06.04.2020Fachbeitrag

Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 2/2020

Kein öffentlicher Auftraggeber, wenn Millionenumsatz und Geschäftsführung nicht beaufsichtigt durch öffentlichen Gesellschafter

Die Vergabekammer Thüringen stellte durch Beschluss vom 7. Februar 2019 (Az.: 250-4003-262/2019-E-001-EIC) fest, dass für die Eigenschaft des öffentlichen Auftraggebers im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB die Einflussmöglichkeit durch finanzielle Mittel oder die durch eine Aufsicht ausgeübte Kontrolle entscheidend ist. Zudem stellt nach Ansicht der Vergabekammer die sogenannte Infizierungstheorie des EuGH keinen eigener Tatbestand zur Begründung der öffentlichen Auftraggebereigenschaft dar.

Grundlage der Entscheidung bildete ein Vertragsverhältnis über die Vornahme radiologischer Dienstleistungen des Antragstellers mit einem Krankenhausbetreiber, der in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH auftrat. Unter den Gesellschaftern des Krankenhausbetreibers fanden sich neben einem Landkreis auch kirchliche Stiftungen. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2018 wurde das Vertragsverhältnis von Seiten des Krankenhausbetreibers ordentlich gekündigt, während mit einem anderen Dienstleister ab dem 1. Januar 2019 ein neuer Miet- und Kooperationsvertrag mit einer Laufzeit über 12 Jahre abgeschlossen wurde.

Den Abschluss dieses Vertrages rügte der Antragsteller gegenüber der Vergabekammer Thüringen und beantragte ein Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 155 ff. GWB mit der Begründung, dass der Krankenhausbetreiber durch die Beteiligung des Landkreises ein öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB sei und der mit dem neuen Dienstleister geschlossene Vertrag eine rechtswidrige de-facto-Vergabe darstelle.                 

Krankenhaus hier kein öffentlicher Auftraggeber

Die Vergabekammer Thüringen wies diesen Nachprüfungs-antrag als unzulässig zurück, da es sich bei dem Kranken-hausbetreiber nicht um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB handele und damit der personelle Anwendungsbereich des 4. Teiles des GWB insoweit nicht eröffnet sei.             

Zunächst stelle der Krankenhausbetreiber als gemeinnützige GmbH eine juristische Person des privaten Rechts dar, die grundlegend zu dem besonderen Zweck gegründet worden sei, eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe zu erfüllen. Ferner sei auch die Nichtgewerblichkeit dieser Aufgabenerfüllung gegeben, da bei Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles davon ausgegangen werden könne, dass der Krankenhausbetrieb ganz oder zumindest teilweise außerhalb normaler Marktmechanismen operiere. Dafür spricht nach Auffassung der Vergabekammer insbesondere, dass der Krankenhausbetreiber im Landkreis beinahe allein die stationäre Krankenhausversorgung der dort lebenden Bewohner übernehme, ohne jedoch dabei in einem nennenswerten Wettbewerb mit anderen Krankenhäusern zu stehen. Überdies spiele die Verfolgung privatwirtschaftlicher Gewinnerzielungsabsichten nach Angaben im Gesellschaftervertrag für den Krankenhausbetreiber keine Rolle, auch die Realisierung kirchlicher Zwecke sei lediglich ein
Neben-, nicht aber das Hauptziel der GmbH. Insoweit sei der Anwendungsbereich des § 99 GWB zunächst eröffnet.

Staatsverbundenheit im Sinne des § 99 GWB als zwingende Voraussetzung

Allerdings fehle es dem Krankenhausbetreiber an der notwendigen Staatsverbundenheit im Sinne der drei in § 99 Nr. 2 GWB genannten Varianten. Diese seien nach Ansicht der Vergabekammer für das Vorliegen eines öffentlichen Auftraggebers zwingend notwendig und nicht als bloße Regelbeispiele anzusehen.

Keine überwiegende öffentliche Finanzierung

Eine überwiegend öffentliche Finanzierung gemäß § 99 Nr. 2 lit. a) GWB durch Stellen nach § 99 Nr. 1 oder 3 GWB scheide aus, da diese im vorliegenden Fall nur einen geringen Teil ausmachen würden und der Krankenhausbetreiber sich im Übrigen aus eigenwirtschaftlichen Finanzmitteln finanziere, wobei er über Umsätze aus dem Krankenhausbetrieb in zweistelliger Millionenhöhe verfüge.

Auch Minderheitsbeteiligung des Landkreises nicht ausschlaggebend

Auch unterläge die Krankenhausleitung nicht einer Aufsicht durch Stellen nach § 99 Nr. 1 oder 3 GWB, wie es in § 99 Nr. 2 lit. b) GWB verlangt wird, da der Landkreis lediglich eine Minderheitsbeteiligung an der GmbH des Krankenhausbetreibers innehabe und daher keine maßgebliche Beaufsichtigung der Geschäftsführung im Sinne des § 99 Nr. 2 lit. b) GWB angenommen werden könne. Eine solche Aufsicht kann nach Auffassung der Vergabekammer des Weiteren auch nicht in der Rechtsaufsicht durch das Thüringer Landesverwaltungsamt nach Maßgabe der §§ 26, 31 Abs. 2 ThürKHG gesehen werden.

Keine Beaufsichtigung durch einen öffentlichen Auftraggeber

Daneben sei dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmen, dass auch nicht im Sinne des § 99 Nr. 2 lit. c) GWB mehr als die Hälfte der Mitglieder der zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach § 99 Nr. 1 oder 3 GWB bestimmt seien, da der Landkreis als Mitgesellschafter den Aufsichtsrat lediglich zu einem Drittel bestimmen könne.

Schließlich stellt die Vergabekammer fest, dass dem Krankenhausbetreiber die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber auch nicht nach den § 99 Nr. 1, 3 und 4 GWB zukommt, da die jeweils erforderlichen Tatbestandsmerkmale vom Krankenhausbetreiber offensichtlich nicht erfüllt seien.

Öffentliche Auftraggebereigenschaft lässt sich nicht allein über Infizierungstheorie des EuGH begründen

Überdies sei dem Krankenhausbetreiber diese Eigenschaft auch nicht aus der sogenannten Infizierungstheorie des EuGH abzuleiten, da diese lediglich bei nicht im Allgemeinin-teresse liegenden oder aber teils gewerblichen Aufgaben Anwendung fände und insofern inhaltlich keinen selbststän-digen Tatbestand zur Begründung einer Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber schaffen könne.

Fazit

Die Vergabekammer Thüringen macht insofern klar, dass die öffentliche Auftraggebereigenschaft in einem Fall wie dem vorliegenden ausschließlich dann zu bejahen ist, wenn eine der Alternativen nach § 99 Nr. 2 GWB vorliegt. Lediglich die Beteiligung eines Kreises hingegen genügt für die Annahme der öffentlichen Auftraggebereigenschaft nicht.

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