Update Compliance 154
BAG: Kein Fragerecht des Arbeitgebers nach eingestelltem Ermittlungsverfahren
In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat das BAG dem Fragerecht des Arbeitgebers in Bezug auf Ermittlungsverfahren klare Grenzen gesetzt. Konkret hat das BAG entschieden, dass Arbeitgeber nicht pauschal nach eingestellten Ermittlungsverfahren fragen dürfen und die Falschbeantwortung dieser (unzulässigen) Frage durch den Arbeitnehmer weder einen Kündigungs- noch einen Anfechtungsgrund darstellt.
Unschuldsvermutung – kein Fragerecht nach abgeschlossenen Ermittlungsverfahren
Das Land Nordrhein-Westfalen befragte einen Lehrer im Bewerbungsverfahren nach abgeschlossenen Ermittlungsverfahren. Der Bewerber machte dazu keine Angaben. Nach der Einstellung erhielt das Land NRW ein anonymes Schreiben, wonach gegen den Lehrer wegen Kindesmissbrauchs ermittelt werde. Die Nachfrage der Landesschulbehörde bei der Staatsanwaltschaft ergab eine ganze Reihe von laufenden und abgeschlossenen Ermittlungsverfahren wegen diverser Delikte (Hausfriedensbruch, Körperverletzung usw.), nicht aber wegen Kindesmissbrauchs. Das Land kündigte fristlos und hilfsweise ordentlich in der Probezeit. Zudem erklärte das Land hilfsweise die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses.
Keine Kündigung wegen Lüge im Einstellungsgespräch
Das BAG hielt Probezeitkündigung und Anfechtung für unwirksam. Aus § 53 BZRG ergebe sich, dass sich sogar Verurteilte bei fehlender Eintragung dieses Umstandes in das Führungszeugnis als unbestraft bezeichnen dürfen. Dies gelte noch stärker bei Einstellungen nach §§ 172 oder 153 ff. StPO. Diese rechtfertigen die mit einer Eintragung in das Führungszeugnis verbundenen Nachteile nicht und müssen folglich auch nicht in einem Bewerbungsverfahren offengelegt werden. Dabei sei im Übrigen auch unbeachtlich, dass Einstellungen nach §§ 153 ff. StPO keine Feststellung der Unschuld beinhalten. Jedenfalls enthalten sie keinen Schuldspruch. Folgerichtig habe der Bewerber im konkreten Fall auf die Frage nicht wahrheitsgemäß antworten müssen. Konsequenterweise dürfe das Land NRW auch keine Kündigung wegen der Falschauskunft aus dem Bewerbungsverfahren aussprechen. Eine solche Kündigung sei sittenwidrig, da sie gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstoße und letztlich das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährde.
Praxishinweis
Das BAG erteilt der pauschalen Neugierde in Bewerbungsverfahren eine Absage. Jede Frage soll – datenschutzrechtlich bedingt – streng am Erforderlichkeitsmaßstab gemessen werden. Nur was der Arbeitgeber für die Auswahlentscheidung wissen muss, darf er auch fragen bzw. muss der Arbeitnehmer wahrheitsgemäß beantworten. Nach laufenden Ermittlungsverfahren darf (explizit) weiter gefragt werden. Bei abgeschlossenen Verfahren ist Kreativität gefragt – es muss eine Konnexität zu dem ausgeschriebenen Arbeitsplatz bestehen.
Bedenklich stimmt an dem Fall der Umstand, dass die für die Schulverwaltung zuständige Bezirksregierung durch ein einfaches Schreiben an die Staatsanwaltschaft Kenntnis von Verfahren erhielt, die gerade nicht in einem Führungszeugnis genannt werden sollten. Darin liegt ein eklatanter Verstoß der Staatsanwaltschaft gegen das BDSG und die Wertungen des BZRG.