Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 4/2018
Werbung für Zahnarztpraxis mit Bezeichnung „Praxisklinik“ unzulässig
Das OLG Hamm hat festgestellt (Urteil vom 27.02.2018 – Az.: 4 U 161/17), dass das Werben mit der Zusatzbezeichnung „Praxisklinik“ für eine Zahnarztpraxis wegen Irreführung nicht zulässig ist. Der betreffende Zahnarzt muss die Bezeichnung „Praxisklinik“ von seinem öffentlichen Auftritt entfernen und darf nicht weiter damit werben, da Patienten davon ausgehen könnten, sein Angebot reiche über das einer gewöhnlichen Zahnarztpraxis hinaus, und die „Praxisklinik“ daher anderen „Praxen“ vorziehen.
Der beklagte Zahnarzt betrieb eine Praxis und warb dafür auf seiner Internetseite mit der Bezeichnung „Praxisklinik“. Für diesen Umstand wurde er von einem Gewerbeverband abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Begründet wurde die Abmahnung damit, dass die Bezeichnung „Praxisklinik“ irreführend sei, da in der betreffenden Zahnarztpraxis die Möglichkeit fehle, Patienten für einen längeren stationären Aufenthalt aufzunehmen. Mit dem Begriff „Praxisklinik“ werde jedoch der Eindruck erweckt, die Praxis stehe vom Umfang und der stationären Aufnahmemöglichkeit her der zahnärztlichen Abteilung eines Krankenhauses gleich. Der Verbraucher verstehe nämlich den Begriff einer „Klinik“ als Synonym für Krankenhaus und erwarte daher die Möglichkeit einer stationären und nicht nur rein ambulanten Behandlung. Eine Praxisklinik sei dagegen aber im Sinne der Begrifflichkeiten aus § 115 SGB V eine ambulante Einrichtung, in der auch stationäre Versorgungsleistungen erbracht werden könnten. Das hieße, dass in einer Praxisklinik jedenfalls vorübergehend und kurzfristig ein Klinikbetrieb möglich sein müsse.
Werbung mit „Praxisklinik“ verstößt gegen UWG
Nachdem das erstinstanzlich angerufene Landgericht Essen die Klage zunächst abgewiesen hatte, gab das OLG Hamm der Klage statt und sprach der Klägerpartei einen Unterlassungsanspruch gegen den beklagten Zahnarzt zu. Nach Ansicht des Gerichts ist die Verwendung des Begriffs „Praxisklinik“ unter den gegebenen Umständen irreführend nach den Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Es liege hier demnach im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 1 UWG eine unlautere Handlung vor, die geeignet sei, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Der Begriff der „Praxisklinik“ könnte dabei, wie das Gericht suggeriert, zu falschen Annahmen bezüglich der wesentlichen Merkmale der vorliegenden Zahnarztpraxis führen und leite in die Irre bezüglich der eigentlichen Tätigkeit der Praxis.
Werbung einer Zahnarztpraxis an jedermann gerichtet
Das Gericht ist dabei der Ansicht, dass es beim Verständnis von Werbung zunächst maßgeblich von der Auffassung des Personenkreises abhänge, an den sie sich richtet. Die streitgegenständliche Werbung richte sich dabei an jedermann. Entscheidender Maßstab sei also die Auffassung des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringe. Diesem sind in der Regel weder die konkreten fachlichen Begriffsbestimmungen des SGB V noch der Berufsordnungen für Zahnärzte, geschweige denn der Zahnärztekammern oder der einschlägigen Fachliteratur bekannt.
Verbraucher erwartet mehr von einer „Praxisklinik“ als von einer „Praxis“
Dieser Verbraucher erwarte, dass die vorgehaltene medizinische Versorgung einer „Praxisklinik“ in jedem Fall über das Angebot einer reinen Praxis hinausgehe. Denn nur so wäre die Bezeichnung als „Klinik“ überhaupt gerechtfertigt. Das hieße im vorliegenden Fall, dass er sich von dieser neben der rein ambulanten Versorgung auch die Möglichkeit einer, wenn auch nicht längerfristigen, so doch zumindest vorübergehenden stationären Behandlung im Bedarfsfall verspreche. Der Begriff der „Praxisklinik“ erwecke dabei nach Ansicht des OLG beim maßgeblichen Verkehrskreis zunächst den Eindruck, der beklagte Zahnarzt betreibe eine „Klinik“. Ein solches Verständnis liege in Anbetracht des verwendeten zusammengesetzten Wortes „Praxisklinik“ mehr als nahe, denn semantisch dominiere bei solchen zweigliedrigen Komposita regelmäßig das Zweitglied als Grundwort. Es trage im Vergleich zur Bedeutung des gesamten Wortes die allgemeinere Bedeutung, sodass es dieses ganz allein repräsentiere. In dieser Weise fasse dann auch der Verbraucher diesen Begriff der „Praxisklinik“ auf. Das bedeute im vorliegenden Fall nach Ansicht des Gerichts zudem, dass der Begriff der „Klinik“ bestimmend sei. Demzufolge sei auch die Praxisklinik eine Klinik. Die Allgemeinheit verstehe den Begriff der „Klinik“ jedoch nach wie vor als Synonym für ein „Krankenhaus“ und assoziiere damit dementsprechend nicht nur operative Eingriffe, sondern auch und vor allem eine stationäre Behandlung. Zwar gehe der angesprochene Verkehrskreis laut dem OLG aufgrund des vorangestellten Wortbestandteils „Praxis“ nicht ohne weiteres davon aus, dass es sich es bei einer Praxisklinik um eine Klinik im eigentlichen Sinne handele, da das Wort „Praxis“ neben dem Wort „Klinik“ ebenfalls die Bedeutung des Gesamtworts „Praxisklinik“ präge. Somit werde der Verbraucher auch nicht mit der Möglichkeit einer mehrtägigen stationären Unterbringung rechnen, zumal eine solche bei zahnärztlichen Behandlungen ohnehin nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstelle. Dem Verbraucher werde dabei klar sein, dass der Schwerpunkt einer „Praxisklinik“ in der ambulanten Versorgung liege. Dennoch werde von einer „Praxisklinik“ nicht mehr erwartet, als dass dort gegebenenfalls auch umfangreiche Operationen vorgenommen würden. Vielmehr werde er sich von dieser zumindest die erforderlichen Einrichtungen für eine, wenn auch nur im Ausnahmefall notwendige vorübergehende stationäre Versorgung, und zwar auch über Nacht versprechen.
Patienten könnten „Praxisklinik“ einer gewöhnlichen „Praxis“ vorziehen
Dadurch stellt sich die zahnärztliche „Praxisklinik“ in der Argumentation des OLG für den gewöhnlichen Verbraucher, zumal wenn er im Einzelfall beispielsweise Komplikationen im Rahmen der Behandlung befürchte, als vorzugswürdige Alternative zur rein ambulanten Zahnarztpraxis und erwägenswerte Alternative zur Zahnklinik im eigentlichen Sinne dar. Aber diese Vorstellung sei gerade unzutreffend und damit der Begriff „Praxisklinik“ laut dem Gericht irreführend. Diese Irreführung über derlei positive Leistungsmerkmale sei für die Marktentscheidung des Verbrauchers von Bedeutung und damit wettbewerblich relevant gemäß § 5 UWG, womit der Unterlassungsanspruch der Klägerpartei schließlich bei zusätzlicher Vermutung einer Wiederholungsgefahr bezüglich der vorliegenden Werbehandlungen zu bejahen sei.
Fazit
Dieses Urteil des OLG Hamm stellt Anforderungen an Vorgaben für die Bezeichnung von Arztpraxen und für die Werbung für diese auf, die vor dem Hintergrund wettbewerblicher Verhaltensregeln im Praxisbetrieb unbedingt zu berücksichtigen sind. In dem Urteil ist dabei insbesondere auch beachtenswert, dass sich das Gericht in nachvollziehbarer Weise mit der namentlichen Abgrenzung einer „Praxisklinik“ von einer gewöhnlichen Arztpraxis beschäftigt.