Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Dezember 2017
Umstrukturierung von energieintensiven Unternehmen
Die gesellschaftsrechtliche Veränderung eines Unternehmens kann aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein. Sie führt jedoch nicht zum Erfolg, wenn der angestrebte Vorteil durch einen Nachteil an anderer Stelle wieder aufgehoben wird. Die möglichen Auswirkungen einer Umstrukturierung auf die Energiekosten des Unternehmens sollten daher stets berücksichtigt werden.
Die Energiekosten sind für viele Unternehmen ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Dabei spielen die staatlich veranlassten bzw. regulierten Kostenbestandteile eine immer größere Rolle – auch und insbesondere in Form der Entlastungsmöglichkeiten für die energieintensive Industrie. So ist unter bestimmten Voraussetzungen etwa die Begrenzung von Abgaben und Umlagen oder die Vereinbarung reduzierter Netzentgelte möglich. Auch mittelständische Unternehmen können ihre Energiekosten auf diese Weise häufig um mehrere Millionen Euro pro Jahr reduzieren. Gesellschaftsrechtliche Veränderungen des betroffenen Rechtsträgers können sich insofern erheblich auf die Entlastungen auswirken. Entsprechende Umstrukturierungen bergen insoweit Chancen und Risiken zugleich.
Besondere Ausgleichsregelung (Begrenzung der EEG-Umlage)
Die EEG-Umlage ist ein erheblicher Kostenbestandteil für stromkostenintensive Unternehmen. Sie beträgt derzeit 6,880 ct/kWh und sinkt im Jahr 2018 nur leicht auf 6,792 ct/kWh. Im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung gemäß §§ 63ff. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2017) können Unternehmen die Begrenzung der EEG-Umlage beantragen, wenn sie eine hinreichende sog. Stromkostenintensität aufweisen. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein bestimmtes gesetzlich definiertes Verhältnis von Stromkosten und Bruttowertschöpfung.
Vor der Umsetzung gesellschaftsrechtlicher Veränderungen sollte daher stets geprüft werden, ob das Unternehmen die erforderliche Stromkostenintensität auch nach der Umstrukturierung noch erreicht. Umgekehrt können die Voraussetzungen für eine zukünftige Begrenzung der EEG-Umlage in manchen Fällen im Rahmen von Umstrukturierungen erstmals geschaffen werden (z.B. durch die gesellschaftsrechtliche Trennung zwischen der stromkostenintensiven Produktion einerseits und sonstigen Tätigkeiten – z.B. Verwaltung, Forschung, Vertrieb, etc. – andererseits).
Der Nachweis der Antragsvoraussetzungen ist auf Grundlage von Daten der Vergangenheit zu erbringen (teilweise auf Grundlage der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre vor der Antragstellung). Auf diese Daten kann ein Unternehmen im Falle einer Umwandlung nur zurückgreifen, wenn seine wirtschaftliche und organisatorische Einheit nach der Umwandlung nahezu vollständig in dem „neuen“ Unternehmen erhalten geblieben ist. Verändert sich das Unternehmen zu stark, eignen sich die Daten des ursprünglichen Unternehmens nicht mehr für die Nachweisführung. In diesem Fall kann zu Nachweiszwecken ggf. ein sog. Rumpfgeschäftsjahr gebildet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Antragsvoraussetzungen in diesem Rumpfgeschäftsjahr erfüllt werden (saisonale Schwankungen berücksichtigen!). Außerdem sollte der Zeitraum so gewählt werden, dass eine ggf. entstehende „Begrenzungslücke“ möglichst kurz ausfällt.
Begrenzung der KWK-Umlage und der Offshore-Umlage
Seit Anfang 2017 ist die Begrenzung der KWK-Umlage (derzeit 0,438 ct/kWh, 0,345 ct/kWh im Jahr 2018) gemäß § 27 KWKG an eine vorhandene Begrenzung der EEG-Umlage geknüpft (s.o.). Gleiches gilt ab dem Jahr 2019 für die Reduzierung der Offshore-Umlage (vorbehaltlich der beihilfenrechtlichen Genehmigung der Neuregelung durch die Europäische Kommission). Diese Entlastungen teilen damit das oben beschriebene Schicksal der Begrenzung der EEG-Umlage. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass zukünftig auch weitere Entlastungsregelungen (z.B. die Reduzierung der StromNEV-Umlage) mit der Besonderen Ausgleichsregelung verknüpft werden.
EEG-Eigenversorgung
Des Weiteren wird gemäß §§ 61a ff. EEG 2017 die Eigenversorgung mit Strom privilegiert. Verbraucher, die Strom für den eigenen Verbrauch in EEG-Anlagen oder hocheffizienten KWKAnlagen erzeugen, müssen für diesen Strom nur eine reduzierte EEG-Umlage bezahlen. Durch Umstrukturierungen können Stromverbräuche aus dieser Eigenversorgung herausfallen. Werden für die Eigenerzeugung ältere Erzeugungsanlagen (sog. Bestandsanlagen) genutzt, bei denen die Verbraucher sogar vollständig von der EEG-Umlage befreit sind, ist das Risiko noch größer. Eine Übertragung bestandsgeschützter Eigenerzeugungskonzepte auf andere Unternehmen ist nur in engen Ausnahmefällen zulässig. Entfällt der Bestandsschutz aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Veränderungen, ist im Zweifel für alle erzeugten Strommengen die volle EEG-Umlage zu zahlen. Die Auswirkungen auf den Bestandsschutz von älteren Eigenerzeugungskonzepten sollten daher stets geprüft werden.
Individuelle Netzentgelte
Die Netzentgelte sind ebenfalls ein erheblicher Kostenbestandteil der Stromkosten. Ihre Höhe hängt von verschiedenen Faktoren ab (Netzgebiet, Anschlussnetzebene, entnommene Strommenge und Jahreshöchstlast). Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Verbraucher mit dem Netzbetreiber ein sog. individuelles Netzentgelt vereinbaren, das bis zu 90 Prozent unter dem regulären Netzentgelt liegt. Ein solches individuelles Netzentgelt muss ein Netzbetreiber gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV unter anderem dann anbieten, wenn der Verbraucher an einer Abnahmestelle Strom für den eigenen Verbrauch in einer Größenordnung von mehr als zehn Gigawattstunden besonders gleichmäßig aus dem Netz entnimmt (erforderlich ist eine sog. Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.000 Stunden im Jahr).
Gesellschaftsrechtliche Veränderungen an dem betreffenden Standort können dazu führen, dass die Voraussetzungen für das individuelle Netzentgelt entfallen. Dies ist etwa denkbar, wenn an einem begünstigten Standort ein Unternehmensteil ausgegliedert wird und dessen Stromabnahme an der Abnahmestelle daher nicht mehr berücksichtigt werden darf oder wenn durch die Verschmelzung mit anderen vor Ort ansässigen Unternehmen die Gleichmäßigkeit des Strombezugs entfällt. Umgekehrt können Umstrukturierungen auch hier entsprechende positive Auswirkungen haben.
Fazit
Gesellschaftsrechtliche Veränderungen können erhebliche Auswirkungen auf die energierechtlichen Entlastungstatbestände, die ein Unternehmen in Anspruch nehmen kann, und damit auf die Energiekosten des Unternehmens haben. Dies gilt sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht. Insbesondere bei energieintensiven Unternehmen sollten Umstrukturierungsmaßnahmen daher vor ihrer Umsetzung sorgfältig auf ihre möglichen energierechtlichen Folgen und die damit verbundenen Chancen und Risiken für die Energiekosten geprüft werden.