22.05.2015Fachbeitrag

Update Compliance 11/2015

BGH verschärft Anforderungen an die Verhängung einer Verbandsgeldbuße gegen den Rechtsnachfolger nach altem OWi-Recht

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat die Anforderungen an die Nahezu-Identität verschärft. Nur wenn diese vorliegt, darf gegen den Rechtsnachfolger einer juristischen Person eine Verbandsgeldbuße verhängt werden.

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Geschäftsführer der M GmbH eine Verbandsgeldbuße zu verhängen war. Die M war zuvor auf die Nebenbetroffene verschmolzen worden. Sach- und Finanzanlagen, Mitarbeiterzahl und Produktionsstandorte der M waren vor der Verschmelzung bedeutend höher als die der Nebenbetroffenen. Lediglich ihr Eigenkapital betrug im Verhältnis nur 25%. Das OLG Düsseldorf hatte die Voraussetzungen des § 30 OWiG verneint und die Nebenbetroffene freigesprochen. Die Beschwerde von Generalstaatsanwaltschaft und Bundeskartellamt blieb erfolglos.

Der Kartellsenat des BGH hat die Nebenbetroffene freigesprochen. Er verneinte eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Täter und der juristischen Person, für die er gehandelt hat, und damit die Voraussetzung für die Verhängung einer Verbandsgeldbuße.

In Fällen der Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung entfällt - so der BGH - diese unmittelbare Beziehung zwischen Täter und Unternehmen mit der Wirksamkeit der Verschmelzung, weil die verschmolzene juristische Person ab diesem Zeitpunkt erloschen ist. Nur wenn zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nahezu Identität besteht, gilt anderes. Eine solche Nahezu-Identität ist nur gegeben, wenn das „haftende Vermögen“ weiterhin vom Vermögen des gemäß § 30 OWiG Verantwortlichen getrennt ist, in gleicher oder ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt wird und in der neuen juristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmacht.

Der BGH erkannte zwar ein deutliches Übergewicht der M nach den genannten wirtschaftlichen Parametern. Dieses reiche aber nicht aus, um eine Nahezu-Identität des ursprünglichen Vermögens der M und dem der Nebenbetroffenen nach der Verschmelzung anzunehmen. Auch aus dem Grundsatz, dass europäisches Wettbewerbsrecht durch wirksame und hinreichend abschreckende Sanktionen durchzusetzen ist, ergab sich – so der Senat – nichts Anderes.

Praxishinweis: Der Beschluss reicht über das Kartellrecht hinaus: Denn die Verbandsgeldbuße findet auch dann Anwendung, wenn Leitungspersonen andere betriebsbezogene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen, in der Praxis kommen hier insbesondere etwa Korruptionsdelikte, Sozialversicherungsbetrug, Steuerstraftaten oder wertpapierhandelsrechtliche Pflichtverstöße in Betracht.

Der Kartellsenat hat mit seiner Entscheidung die Voraussetzungen der Nahezu-Identität als Voraussetzung der Verhängung gegen den Rechtsnachfolger einer juristischen Person nach § 30 OWiG a. F. geschärft. Trotz des Verhältnisses von 2:1 zulasten der Nebenbetroffenen in wesentlichen wirtschaftlichen Kennzahlen verneinte er die strengen Voraussetzungen für die Verhängung einer Verbandsgeldbuße gegen den Gesamtrechtsnachfolger.

Zu beachten ist aber: Neuerdings existiert mit § 30 Abs. 2a S. 1 OWiG eine für aktuelle Fälle anwendbare Rechtsgrundlage für die Sanktionierung des Rechtsnachfolgers bei Gesamt- bzw. partieller Gesamtrechtsnachfolge. Diese wird erhebliche Praxisrelevanz entfalten, weil sie den Anwendungsbereich der Verbandsgeldbuße auf Rechtsnachfolger erweitert und damit Unternehmen die Möglichkeiten „verbaut“, sich durch Umstrukturierungen (in zulässiger Weise) einer Bebußung zu entziehen.

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