20.10.2015Fachbeitrag

Update Compliance 21/2015

Landgericht Braunschweig: Für die Unternehmensverteidigung erstellte anwaltliche Unterlagen sind beschlagnahmefrei

Anwaltsunterlagen, die (auch) zu Zwecken der Unternehmensverteidigung im Rahmen einer internen Ermittlung angefertigt werden, dürfen nicht beschlagnahmt werden. Dies hat das Landgericht Braunschweig entschieden und damit das sog. „Verteidigerprivileg“ der Paragrafen 97 und 148 der Strafprozessordnung weit ausgelegt (Beschl. v. 21.7.2015 – 6 Qs 116/15). Die Entscheidung stärkt die Rechte von Unternehmen in einem (drohenden) Verfahren wegen einer Verbandsgeldbuße.

In einem Strafverfahren gegen Geschäftsführer der Tochtergesellschaft eines Konzernunternehmens hat das Amtsgericht Braunschweig die Durchsuchung der Geschäftsräume der Konzernmutter, insbesondere des Finanzvorstandes, angeordnet. Einige Monate zuvor war bereits bei der Tochtergesellschaft durchsucht worden. Im Nachgang zur ersten Durchsuchung hatte das Mutterunternehmen eine Rechtsanwaltskanzlei mit internen Ermittlungen beauftragt, um den Sachverhalt intern aufzuklären. Im Rahmen der späteren Durchsuchung der Konzernmuttergesellschaft wurden Unterlagen beschlagnahmt, die Gegenstand der Korrespondenz zwischen den ermittelnden Rechtsanwälten und dem Vorstand der Konzernmutter war. Hiergegen erhob das Unternehmen die Beschwerde.

Das Landgericht Braunschweig gab der Beschwerde statt, soweit diese sich gegen die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen wendet.
 
Es führt aus, dass Verteidigungsunterlagen über den Gesetzeswortlaut hinaus auch dann beschlagnahmefrei seien, wenn sie sich nicht im Gewahrsam des Beschuldigten befinden. Zudem greife der Schutz von Verteidigungsunterlagen nicht erst dann, wenn gegen den von der Durchsuchung Betroffenen ein Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet ist. Dies gelte nicht nur in Straf-, sondern auch in Ordnungswidrigkeitenverfahren, in denen eine sachgerechte Verteidigung von Rechts wegen in gleicher Weise ermöglicht werden müsse wie in einem Strafverfahren. Anlass dieser Aussage war, dass mit Blick auf die Vorwürfe gegen einzelne Beschuldigte ein Verfahren gegen das Unternehmen selbst drohte, um diesem eine Unternehmensgeldbuße gem. § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes aufzuerlegen. Das Landgericht machte deutlich, dass „bereits eine eigenständige – unabhängig von den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörde vorgenommene – Aufarbeitung des Sachverhalts ein wesentliches Element zur Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung darstellen [kann], ohne dass bereits konkrete Verteidigungsstrategien erörtert werden müssen.“

Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die Korrespondenz zwischen der Muttergesellschaft und den Rechtsanwälten, die die interne Ermittlung im Unternehmen durchgeführt haben, als beschlagnahmefrei qualifiziert.

Die Beschwerde gegen die Beschlagnahme von internen Konzernunterlagen blieb hingegen erfolglos, weil es sich insofern nicht um Verteidigungsunterlagen gehandelt habe.

Praxishinweis: Die interne Aufklärung von Straftaten, die aus dem Unternehmen begangen wurden, gehört zu den Pflichten von Geschäftsführung und Vorstand. Interne Ermittlungen im Unternehmen kommen daher immer häufiger vor – zuletzt bei der Volkswagen AG und jetzt auch beim Deutschen Fußballbund. Interne Ermittlungen stellen hohe rechtliche Anforderungen an Unternehmen und ihre Berater - sie müssen nicht nur arbeits- und datenschutzrechtlich abgesichert sein, auch strafrechtliche Fallstricke drohen, wie vorstehender Sachverhalt zeigt. Seit jeher wird die Frage diskutiert, ob Strafverfolgungsbehörden im Wege der Durchsuchung und Beschlagnahme Zugriff auf die Korrespondenz zwischen dem Unternehmen und den Anwälten, die die interne Ermittlung durchführen, hat. 

Der Beschluss des Landgerichts Braunschweig stärkt die Rechte von Unternehmen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Bislang hat die Rechtsprechung die Beschlagnahmefreiheit derartiger Unterlagen im Grundsatz abgelehnt (vgl. LG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2010 – 608 Qs 18/10 mit Anm. Szesny, GWR 2011, 169; LG Mannheim, Beschl. v. 3.7.2010 – 24 Qs 1/12 und 2/12 mit Anm. Szesny, BB 2011, S. 2509).

Das LG Braunschweig hat das Verteidigerprivileg hingegen auch für Anwälte zur Anwendung gebracht, die interne Ermittlungen im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen durchführen. Das Verteidigungsprivileg der §§ 97, 148 StPO gilt demgemäß also auch für sie. Begrüßenswert ist auch die Ansicht des Landgerichts, dass das Verteidigungsprivileg nicht erst nach Einleitung, sondern bereits im Vorfeld eines möglichen Ermittlungsverfahrens Geltung beansprucht.

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