deutlich schuldnerfreundlicheren Altregelungen zur Eigenverwaltung werden temporär zu einer zerklüfteten Insolvenzlandschaft in Deutschland führen. Schuldner werden zudem künftig noch genauer prüfen, bei welchem Insolvenzgericht sie Eigenverwaltungen beantragen.