Fachbeitrag
Frist aus der Zivilprozessordnung für zeitlichen Abstand zwischen mündlicher Verhandlung und Urteilsverkündung gilt nicht für Schiedsverfahren
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.05.2021, Az. 26 Sch 1/21
Das OLG Frankfurt am Main (OLG) hat sich kürzlich mit der Frage befasst, ob die in § 310 Abs. 1 S. 2 ZPO geregelte Höchstfrist von drei Wochen zwischen mündlicher Verhandlung und Verkündungstermin auch im Ad-hoc-Schiedsverfahren gilt.
Sachverhalt
Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG war unter anderem ein Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs.
Im Sachverhalt des Schiedsverfahrens ging es um ein gemeinsames Joint-Venture im Bereich der Schraubenherstellung für die Windkraftindustrie, welches die Verfahrensparteien gründen wollten. Die Antragstellerin sollte für das Joint-Venture ein Darlehen in Höhe von 1,5 Mio. Euro aufnehmen, welches sie dem Unternehmen wiederum als Darlehen zur Verfügung stellen würde. Zur geplanten Darlehensaufnahme in dieser Höhe kam es nicht, das Joint-Venture musste daraufhin Insolvenz beantragen. Die vertragliche Grundlage des Projekts enthielt eine Schiedsvereinbarung nach §§ 1025 ff. ZPO. Die Antragsgegnerin begehrte von der Antragstellerin Schadenersatz und erhob Schiedsklage vor einem Ad-Hoc- Schiedsgericht in Frankfurt am Main. Die mündliche Verhandlung fand am 14. November 2019 statt. Der Schiedsspruch vom 9. November 2020, mit dem die Antragstellerin zu einer Zahlung verurteilt wurde, wurde der Antragstellerin am 12. November 2020 zugestellt.
Die Antragstellerin begehrte sodann vor dem OLG die Aufhebung des Schiedsspruchs und stützt sich unter anderem auf einen Verstoß gegen den ordre public, den sie in der Dauer von etwa einem Jahr zwischen mündlicher Verhandlung und Erlass des Schiedsspruchs begründet sah.
Entscheidung
Das OLG hat den Aufhebungsantrag abgelehnt. Durch die einjährige Dauer zwischen mündlicher Verhandlung und Erlass des Schiedsspruchs sei der verfahrensrechtliche ordre public nicht verletzt. Die Vorschrift des § 310 Abs. 1 S. 2 ZPO sei im Schiedsverfahren weder direkt noch analog anwendbar.
Das OLG begründet dies im Wesentlichen damit, dass im Unterschied zu einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, die individuelle Verfahrensrechte der Parteien regeln, der verspätete Erlass eines Schiedsspruchs typischerweise beide Parteien in gleicher Weise träfe. Es wäre unter dem Aspekt der Waffengleichheit ungerechtfertigt, eine Aufhebungsmöglichkeit zu eröffnen, die typischerweise nur die Partei begünstige, die nach dem Ergebnis des Schiedsspruchs unterliegt.
Ferner käme hinzu, dass im Falle eines verspäteten Schiedsspruchs regelmäßig besondere Schwierigkeiten bestünden, festzustellen, ob sich der verspätete Erlass des Schiedsspruchs im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO auf den Schiedsspruch ausgewirkt habe. Insbesondere sei selbst dann, wenn im Einzelfall festgestellt werden könne, dass der Schiedsspruch durch ein mangelndes Erinnerungsvermögen des Schiedsgerichts an die mündliche Verhandlung beeinflusst worden sei, regelmäßig nicht aufklärbar, ob ein entsprechender Mangel des Erinnerungsvermögens den Schiedsspruch nicht auch dann beeinflusst hätte, wenn dieser innerhalb einer gerade noch als angemessen anzusehenden Frist erlassen worden wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 17.12.2020 - 26 Sch 15/19 -, juris; dort zu § 33 Abs. 1 DIS-Schiedsordnung 1998).
Das OLG verweist überdies auf § 1038 Abs. 1 ZPO, wonach die Parteien beantragen könnten, die Beendigung des Schiedsrichteramtes auszusprechen, weil der Schiedsrichter seinen Aufgaben nicht in angemessener Frist nachkomme. Die Schiedsparteien seien dem Schiedsrichter im Falle einer Verzögerung daher nicht rechtsschutzlos ausgeliefert.
Das OLG weist ferner darauf hin, dass die Frage der Frist nicht ernsthaft in Literatur oder Rechtsprechung diskutiert werde. Die Antragstellerin hatte in der der Antragsschrift auf ein Urteil des OLG Stuttgart vom 22. Dezember 1986 (Az. 5 U 3/86) verwiesen, welches ein ICC-Schiedsverfahren betraf, in dem durch den Verweis auf die Schiedsregeln der ICC eine sechsmonatige Frist für den Erlass des Schiedsspruchs bestand. Nach dem OLG Stuttgart habe der ICC-Schiedsgerichtshof verfahrensfehlerhaft die Parteien zur Verlängerung der Frist für den Erlass des Schiedsspruchs durch das Schiedsgericht nicht angehört, und deshalb die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör versagt; dieser Fall habe erkennbar nichts mit dem Fall eines Ad hoc-Schiedsverfahrens zu tun, in dem eine Frist gerade nicht vereinbart worden ist. Zur Vollständigkeit weist das OLG darauf hin, dass die Entscheidung des OLG Stuttgart ohnehin aufgehoben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 14.04.1988 - III ZR 12/87 -, BGHZ 104, 178).
Praxishinweis
Der grundsätzlich zu begrüßende Umstand, dass das Schiedsgericht in der Prozessleitung deutlich freier und weniger an gesetzliche Vorgaben gebunden ist, kann sich auch nachteilig für die Schiedsparteien auswirken, wie die Entscheidung des OLG verdeutlicht.
Um das Risiko von Verzögerungen beim Erlass des Schiedsspruchs zu reduzieren, sollte daher entweder eine Frist für den Zeitraum zwischen mündlicher Verhandlung bzw. letzter Schriftsatzfrist und Erlass des Schiedsspruchs, oder die Anwendbarkeit des § 310 Abs. 1 S. 2 ZPO vereinbart werden.
Die Parteien können auch von vorneherein eine Schiedsordnung wählen, die eine Regelung hierzu enthält, wie die Schiedsgerichtsordnung 2018 des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS). Nach Artikel 37 muss das Schiedsgericht den Schiedsspruch der DIS in der Regel innerhalb von drei Monaten nach der letzten mündlichen Verhandlung oder dem letzten zugelassenen Schriftsatz übermitteln. Der DIS-Rat kann das Honorar eines Schiedsrichters oder mehrerer Schiedsrichter auf Grundlage der Zeit, die das Schiedsgericht bis zum Erlass des Schiedsspruchs benötigt hat, nach seinem Ermessen herabsetzen. Die DIS-Schiedsordnung schafft dadurch einen Anreiz für die Schiedsrichter, den Schiedsspruch zeitnah abzusetzen.