26.06.2014Fachbeitrag

Update Compliance 176

BGH: Der Verteidiger hat ein Zeugnisverweigerungsrecht über den Inhalt von Telefonaten mit einem Beschuldigten, auch wenn die Telefonate zunächst der Mandatsanbahnung dienten

Bereits das zur Mandatsanbahnung geführte Telefongespräch zwischen Beschuldigtem und Verteidiger unterliegt  dem Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO.  Anlässlich eines derartigen Gesprächs erlangte Erkenntnisse dürfen gemäß § 160a Abs. 1 S. 2, 5 StPO nicht verwendet werden. Darauf, ob einzelne Äußerungen in einem solchen Gespräch aus objektiver Sicht vertrauens- und damit schutzwürdig sind, kommt es nicht an.  Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In dem dem Beschluss zugrunde liegenden Fall führte der Generalbundesanwalt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens ordnete der Ermittlungsrichter des BGH auf Antrag des Generalbundesanwalts im Dezember 2011 die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation über die vom Beschuldigten genutzten Fernmeldeanschlüsse an. Bei der Durchführung der Überwachung wurden zwei Anrufe eines Rechtsanwalts aufgezeichnet. Inhalt der Telefonate war das Angebot des Rechtsanwalts, den Beschuldigten in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren zu verteidigen, welches der Beschuldigte später annahm.

Nachdem der Rechtsanwalt und der Beschuldigte im August 2012 durch Schreiben des Generalbundesanwalts über die abgeschlossene Telekommunikationsüberwachung informiert worden waren, beantragte der Rechtsanwalt die Rechtswidrigkeit der Überwachung beider Telefongespräche festzustellen. Der Generalbundesanwalt trat dem Antrag entgegen, ordnete jedoch die Sperrung der entsprechenden Aufzeichnungen für eine Verwendung zu anderen Zwecken als die der gerichtlichen Überprüfung der Maßnahmen an (§ 101 Abs. 8 S. 3 StPO).

Mit Beschluss vom 16. Mai 2013 hat der Ermittlungsrichter des BGH die Rechtswidrigkeit des Vollzugs der angeordneten Überwachung festgestellt, soweit die Aufzeichnungen nicht unverzüglich nach ihrer Auswertung durch das Bundeskriminalamt gelöscht worden sind. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts hat der BGH mit Beschluss vom 18. Februar 2014 als unbegründet verworfen.

Nach den Ausführungen des BGH dürfen die anlässlich der Telefongespräche erlangten Erkenntnisse gemäß § 160a Abs. 1 S. 2, 5 StPO nicht verwendet werden, da der Rechtsanwalt über die Gesprächsinhalte als Verteidiger des Beschuldigten gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO das Zeugnis verweigern durfte. In den Schutzbereich des Zeugnisverweigerungsrechts falle all das, was dem Rechtsanwalt in funktionalem Zusammenhang mit seiner Berufsausübung zur Kenntnis gelangt ist. Nicht erfasst seien lediglich solche Tatsachen, die er als Privatperson oder nur anlässlich seiner Berufsausübung in Erfahrung gebracht hat. Damit unterliege der gesamte Inhalt beider Telefongespräche dem Schutz des § 53 StPO. Unbeachtlich sei dabei sowohl der Umstand, dass die Initiative für die Telefongespräche von dem Rechtsanwalt ausging, als auch die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Telefongespräche noch kein Mandatsverhältnis bestand. Wie der BGH betont, beginnt das berufsbezogene Vertrauensverhältnis, das zu schützen § 53 StPO beabsichtigt, nicht erst mit der Mandatierung, sondern umfasst auch das Anbahnungsverhältnis. Ein Beschuldigter, der auf der Suche nach einem Verteidiger ist, bringe jedem Rechtsanwalt, mit dem er zu diesem Zweck kommuniziert, typischerweise das Vertrauen entgegen, dass der Inhalt der Gespräche vertraulich bleibt, unabhängig davon, ob anschließend ein Mandatsverhältnis zustande kommt. Dabei komme es schließlich auch nicht darauf an, ob einzelne Äußerungen aus objektiver Sicht vertrauens- und damit schutzwürdig sind.

Vor diesem Hintergrund seien die Aufzeichnungen beider Telefongespräche gemäß § 160a Abs. 1 S. 5 i.V.m. Abs. 1 S. 3 StPO, der gegenüber § 101 Abs. 8 StPO Vorrang genieße, unverzüglich zu löschen.

Praxishinweis

Die Telekommunikationsüberwachung nimmt in der Praxis immer mehr zu. Dabei darf sich die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss benutzt. Ferner ist die Telekommunikationsüberwachung allein im Falle des Verdachts einer der in § 100a Abs. 2 StPO abschließend normierten Katalogtaten zulässig, zu denen nur schwere Straftaten gehören. Von diesem Katalog erfasst sind auch klassische Wirtschaftsstraftaten wie besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und die Bestechung von Amtsträgern, Geldwäsche, schwere Fälle des Betruges und der Steuerhinterziehung.

Die Kommunikation zwischen beschuldigtem Unternehmensangehörigen und mit der Aufklärung unternehmensinterner Straftaten befasstem Syndikusanwalt  untersteht grundsätzlich nicht dem Schutz des § 53 StPO, da der Syndikusanwalt insoweit für sein Unternehmen tätig wird und es sich hierbei nicht um eine Anwaltstätigkeit im Sinne des § 53 StPO handelt. Die Kommunikation zwischen Syndikusanwalt und externem Rechtsanwalt dürfte demgegenüber schon nicht Gegenstand einer Telekommunikationsüberwachung sein, da der Syndikusanwalt üblicherweise nicht die an den Adressatenkreis der Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung gestellten Voraussetzungen erfüllt. Im Übrigen untersteht die Kommunikation zwischen Syndikusanwalt und externem Rechtsanwalt regelmäßig dem Schutz des § 53 StPO.

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