Update Investmentfonds Nr. 31
ELTIF II: Novellierung der ELTIF-Verordnung – Neuer Handlungsspielraum für Anbieter alternativer Investmentfonds
Mit der Verordnung (EU) 2015/760 vom 29. April 2015 (nachfolgend "ELTIF-Verordnung") ist europaweit ein einheitlicher Rechtsrahmen für europäische langfristige Investmentfonds (nachfolgend "ELTIF") geschaffen worden.
Am 7. Dezember 2022 hat der Europäische Rat dem Europäischen Parlament den Entwurf für die finale Verordnung zur Novellierung der ELTIF-Verordnung (nachfolgend "ELTIF-Novellierung") vorgelegt, mit der die ELTIF-Verordnung in verschiedener Hinsicht abgeändert werden soll. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand wird – vorbehaltlich der Annahme der ELTIF-Novellierung durch das Europäische Parlament – davon ausgegangen, dass die ELTIF-Novellierung Anfang des Jahres 2024 in Kraft tritt.
Bei entsprechender Umsetzung der ELTIF-Novellierung wird Anbietern von alternativen Investmentvermögen erheblicher neuer Handlungsspielraum eingeräumt.
Hintergrund
Die ELTIF-Verordnung soll insbesondere zur Finanzierung der Realwirtschaft innerhalb der Europäischen Union beitragen. Zu diesem Zweck sollen ELTIF Finanzierungsmittel dauerhafter Natur für Infrastrukturprojekte, nicht börsennotierte Unternehmen oder börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen bereitstellen und hierdurch das Finanzierungsangebot der Kreditwirtschaft sinnvoll ergänzen.
Bei ELTIF handelt es sich um alternative Investmentfonds mit Sitz in der Europäischen Union, die durch eine vollregulierte Kapitalverwaltungsgesellschaft verwaltet und als ELTIF vertrieben werden. Hinsichtlich des anzuwendenden Rechtsrahmens gelten hierbei für ELTIF innerhalb seines Anwendungsbereiches das KAGB und die ELTIF-Verordnung nebeneinander. Im Falle von Überschneidungen kommt der ELTIF-Verordnung nach § 338a KAGB und aus europarechtlichen Gründen Vorrang zu. Die ELTIF-Verordnung trifft u. a. Vorgaben über zulässige Anlagevermögenswerte für ELTIF, deren Portfoliozusammensetzung und Diversifizierung sowie zur Kreditaufnahme.
Ein wesentlicher Vertriebsvorteil für ELTIF ist auch nach der ELTIF-Novellierung, dass ELTIF im Gegensatz zu reinen KAGB Produkten ebenfalls für Kleinanleger nach Artikel 31 Abs. 2 ELTIF-Verordnung den sog. "EU-Passport" nutzen können. Dieser ermöglicht einen EU weiten Vertrieb mittels Vertriebsanzeige, was nach dem KAGB nur bei Vertrieb an professionelle Anleger zulässig ist.
Ausweislich der Begründung zur ELTIF-Verordnung hat sich das ELTIF-Marktsegment in der Vergangenheit dennoch nicht wie erhofft entwickelt. Für das Jahr 2021 wird schätzungsweise angenommen, dass das von ELTIF verwaltete Fondsvolumen lediglich EUR 2,4 Mrd. betrug. Hintergrund hierfür dürfte u. a. sein, dass der Vertrieb an Kleinanleger erheblichen Beschränkungen unterlag, die im Ergebnis dazu führten, dass ELTIF nur an verhältnismäßig vermögende Kleinanleger vertrieben werden konnten.
Durch die ELTIF-Novellierung soll die Akzeptanz von ELTIF europaweit gefördert werden, indem u. a. die Vertriebsvorschriften für Kleinanleger aber auch andere Beschränkungen gelockert werden.
Ausgewählte Aspekte der ELTIF-Novellierung
Die ELTIF-Novellierung sieht u. a. nachfolgende Änderungen der ELTIF-Verordnung vor:
Erleichterung von Vertriebsvorgaben für den Vertrieb an Kleinanleger
Der Vertrieb an Kleinanleger soll im Rahmen der ELTIF-Novellierung erleichtert werden. Nach dem derzeitigen Artikel 30 Abs. 3 ELTIF-Verordnung gelten besondere Anlagehöchstgrenzen für ELTIF, wenn das Finanzinstrument-Portfolio des Kleinanlegers EUR 500.000 nicht übersteigt. Wird der vorgenannte Betrag nicht überschritten, darf der Kleinanleger nicht mehr als 10 % seines Finanzinstrument-Portfolios in ELTIF investieren und der anfänglich in einen oder mehrere ELTIF investierte Betrag muss mindestens EUR 10.000 betragen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass Kleinanleger erst dann in ELTIF investieren dürfen, wenn das Finanzinstrument-Portfolio des jeweiligen Kleinanlegers den Betrag von EUR 100.000 übersteigt. Weil insbesondere private Immobilien in rechtlicher Hinsicht kein Finanzinstrument darstellen, wird in der Praxis nur ein geringer Anteil der potenziellen Kleinanleger die Anlagegrenzen des Artikel 30 Abs. 3 ELTIF-Verordnung einhalten können, was eine erhebliche Beschränkung der Vertriebsmöglichkeiten für ELTIF darstellt.
Daher sieht die ELTIF-Novellierung vor, dass die Anlagegrenzen des Artikel 30 Abs. 3 ELTIF-Verordnung ersatzlos gestrichen werden, so dass Kleinanleger insbesondere kein Finanzinstrument-Portfolio von über EUR 100.000 mehr benötigen, wenn sie in ELTIF investieren wollen.
Erleichterung hinsichtlich der zulässigen Anlagevermögenswerte
Die ELTIF-Novellierung sieht bestimmte Erleichterungen hinsichtlich der nach Artikel 10 ELTIF-Verordnung zulässigen Anlagevermögenswerte vor, in die ein ELTIF investieren darf. Beispielsweise fordert Artikel 10 Abs. 1 lit. e) der ELTIF-Verordnung in seiner jetzigen Fassung, dass das zulässige Anlagevermögen, sofern es sich um einen einzelnen Sachwert handelt, einen Wert von mindestens EUR 10.000.000 aufweisen muss. Da sich Sachwertportfolien (z. B. Immobilienportfolien) jedoch häufig aus einer Reihe von einzelnen Sachwerten zusammensetzen, deren Wert jeweils deutlich unter EUR 10.000.000 liegt, stellt die Mindestwertgrenze von EUR 10.000.000 pro Sachwert in der Praxis eine erhebliche Investitionsbeschränkung für ELTIF dar. Die ELTIF-Novellierung sieht daher die Streichung der Mindestwertgrenze für Sachwertinvestitionen vor.
Ferner sollen nach Maßgabe der ELTIF-Novellierung zukünftig auch bestimmte einfache, transparente und standardisierte Verbriefungsinstrumente für ELTIF ausdrücklich zulässige Anlagevermögenswerte darstellen; vgl. Artikel 10 Abs. 1 lit. f) ELTIF-Verordnung in der Fassung der ELTIF-Novellierung.
Erleichterung der Vorgaben für Portfoliozusammensetzung und Diversifikation; Zulässigkeit von Master-Feeder-Strukturen
Im Rahmen der ELTIF-Novellierung sollen die Vorgaben des Artikel 13 der ELTIF-Verordnung für Portfoliozusammensetzung und Diversifizierung von ELTIF erleichtert werden.
Nach Artikel 13 Abs. 1 ELTIF-Verordnung muss ein ELTIF mindestens 70 % seines Kapitals in zulässige Anlagevermögenswerte nach Artikel 10 ELTIF-Verordnung (z. B. Beteiligungen an qualifizierten Portfoliounternehmen) investieren. Die restlichen 30 % dürfen nach Artikel 9 Abs. 1 lit. b) ELTIF-Verordnung in sogenannte "OGAW-Anlagen" (z. B. Wertpapiere und Geldmarktinstrumente, die an einem geregelten Markt gehandelt werden) investiert werden. Im Rahmen der ELTIF-Novellierung ist vorgesehen, dass die Mindestanlagegrenze für zulässige Anlagevermögenswerte auf 55 % abgesenkt wird und somit ein größerer Anteil von OGAW-Anlagen möglich wird.
Auch die Anlagegrenzen des Artikel 13 Abs. 2 ELTIF-Verordnung sollen angehoben werden. So soll nach der ELTIF-Novellierung beispielsweise die Anlagehöchstgrenze von 10 % für einen einzigen Sachwert auf 20 % angehoben werden.
Weiterhin sollen nach Maßgabe von Artikel 13 Abs. 8 S. 1 ELTIF-Verordnung in der Fassung der ELTIF-Novellierung die Anlagegrenzen des Artikels 13 Abs. 2 bis 4 ELTIF-Verordnung nicht für solche ELTIF gelten, die ausschließlich an professionelle Anleger vertrieben werden sollen. Insoweit kann dann beispielsweise bis zu 100 % in einen Sachwert investiert werden.
Nach Maßgabe von Artikel 13 Abs. 8 S. 2 ELTIF-Verordnung in der Fassung der ELTIF-Novellierung gelten nunmehr auch keine Anlagehöchstgrenzen mehr für die Anlage in andere Investmentvehikel wie EU-AIF oder andere ELTIF, soweit der ELTIF einen – nunmehr zulässigen – Feeder-Fonds darstellt.
Erhöhung der Kreditaufnahmegrenzen
Weiterhin sollen die Kreditaufnahmegrenzen des Artikels 16 ELTIF-Verordnung angehoben werden. Nach der jetzigen Regelung des Artikel 16 Abs. 1 lit. a) ELTIF-Verordnung dürfen Kreditaufnahmen nicht über 30 % des Wertes des Kapitals eines ELTIF hinausgehen.
Diese Kreditaufnahmegrenze soll nach Maßgabe von Artikel 16 Abs. 1 lit. a) ELTIF-Verordnung in der Fassung der ELTIF-Novellierung deutlich angehoben werden. Soweit ELTIF ausschließlich professionellen Anlegern angeboten werden, sind künftig Kreditaufnahmen bis zu 100 % des NAV eines ELTIF möglich. Wird ein ELTIF (auch) Kleinanlegern gegenüber angeboten, beträgt die Kredithöchstgrenze nunmehr 50 % des NAV des ELTIF.
Streichung des Liquidationsantragsrechts der Anleger
Soweit die Vertragsbedingungen eines ELTIF die Möglichkeit von Anteilsrücknahmen vor Ende der Laufzeit des ELTIF vorsehen, besteht gegenwärtig nach Artikel 18 Abs. 4 der ELTIF-Verordnung ein Liquidationsantragsrecht der Anleger. Nach dieser Vorschrift können Anleger die Liquidation eines ELTIF beantragen, wenn ihren gemäß der Rücknahmeregelungen des ELTIF vorgebrachten Rücknahmeforderungen nicht innerhalb eines Jahres nach dem Datum der Antragstellung entsprochen wurde. Da ausweislich der Begründung zur ELTIF-Novellierung ein solches Liquidationsantragsrecht jedes einzelnen Anlegers unverhältnismäßig sein kann und nicht mit dem langfristigen Anlagehorizont von ELTIF im Einklang steht, soll das Liquidationsantragsrecht der Anleger gestrichen werden.
Streichung des Zahlstellenerfordernisses
Gemäß Art. 26 ELTIF-Verordnung ist bei dem Vertrieb an Kleinanleger in jedem Vertriebsstaat eine lokale Einrichtung zur Verfügung zu stellen, über die Anteile gezeichnet und zurückgegeben und Zahlungen des Fonds abgewickelt werden können, was zusätzliche Kosten und bürokratischen Aufwand bedeutet. Um die Attraktivität von ELTIF für die Fondsbranche zu erhöhen, sieht die ELTIF-Novellierung daher die Löschung von Artikel 26 ELTIF-Verordnung vor, so dass zukünftig bei europaweitem Vertrieb nicht in jedem Vertriebsstaat eine lokale Einrichtung bereitgehalten werden muss.
Fazit
Da auch für Publikumsinvestmentvermögen im Anwendungsbereich der ELTIF-Verordnung mittels EU-Pass ein einfacher europaweiter Vertrieb von ELTIF möglich ist, sollten insbesondere diese Anbieter die weitere Entwicklung der ELTIF-Novellierung genau beobachten. Bleibt es wie erwartet bei der Vereinfachung der Vertriebsvorgaben für den Vertrieb an Kleinanleger, könnte die ELTIF-Verordnung ein geeigneter Weg sein, für Publikumsinvestmentvermögen mit verhältnismäßig geringem Aufwand neue europäische Absatzmärkte zu erschließen.