Update Investmentfonds Nr. 35
ELTIF 2.0: Künftige Verwaltungspraxis der BaFin in Anbetracht der ELTIF-Novellierung
A. Hintergrund der ELTIF-Novellierung
Durch die Verordnung (EU) 2015/760 vom 29. April 2015 (nachfolgend „ELTIF-Verordnung“) wurde europaweit ein einheitlicher Rechtsrahmen für europäische langfristige Investmentfonds (nachfolgend „ELTIF“) geschaffen. In rechtlicher Hinsicht sind ELTIF als alternative Investmentfonds (nachfolgend „AIF“) im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuches (nachfolgend „KAGB“) einzustufen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben. ELTIF sollen professionellen Anlegern, insbesondere aber auch Kleinanlegern, die Beteiligung an Infrastrukturprojekten, nicht börsennotierten Unternehmen oder börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen und auf diese Weise zur Finanzierung der Realwirtschaft der Europäischen Union beitragen.
Trotz eines sich zuletzt bereits abzeichnenden Aufwärtstrends erfuhr der ELTIF bislang eine verhältnismäßig geringe Akzeptanz: Für das Jahr 2021 schätzte die Europäische Kommission das Nettovermögen bestehender ELTIF auf lediglich 2,4 Milliarden Euro (vgl. Erwägungsgrund (1) der Verordnung (EU) 2023/606). Laut einer Studie des Analysehauses Scope Fund Analysis GmbH aus dem März 2023 betrug das Gesamtvolumen des in Form von ELTIF verwalteten Vermögens Ende 2022 rund 11,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das insgesamt im Rahmen von AIF in Europa verwaltete Vermögen belief sich laut statista im Jahr 2022 auf rund 7,1 Billionen Euro.
Um für eine höhere Akzeptanz des ELTIF zu sorgen und zugleich das positive Marktsignal der Jahre 2021 und 2022 aufzunehmen haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EU) 2023/606 zur Novellierung der ELTIF-Verordnung (nachfolgend „ELTIF-Novellierung“) erlassen, welche ab dem 10. Januar 2024 gilt.
Durch die ELTIF-Novellierung sollen regulatorische Hürden, die ursprünglich insbesondere dem Anlegerschutz dienen sollten, abgebaut und die Investition in ELTIF einer breiten Masse an (Klein-)Anlegern zugänglich gemacht werden. Über wesentliche Neuerungen durch die ELTIF-Novellierung haben wir bereits mit dem Update Investmentfonds Nr. 31 vom 13. Januar 2023 berichtet.
B. Verwaltungspraxis der BaFin
Nunmehr hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (nachfolgend „BaFin“) am 20. Oktober 2023 mit den Verbänden der Branche einen Workshop zum Thema „ELTIF 2.0“ (nachfolgend „Workshop ELTIF 2.0“) durchgeführt. Im Rahmen dessen hat die BaFin ihre künftige Verwaltungspraxis für die Aufsicht über Auflage und Vertrieb von ELTIF unter dem künftig geltenden Normenregime der durch die ELTIF-Novellierung geänderten ELTIF-Verordnung (nachfolgend „ELTIF-Verordnung n. F.“) dargestellt. Die wesentlichen Punkte dieser Verwaltungspraxis stellen wir nachfolgend dar.
I. Erstreckung einer KVG-Erlaubnis auf Verwaltung von ELTIF
Eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (nachfolgend „KVG“), die bereits über eine Erlaubnis der BaFin zur Verwaltung von AIF verfügt, muss für die Verwaltung von ELTIF grundsätzlich keine Erlaubniserweiterung bei der BaFin beantragen, da es sich bei ELTIF um AIF im Sinne des KAGB handelt. Sofern die KVG-Erlaubnis lediglich auf bestimmte Arten von AIF, beispielsweise auf offene oder geschlossene AIF beschränkt ist, so gilt diese Beschränkung demnach auch für die Verwaltung von ELTIF.
Im Rahmen des Workshops ELTIF 2.0 hat die BaFin klargestellt, dass ein ELTIF, bei dem gemäß Art. 18 Abs. 2 ELTIF-Verordnung n. F. – abweichend vom in Art. 18 Abs. 1 ELTIF-Verordnung n. F. abgebildeten Regelfall – die Möglichkeit der Anteilsrücknahme von Anlegern während der Laufzeit des ELTIF vorgesehen ist, als offener AIF einzustufen ist. Sollte eine KVG also lediglich über eine auf geschlossene AIF beschränkte Erlaubnis nach dem KAGB verfügen, jedoch die künftige Verwaltung eines derartigen offenen ELTIF beabsichtigen, so muss die betreffende KVG bei der BaFin die Erweiterung der Erlaubnis auf die Verwaltung offener AIF beantragen.
II. Vertrieb von Anteilen an ELTIF durch Finanzanlagenvermittler gemäß § 34f GewO
Finanzanlagenvermittlern im Sinne des § 34f Gewerbeordnung (nachfolgend „GewO“) ist es der BaFin zufolge gestattet, Anteile an ELTIF zu vertreiben.
Da ELTIF, bei denen gemäß Art. 18 Abs. 2 ELTIF-Verordnung n. F. die Möglichkeit der Anteilsrücknahme während der Laufzeit vorgesehen ist, von der BaFin als offene AIF eingestuft werden (vgl. insoweit die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer I.), benötigt ein Finanzanlagenvermittler für den Vertrieb von Anteilen an einem derartigen ELTIF eine Erlaubnis für den Vertrieb von Anteilen an offenen Investmentvermögen gemäß § 34f Abs. 1 Nr. 1 GewO.
Für den Vertrieb von Anteilen eines ELTIF an Kleinanleger gelten zudem einige Besonderheiten. Insbesondere dürfen Anteile eines ELTIF gemäß Art. 30 Abs. 1 ELTIF-Verordnung n. F. an Kleinanleger grundsätzlich nur vertrieben werden, wenn eine Geeignetheitsprüfung gemäß Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2014/65/EU („MiFID II“) durchgeführt und dem Kleinanleger eine Erklärung zur Geeignetheit übermittelt wurde.
Im Rahmen der Geeignetheitsprüfung hat der Finanzanlagenvermittler die notwendigen Informationen über die Kenntnisse und Erfahrung des Kleinanlegers im Anlagebereich in Bezug auf den speziellen Produkttyp oder den speziellen Typ der Dienstleistung, dessen finanziellen Verhältnisse, einschließlich der Fähigkeit, Verluste zu tragen, und dessen Anlageziele, einschließlich der Risikotoleranz, einzuholen, um sich zu befähigen, dem Kleinanleger ELTIF zu empfehlen, die für ihn geeignet sind und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entsprechen. Obwohl die Geeignetheitsprüfung ein Wesensmerkmal der Anlageberatung ist, soll es nach Ansicht der BaFin aufsichtsrechtlich möglich sein, ELTIF auch im Wege der Anlagevermittlung zu vertreiben.
III. Laufzeit eines ELTIF
Gemäß Art. 18 Abs. 1 ELTIF-Verordnung n. F. muss in den Vertragsbedingungen oder in der Satzung eines ELTIF ein konkretes Datum für das Ende der Laufzeit eines ELTIF angegeben werden. Zudem besteht die Möglichkeit, das Recht zur zeitlich begrenzten Verlängerung der Laufzeit des ELTIF sowie die Bedingungen der Wahrnehmung dieses Verlängerungsrechts anzugeben.
Die Laufzeit eines ELTIF muss gemäß Art. 18 Abs. 3 ELTIF-Verordnung n. F. in seiner Langfristigkeit angemessen und mit den Laufzeiten der einzelnen Vermögenswerte des ELTIF vereinbar sein.
Konkrete Vorgaben für die Laufzeit eines ELTIF macht die ELTIF-Verordnung n. F. nicht. Die BaFin hat sich im Workshop ELTIF 2.0 allerdings dahingehend eingelassen, dass bei ELTIF in der Rechtsform einer (geschlossenen) Publikums-Investmentkommanditgesellschaft weiterhin die bestehende Verwaltungspraxis angewendet werden soll. Dies bedeutet, dass die Summe aus Laufzeit und verlängerter Laufzeit eines derartigen ELTIF maximal 30 Jahre betragen kann.
Für ELTIF, bei denen gemäß Art. 18 Abs. 2 ELTIF-Verordnung n. F. die Möglichkeit der Anteilsrücknahme während der Laufzeit vorgesehen ist, kündigt die BaFin hinsichtlich der Laufzeit ein hohes Maß an Flexibilität an. Konkrete Angaben macht die BaFin indes nicht – sie verweist auf die anstehende Veröffentlichung des überarbeiteten Entwurfs technischer Regulierungsstandards zur ELTIF-Verordnung (nachfolgend „RTS“; vgl. insoweit die nachstehenden Ausführungen unter Ziffer IV.) durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (nachfolgend „ESMA“) und die damit u. a. einhergehende Konkretisierung von Art. 18 Abs. 3 ELTIF-Verordnung n. F.
IV. Veröffentlichung des überarbeiteten Entwurfs der RTS
Der erste Entwurf der RTS zur ELTIF-Verordnung n. F. wurde von der ESMA am 23. Mai 2023 veröffentlicht und zur Konsultation gestellt. Laut BaFin kann mit einer Veröffentlichung des überarbeiteten Entwurfs der RTS im Dezember 2023 gerechnet werden. Nach der Billigung durch die Kommission der Europäischen Union sei mit einer Verabschiedung der RTS im März 2024 zu rechnen.
Die RTS sollen insbesondere auch Spezifizierungen der Regelungen zur Rücknahme von Anteilen an ELTIF und zu den Umständen enthalten, unter denen die Laufzeit eines ELTIF gemäß § 18 Abs. 3 ELTIF-Verordnung n. F. als kompatibel mit der Laufzeit einzelner Vermögenswerte angesehen wird.
V. Mindestangaben in den Anlagebedingungen eines ELTIF
Das KAGB ist gemäß § 338a KAGB auf ELTIF subsidiär anwendbar, soweit die ELTIF-Verordnung n. F. keine spezialgesetzlichen Regelungen enthält. Dies gilt auch, soweit die ELTIF-Verordnung n. F. keine Anforderungen hinsichtlich der für die Anlagebedingungen von ELTIF erforderlichen Angaben enthält. Die BaFin beabsichtigt, Übersichten zu erstellen, aus denen sich ergibt, welche Mindestangaben Anlagebedingungen gemäß ELTIF-Verordnung n. F. und KAGB enthalten müssen.
C. Fazit
Durch die mit der Novellierung der ELTIF-Verordnung einhergehende Senkung der regulatorischen Hürden sowie die faktische Öffnung dieser Fondsklasse für Kleinanleger besteht die Möglichkeit, dass der in den Jahren 2021 und 2022 entstandene Aufwärtstrend hinsichtlich Auflagezahl und Volumen von ELTIF bestätigt wird und dadurch neue europäische Absatzmärkte erschlossen werden können. Dabei bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die BaFin ihre Verwaltungspraxis auch weiterhin an die durch die Novellierung der ELTIF-Verordnung bedingten regulatorischen Änderungen und praktischen Fragestellungen von Fondshäusern und Anlegern anpassen wird.