15.05.2024Fachbeitrag

Update Investmentfonds Nr. 39

Einigung über die ESG-Rating-Verordnung erzielt

Anfang Februar 2024 haben der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament eine vorläufige Einigung über einen Vorschlag für eine Verordnung über Rating-Tätigkeiten (nachfolgend „ESG-Rating-VO“) in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) erzielt, hinsichtlich der nachfolgend einige ausgewählte Aspekte auf Basis der aktuellen Kompromissfassung der ESG-Rating-VO dargestellt werden.

Die vorläufige politische Einigung zur ESG-Rating-VO muss vom Rat der Europäischen Union und vom Europäischen Parlament noch gebilligt werden, bevor sie das förmliche Annahmeverfahren durchläuft. Die Veröffentlichung der ESG-Rating-VO im EU-Amtsblatt wird für Ende 2024 erwartet. Da die ESG-Rating-VO erst 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten zur Anwendung kommen wird, ist davon auszugehen, dass diese nicht vor 2026 anzuwenden ist.

Hintergrund

Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater nutzen häufig von Drittgesellschaften bereitgestellte ESG-Ratings, die Bewertungen zum Nachhaltigkeitsprofil eines Kapitalanlageproduktes oder eines Unternehmens enthalten. Diese Informationen werden auch im Zusammenhang mit der Erfüllung der aus der Offenlegungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/2088, nachfolgend „Offenlegungsverordnung“) folgenden Transparenzpflichten oder auch für Marketingmitteilungen genutzt.

Vor diesem Hintergrund soll gemäß Artikel 1 ESG-Rating-VO ein einheitlicher Regulierungsansatz eingeführt werden, um damit die Integrität, Transparenz, Vergleichbarkeit (soweit möglich) und Unabhängigkeit von ESG-Ratings zu verbessern. Hierdurch soll ein Beitrag zur Transparenz und Qualität von ESG-Ratings und zur Agenda für nachhaltige Finanzen in der Europäischen Union geleistet werden.

Die EU-Kommission hatte diesbezüglich bereits am 13. Juni 2023 einen Vorschlag für die ESG-Rating-VO übermittelt. Die vorgeschlagenen Vorschriften betreffen insbesondere folgende Aspekte:

  • Zulassung und Beaufsichtigung von Drittanbietern von ESG-Ratings und  Punktebewertungen durch die ESMA
  • Trennung verschiedener Tätigkeitsbereiche zwecks Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten
  • Verhältnismäßige und grundsatzbasierte organisatorische Anforderungen
  • Mindestanforderungen hinsichtlich der Transparenz von Ratingmethoden und -zielen gegenüber der Öffentlichkeit und detailliertere Informationen für Abonnenten und bewertete Unternehmen
  • Gebührentransparenz und Anforderungen hinsichtlich redlicher und angemessener Gebühren
  • Möglichkeit für Anbieter aus Drittländern, unter bestimmten Voraussetzungen auf dem EU-Markt tätig zu werden

Anwendungsbereich

Die ESG-Rating-VO gilt für ESG-Ratings, die von in der Europäischen Union tätigen ESG-Ratinganbietern abgegeben werden.

„ESG-Rating" ist hierbei definiert als eine ESG-Stellungnahme, eine Punktebewertung oder eine Kombination aus beidem in Bezug auf das Profil oder die Merkmale eines bewerteten Produkts in Bezug auf Umwelt-, Sozial-, Governance- und Menschenrechtsaspekte oder dem Risikoprofil des Produktes oder die Auswirkungen des Produktes auf Umwelt-, Sozial- und Menschenrechts- oder Governance-Faktoren, die sowohl auf einer etablierten Methodik als auch auf einem definierten Ranking-System von Bewertungskategorien basieren, unabhängig davon, ob ein solches ESG-Rating ausdrücklich als "ESG-Rating", "ESG-Stellungnahme" oder "ESG-Punktzahl" bezeichnet wird.

„ESG-Ratinganbieter“ sind in diesem Zusammenhang definiert als juristische Personen, deren Tätigkeit die Erstellung und Veröffentlichung oder Verbreitung von ESG-Ratings auf professioneller Basis umfasst.

Hinsichtlich des örtlichen Anwendungsbereiches der ESG-Rating-VO wird gemäß Artikel 2 Abs. 1 ESG-Rating-VO zwischen ESG-Ratinganbietern mit Sitz in und außerhalb der Europäischen Union unterschieden.

ESG-Ratinganbieter mit Sitz in der Europäischen Union sollen in den Anwendungsbereich der ESG-Rating-VO fallen, wenn sie ihre ESG-Ratings auf ihrer Website oder auf anderem Wege veröffentlichen oder wenn sie ihre ESG-Ratings durch Abonnements oder andere vertragliche Beziehungen an regulierte Finanzunternehmen mit Sitz in der Europäischen Union vertreiben.

ESG-Ratinganbieter mit Sitz außerhalb der Europäischen Union sollen in den Anwendungsbereich der ESG-Rating-VO fallen, wenn sie ihre ESG-Ratings durch Abonnements oder andere vertragliche Beziehungen u. a. an regulierte Finanzunternehmen mit Sitz in der Europäischen Union vertreiben. Anders als bei ESG-Ratinganbietern mit Sitz innerhalb der Europäischen Union genügt hier also nicht die bloße Veröffentlichung auf der Webseite, selbst wenn diese erkennbar Unionsbezug haben sollte.

Gemäß Artikel 2 Abs. 2 ESG-Rating-VO sollen bestimmte Sachverhalte von dem Anwendungsbereich der ESG-Rating-VO ausgenommen werden. Hierzu zählen beispielsweise private ESG-Ratings, die nicht zur Veröffentlichung oder zum Vertrieb bestimmt sind oder ESG-Ratings, die von regulierten Finanzunternehmen abgegeben werden, die ausschließlich für interne Zwecke oder für die Erbringung interner oder gruppeninterner Finanzdienstleistungen oder -produkte verwendet werden.

Kleine ESG-Ratinganbieter – dies sollen Ratinganbieter mit Sitz in der Europäischen Union sein, die bestimmte vorgegebene Schwellenwerte nicht überschreiten – sollen nach Artikel 4a der ESG-Rating-VO für einen Übergangszeitraum von drei Jahren lediglich ein stark eingeschränktes Rechtsregime nach der ESG-Rating-VO zu beachten haben. Nach Ablauf des vorgenannten Übergangzeitraums haben diese ESG-Ratinganbieter innerhalb von sechs Monaten den Zulassungsantrag bei der ESMA zu stellen.

Zulassungserfordernis

Hinsichtlich der erforderlichen Zulassung zur Erbringung von ESG-Ratings wird ebenfalls zwischen Unternehmen mit Sitz innerhalb und außerhalb der Europäischen Union unterschieden.

ESG-Ratinganbieter mit Sitz innerhalb der Europäischen Union sollen gemäß Artikel 5 ESG-Rating-VO eine Zulassung bei der ESMA beantragen. Innerhalb von 25 Werktagen nach Eingang des Zulassungsantrages hat die ESMA die Vollständigkeit des Zulassungsantrages zu prüfen. Soweit der Zulassungsantrag vollständig ist, hat die ESMA den Antragsteller hierüber zu unterrichten. Anschließend hat die ESMA innerhalb von maximal 120 Werktagen einen umfassend begründeten Beschluss zur Zulassung bzw. Nichtzulassung des Antragstellers vorzunehmen. Gemäß Artikel 8 ESG-Rating-VO kann die ESMA unter bestimmten Voraussetzungen die Zulassung entziehen oder aussetzen; beispielsweise, wenn der ESG-Ratinganbieter innerhalb der letzten zwölf Monate kein ESG-Rating abgegeben hat. 

Ein ESG-Ratinganbieter aus einem Drittland, der ESG-Ratings in der Europäischen Union abgeben möchte, soll dies nach den Artikeln 9 ff. ESG-Rating-VO nur unter bestimmten Voraussetzungen dürfen. Insbesondere soll in diesem Zusammenhang ein sogenannter „Gleichwertigkeitsbeschluss“ der EU-Kommission erforderlich sein, in dem festgestellt wird, dass der Rechtsrahmen und die Aufsichtspraxis eines Drittlandes bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wie die laufende und wirksame Beaufsichtigung des ESG-Rating-Anbieters. Für den Fall, dass kein solcher Gleichwertigkeitsbeschluss vorliegt, sollen ESG-Anbieter unter den Voraussetzungen von Artikel 11 der ESG-Rating-VO in der Europäischen Union tätig werden können, wenn sie von der ESMA hierfür anerkannt wurden.

Unter bestimmten in Artikel 10 der ESG-Rating-VO dargelegten Voraussetzungen soll ein in der Europäischen Union ansässiger und zugelassener ESG-Rating-Anbieter ESG-Ratings, die von einem zur selben Gruppe gehörenden ESG-Rating-Anbieter aus einem Drittland abgegeben werden, übernehmen dürfen. Hierzu muss der ESG-Rating-Anbieter beispielsweise gegenüber der ESMA kontinuierlich nachweisen, dass das zu übernehmende ESG-Rating Anforderungen erfüllt, die mindestens so streng sind, wie die Anforderungen der ESG-Rating-VO selbst.

Transparenzanforderungen

ESG-Ratinganbieter treffen nach Artikel 21 f. ESG-Rating-VO bestimmte Transparenzpflichten. Insbesondere haben ESG-Ratinganbieter nach Artikel 21 ESG-Rating-VO auf ihrer Webseite mindestens die Methoden, Modelle und wichtigsten ESG-Annahmen zu veröffentlichen, die sie im Rahmen ihrer ESG-Ratingtätigkeiten benutzen. Ferner sollen grundsätzlich getrennte E-, S- und G-Ratings abgegeben werden und nicht eine einzige ESG-Kennzahl, die die E-, S- und G-Faktoren zusammenfasst.

Neben den Veröffentlichungspflichten auf der Internetseite haben ESG-Ratinganbieter auch laufende Transparenzpflichten gegenüber den Abonnementen von ESG-Ratings und den bewerteten Unternehmen, wie zum Beispiel die Pflicht zur Begründung von Hoch- bzw. Herabstufungen eines bestehenden ESG-Ratings.

Änderung an der Offenlegungsverordnung

Im Zusammenhang mit der ESG-Rating-VO ist ferner eine Änderung von Artikel 13 der Offenlegungsverordnung, der Vorgaben für Marketingmitteilungen enthält, vorgesehen. In Artikel 13 der Offenlegungsverordnung soll hierfür ein neuer Absatz 3 eingefügt werden. Hiernach sollen Finanzmarktteilnehmer oder Finanzberater im Sinne der Offenlegungsverordnung für den Fall, dass ihre Marketingmitteilungen ein ESG-Rating enthalten, auf ihrer Webseite bestimmte zusätzliche Informationen – wie zum Beispiel einen Überblick über die verwendeten Ratingmethoden – bereithalten. Ferner ist in der Marketingmitteilung ein Verweis auf diese Veröffentlichung auf der Unternehmenswebseite aufzunehmen.

Fazit und Handlungsempfehlung

Die Vorgaben der ESG-Rating-VO fügen sich nahtlos in das vorherrschende sehr hohe Regulierungsniveau im Zusammenhang mit ESG-Themen ein. Insbesondere zur Vermeidung von „Greenwashing“ von Kapitalanlageprodukten ist aber nachvollziehbar, dass auch Anbieter von ESG-Ratings einer gewissen einheitlichen aufsichtsrechtlichen Regulierung bedürfen.

Wer auf professioneller Basis die Herausgabe und Veröffentlichung oder Verteilung von ESG-Ratings betreibt, sollte zunächst prüfen, ob er in den sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich der ESG-Rating-VO fällt. Soweit dies der Fall ist, sollten ESG-Ratinganbieter mit Sitz in der Europäischen Union rechtzeitig mit der Vorbereitung für den Zulassungsantrag bei der ESMA beginnen.

Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater im Sinne der Offenlegungsverordnung, die in ihren Marketingmitteilungen ESG-Ratings benutzen, müssen zu gegebener Zeit ihre Webseite um die erforderlichen Pflichtinformationen ergänzen, sofern sie diese weiter nutzen möchten. Alternativ hierzu kann abgewogen werden, zukünftig kein ESG-Rating in der Marketingmitteilung mehr zu benutzen.

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