08.07.2014Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht Oktober 2014

Zustimmungspflicht der Hauptversammlung bei Übernahme einer Geldbuße

BGH, Urteil vom 8.7.2014 - II ZR 174/13

Wird einem Vorstandsmitglied eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt, in der gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft liegt, darf die Gesellschaft eine gegen das Vorstandsmitglied verhängte Geldstrafe, -buße oder -auflage nicht ohne die Zustimmung der Hauptversammlung übernehmen.

In einem aktuellen Urteil hatte der Bundesgerichtshof folgenden Fall zu entscheiden, in dem eine Aktiengesellschaft ein ehemaliges Vorstandsmitglied auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 50.000 Euro in Anspruch genommen hat.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den Beklagten, der bis 2005 als Vorstandsmitglied für die Klägerin tätig war, Ermittlungen eingeleitet wegen Betrugs, Untreue, Bilanzfälschung und Insolvenzverschleppung im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Gesellschaft. In einem Aufhebungsvertrag vereinbarten die Parteien für den Fall, dass die Verfahrensbeendigung mit einer Geldsanktion verbunden ist (Einstellung gem. § 153a StPO, Strafbefehl, Geldstrafe), dass die Gesellschaft für das Vorstandsmitglied die Geldsanktion übernimmt.

2007 gewährte die Gesellschaft dem Vorstandsmitglied ein Darlehen in Höhe von 50.000 Euro. Mit dem Darlehensvertrag sollten alle vorangegangenen Vereinbarungen ersetzt werden. Das Darlehen verwandte das Vorstandsmitglied zur Begleichung der ihm in dem Ermittlungsverfahren auferlegten Geldauflage. Die Gesellschaft kündigte das Darlehen und verlangte Rückzahlung.

Hauptversammlungsbeschluss bei Pflichtverletzung des Vorstands

Der Bundesgerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass die Gesellschaft die Bezahlung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage, die gegen ein Vorstandsmitglied verhängt wurde, nicht in jedem Fall allein aufgrund eines Beschlusses des Aufsichtsrats übernehmen könne. Wenn die Straftat gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft sei, müsse entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG die Hauptversammlung einer Übernahme der Sanktion durch die Gesellschaft zustimmen.

3-Jahres-Frist des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG

§ 93 AktG regelt den Fall, dass der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ein Schadensersatzanspruch zusteht. Nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG kann die Gesellschaft erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt.

Vergleichbarkeit mit Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegen Vorstand

Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass der Aufsichtsrat in der Regel verpflichtet sei, Ansprüche wegen einer vom Vorstand begangenen Pflichtverletzung zu verfolgen, und die Gesellschaft nicht noch zusätzlich zu schädigen. Die in der Übernahme der Sanktion liegende Schädigung der Gesellschaft führe ähnlich einem Verzicht auf Schadensersatzansprüche, zu dem nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist, zu einer dauerhaften Vermögenseinbuße der Gesellschaft.

Kompetenz des Aufsichtsrats, wenn keine Pflichtverletzung vorliegt

Liege dagegen keine Pflichtverletzung durch den Vorstand vor, könne der Aufsichtsrat beschließen, die Geldstrafe, Geldauflage oder Geldbuße zu übernehmen. Der Aufsichtsrat habe insoweit aber kein Ermessen, eine Pflichtwidrigkeit zu verneinen und sich so die alleinige Kompetenz zur Übernahme der Strafsanktion zu bewilligen. Maßgebend bei der Beurteilung, ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt, sei vielmehr die objektive Rechtslage.

Fazit

Der durch die Übernahme von Geldsanktionen entstehende finanzielle Schaden für Unternehmen ist oftmals geringer als der mögliche Reputationsschaden im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung des Vorstands. Ist jedoch nicht eindeutig, ob die zur Last gelegte Straftat oder Ordnungswidrigkeit gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft darstellt, empfiehlt es sich für den Aufsichtsrat, die Geldsanktion nicht ohne Zustimmung der Hauptversammlung zu übernehmen. Besteht schneller Handlungsbedarf, kann der Aufsichtsrat eine vorläufige Regelung treffen, in dem er dem Vorstandsmitglied den erforderlichen Betrag zunächst als Darlehen zur Verfügung stellt und dessen Rückforderung von der abschließenden Prüfung des Sachverhalts abhängig macht.

 

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