10.02.2022Fachbeitrag

Update Dispute Resolution Februar 2022

Krypto-Litigation: Erste Urteile zur Zwangsvollstreckung bei Kryptoforderungen

Prozessführung im Zusammenhang mit Kryptowerten (Bitcoin etc.) ist mit einigen Unsicherheiten behaftet. Mangels spezieller gesetzlicher Regelungen gehen die Meinungen in der Fachliteratur weit auseinander. Erste Urteile in Sachen Zwangsvollstreckung lassen nun eine Tendenz erkennen. 

Unsichere Ausgangssituation

Weder Blockchain-Transaktionen im Allgemeinen noch der Handel mit Kryptowerten im Speziellen sind in Deutschland zivilrechtlich ausdrücklich geregelt. Entsprechend muss auf Gesetze zurückgegriffen werden, die eigentlich auf die analoge Welt zugeschnitten sind. Diese Welt besteht vor allem aus Sachen, Forderungen und staatlich anerkannten Währungen, mithin dem klassischen „Geld“.

Aufgrund dieses gesetzgeberischen Vakuums gehen die Meinungen zur zivilrechtlichen Behandlung von Kryptowerten als Vermögensgegenstand und Handelsware weit auseinander (vgl. dazu etwa Weiss JuS 2019, Seite 1050 ff. m.w.N.). Dies betrifft insbesondere folgende Fragen:

  • Eigentum an Kryptowerten?

    Die überwiegende Ansicht in der Fachliteratur nimmt an, dass an Kryptowerten kein Eigentum im zivilrechtlichen Sinne besteht. Dies vor allem deshalb nicht, weil sich das zivilrechtliche Eigentum nur auf Sachen, also auf physische Gegenstände beziehen kann. Dies trifft auf eine Eintragung in einer Blockchain jedoch nicht zu.

    Eine Minderansicht vertritt hingegen die Meinung, dass auf Kryptowerte die Vorschriften zum Eigentum zumindest entsprechend anzuwenden sind. Begründet wird dies vor allem damit, dass auch Kryptowerte den Eigentumsschutz genießen müssten, um eine Schutzlücke zu vermeiden.
     
  • Kryptowerte als Geld?

    Im Weiteren nimmt die ganz überwiegende Ansicht in der Fachliteratur an, dass Kryptowerte kein Geld im zivilrechtlichen Sinne sind. Grund hierfür soll die mangelnde staatliche Anerkennung von Kryptowerten sein. Verpflichtet sich daher eine Person, jemand anderem Kryptowerte zu übertragen, stellt dies nach dieser Ansicht keine Geldschuld dar. Dies hat weitreichende Konsequenzen: So gibt es etwa keine Verzugszinsen und die weitreichenden Vollstreckungsmöglichkeiten bei Geldforderungen kommen nicht zur Anwendung.

    Eine Mindermeinung zieht diese Begründung in Zweifel. Insbesondere seit erste Staaten Kryptowerte als Zahlungsmittel anerkennen, müssten Kryptowerte zumindest als Fremdwährungsschulden (wie etwa Forderungen in US-Dollar) behandelt werden.
     
  • Wie werden Kryptowerte rechtlich übertragen?

    Nächster Streitpunkt ist die Frage, wie Kryptowerte rechtlich übertragen werden. Hierzu gibt es gleich drei Ansichten:

    Einige sind der Auffassung, Kryptowerte sollten wie Sacheigentum übertragen werden, also durch Einigung und Übergabe. Dann würde es sich also um einen Übertragungsvertrag wie etwa bei der Übereignung eines PKW handeln.

    Andere meinen, Kryptowerte seien wie Forderungen abzutreten. Auch das wäre ein Übertragungsvertrag, der den Austausch korrespondierender Willenserklärungen voraussetzt.

    Die überwiegende Ansicht geht hingegen von einem bloßen Realakt aus (also kein Vertrag), der darin besteht, dass der Erwerber als neuer Inhaber des Kryptowerts in der jeweiligen Blockchain eingetragen wird. 

    Die zutreffende Begründung hierfür lautet: Entscheidend dafür, dass der Erwerber über den Kryptowert disponieren kann, ist allein seine Eintragung in der Blockchain, also der Erwerb der tatsächlichen technischen Berechtigung, auf den Wert zuzugreifen. Ein (Übertragungs-)Vertrag räumt ihm diese Berechtigung hingegen nicht ein, ist also weder notwendig noch hinreichend.

    Zu beachten ist jedoch: Dies gilt nur für die unmittelbare Übertragung von Kryptowerten in der Blockchain. Derzeit gibt es jedoch eine starke Tendenz, Kryptowerte nicht mehr direkt in der Blockchain zu handeln, sondern auf Plattformen. In diesem Fall erwirbt der Käufer keine eigene Blockchainposition mehr, sondern nur eine Forderung gegen die Plattform, die ihrerseits eine ganze Reihe von Blockchainpositionen hält. Dies ist in der analogen Welt etwa mit dem Unterschied zwischen dem Erwerb von Silber und dem von Papiersilber zu vergleichen.

    Weiterhin gilt zu berücksichtigen, dass die jeweilige Gutschrift in der sog. Wallet (Benutzeroberfläche, die von verschiedenen Anbietern zur Verwaltung von Kryptowerten zur Verfügung gestellt wird) nicht mit der Transaktion in der Blockchain verwechselt werden darf. Die Wallet ist nur ein benutzerfreundliches technisches Mittel zur Durchführung von Transaktionen. In der jüngeren Vergangenheit standen Wallets öfters in der Diskussion, da es wiederholt zu Hacks gekommen ist, wodurch Anwender ihre Zugangsschlüssel verloren hatten. Hier stellt sich dann insbesondere die Frage, ob und inwieweit die Anbieter dieser Wallets für den Schaden haften (die Hacker sind meist nicht zu ermitteln).
     
  • Wie wird eine Kryptoforderung vollstreckt?

    In gewisser Hinsicht gipfeln sämtliche dieser Vorfragen schließlich in die Problematik, wie Kryptoforderungen vollstreckt werden. 

    Der Ausgangsfall: A verpflichtet sich gegenüber B auf Übertragung von 0,5 Bitcoin. A erfüllt diese Pflicht nicht. B erwirkt daraufhin ein Gerichtsurteil auf Übertragung der 0,5 Bitcoin. Wie wird dieses Urteil vollstreckt?

    Bislang nahm die ganz überwiegende Ansicht an, dass die Verpflichtung zur Übertragung von Kryptowerten eine unvertretbare Handlung darstellt (§ 888 ZPO). Das hat zur Folge, dass A allenfalls durch die Verhängung eines Zwangsgeldes von bis zu maximal EUR 25.000 oder unter strengen Voraussetzungen durch Zwangshaft zur Übertragung gezwungen werden kann. Ein recht stumpfes Schwert. Hat A die versprochenen Kryptowerte nämlich bereits einem Dritten übertragen, gehen diese Zwangsmaßnahmen ins Leere.

Die Rechtsprechung: Vertretbare Handlung 

Entgegen dieser verbreiteten Literaturansicht haben nun das OLG Düsseldorf und das LG Heilbronn als erste deutsche Gerichte entschieden, dass die Übertragung von Kryptowerten eine vertretbare Handlung darstellt, deren Vollstreckung nach § 887 ZPO erfolgt (vgl. OLG Düsseldorf v. 19.1.2021 – 7 W 44/20 sowie LG Heilbronn v. 3.3.2021 – Sa 8 O 368/20). 

Entsprechend ist es möglich, dass der Gläubiger die versprochenen Kryptowerte auf Kosten des Schuldners selbst im Markt erwirbt. Er kann dazu auch einen Kostenvorschuss vom Schuldner verlangen. Dies erscheint sachgerecht, weil es dem Gläubiger bei lebensnaher Betrachtung nicht darauf ankommt, von wem oder gar aus welcher Wallet er den versprochenen Kryptowert erhält.

Mittelbare Aussagen der Urteile

Wenngleich sich die Urteile auf das Thema „Zwangsvollstreckung“ beschränken, implizieren sie eine ganze Reihe von Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen:

  • So gehen die Gerichte offenbar nicht davon aus, dass es sich bei Kryptoforderungen um Geldforderungen handelt.
  • Ferner sehen die Gerichte in der Übertragung von Kryptowerten offenkundig einen Realakt. Würden sie nämlich eine Verfügung annehmen (wie bei einer Eigentumsübertragung oder einer Forderungsabtretung), wäre für die Zwangsvollstreckung stets auch die Abgabe der entsprechenden Willenserklärung des Schuldners gemäß § 894 ZPO zu vollstrecken.
  • Damit erkennen die Gerichte mittelbar auch kein sachenrechtliches Eigentum an Kryptowerten an. Andernfalls hätte die Übertragung entsprechend der sachenrechtlichen Bestimmungen und unter Einbeziehung des § 894 ZPO vorgenommen werden müssen.

Obgleich die beiden Gerichte damit in der Detailfrage der vertretbaren/unvertretbaren Handlung mit guten Gründen von der Fachliteratur abgewichen sind, bestätigen sie stillschweigend die vorherrschende Ansicht zu Fragen der zivilrechtlichen Rechtsnatur und Übertragung von Kryptowerten.

Ausblick

Da es sich allerdings um Urteile von Instanzgerichten handelt und generell noch sehr wenig Urteile zum Thema Kryptowerte vorliegen, bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend verfestigt.

Außerdem sind damit bei weitem noch nicht alle Fragen zur zivilrechtlichen Behandlung von Kryptowerten beantwortet. Dies betrifft insbesondere die Frage zur Rückabwicklung gescheiterter Transaktionen. In der Praxis stellt sich aufgrund des häufig internationalen Bezugs meist auch das Problem des zuständigen Gerichts sowie des anwendbaren Rechts – wobei dies wiederum von den Vorfragen zur Rechtsnatur und Übertragung abhängen kann.

Ferner sei erneut daran erinnert, dass sich der Handel mit Kryptowerten zunehmend aus der Blockchain in die Handelsplattformen verlagert. Die Konsequenzen dürften dem ein oder anderen Händler/Verbraucher häufig nicht bewusst sein. Durch den Handel auf Plattformen erwirbt der Käufer meist keine eigene Position in der Blockchain, sondern nur eine Forderung gegen die Handelsplattform. Entsprechend gelten hier andere Regeln, die vor allem von der vertraglichen Ausgestaltung abhängen.

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