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Streitbeilegung in Zeiten der Covid-19-Pandemie
Die COVID-19-Pandemie mit Kontaktbeschränkungen und Reiseverboten stellt auch Zivilverfahren vor Herausforderungen. Künftig könnte für die Wahl zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten die Funktionalität in Pandemie-Zeiten den Ausschlag geben. Denn die Flexibilität und Möglichkeiten, auf die COVID-19-Pandemie zu reagieren, sind unterschiedlich.
Staatliche Gerichtsverfahren
Trotz der Corona-Beschränkungen sind Gerichtsfristen weiterhin einzuhalten. Bei Versäumung droht sogar die Verjährung von Ansprüchen. Denn eine Hemmungswirkung kann nur eintreten, wenn das Verfahren tatsächlich betrieben wird und nicht stillsteht. Das kann beispielsweise durch Fristverlängerungsanträge sichergestellt werden, für die „erhebliche Gründe“ glaubhaft gemacht werden müssen. Die aktuellen Beschränkungen der Handlungsfreiheiten sind solche erheblichen Gründe. Sogenannte Notfristen sind indes auch jetzt nicht verlängerbar.
Zudem sind auch Gerichtstermine wahrzunehmen. Die im Grundgesetz festgeschriebene Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung ist mit den allgemeinen Kontaktbeschränkungen in Einklang zu bringen. Als Alternative zur derzeit vielfach praktizierten Vertagung von Gerichtsterminen kann das Gericht in geeigneten Verfahren mit Zustimmung beider Parteien zu einem schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO übergehen. Zudem kann bei Vorliegen der notwendigen technischen Ausstattung eine mündliche Verhandlung inklusive Beweisaufnahme auch ohne Zustimmung der Parteien per Videokonferenz gemäß § 128a ZPO (z.B. via Skype for Business) gestattet werden. Hierdurch können die Parteien und ihre Anwälte „remote“ an der Verhandlung teilnehmen, das Gericht verhandelt wie gehabt in einem öffentlichen Gerichtssaal. Es besteht jedoch kein Anspruch der Parteien oder sonstiger Beteiligter auf Gestattung, da die Justiz nicht flächendeckend entsprechend ausgerüstet ist; ebenso wenig kann das Gericht die Nutzung der Videotechnik verpflichtend vorgeben. Die Beteiligten behalten vielmehr das Recht zur Teilnahme vor Ort. Umstritten ist, ob die Möglichkeit eines Verhandelns per Videokonferenz auch für die zwingend durchzuführende Güteverhandlung gilt oder ob nur nachfolgende mündliche Verhandlungen auf diese Weise abgehalten werden dürfen.
Schiedsverfahren
Das deutsche Recht sieht in Schiedsverfahren nicht zwingend eine mündliche Verhandlung vor. Vielmehr überlässt die Zivilprozessordnung es den Parteien zu vereinbaren, ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden oder ausgeschlossen sein soll. Das Gesetz sowie die Verfahrensregeln der Schiedsinstitutionen machen zudem keine Vorgaben, wie eine mündliche Verhandlung zu erfolgen hat, sodass auch Videokonferenzen möglich sind. Ob hierfür stets eine Zustimmung sämtlicher Parteien erforderlich ist oder ob eine virtuelle mündliche Verhandlung auch einseitig (womöglich gegen den Willen einer Partei) durch ein Schiedsgericht angeordnet werden kann, wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Insbesondere in internationalen Schiedsverfahren wurde zur effizienten Verfahrensführung bereits vor den Corona-bedingten Reisebeschränkungen von mündlichen Verhandlungen oder Zeugenvernehmungen per Videokonferenz erfolgreich Gebrauch gemacht. Hierfür müssen sichere, verlässliche und allseits verfügbare technische Lösungen gefunden sowie spezifische Verfahrensregeln vereinbart werden, wofür bereits erste allgemeine Richtlinien erarbeitet wurden. Auch die technischen Lösungen stehen bereit, die nicht nur die Konferenz mit allen Teilnehmern und einen gemeinsamen Zugriff auf Dokumente ermöglichen, sondern zudem geschlossene Gesprächsräume für das Schiedsgericht sowie für die Parteien mit ihren Anwälten anbieten. Eine Mitschrift bzw. Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung (in Echtzeit) und die Einbindung von Übersetzern sind in solchen Formaten technisch umsetzbar.
Fazit
In Zivilverfahren sind Fristen auch während der COVID-19-Pandemie einzuhalten und bestehende Termine wahrzunehmen. Hierzu besteht die Möglichkeit, Präsenztermine durch Videokonferenzen zu ersetzen und so eine Ansteckungsgefahr für die Beteiligten zu minimieren.
Die technischen Voraussetzungen sind in Schiedsverfahren eher vorhanden als in Gerichtsverfahren. Zudem ist in Schiedsverfahren die Öffentlichkeit nicht zu beteiligen. Ob die mündliche Verhandlung per Videokonferenz auch künftig eine physische Begegnung ersetzen wird, kann allerdings bezweifelt werden.
Weitergehende Informationen finden Sie hier in unserem Update Dispute Resolution.
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