01.10.2024Fachbeitrag

Update Immobilien & Bau 4/2024

Abschaffung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht: Chancen und Risiken

Der Bundestag hat am Donnerstag, den 26. September 2024 das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) verabschiedet mit weitreichenden Folgen für die Immobilienwirtschaft. Unter anderem beinhaltet das BEG IV die Abschaffung des Schriftformerfordernisses für Gewerbemietverträge. Während diese Änderung die Digitalisierung unterstützt, bleiben einige rechtliche Unsicherheiten bestehen. Der Bundesrat muss dem BEG IV noch zustimmen.

Hintergrund: Die Abschaffung der Schriftform

Bisher schreiben §§ 550; 578 Abs: 1, Abs. 2,126 BGB vor, dass Gewerbemietverträge, die für länger als ein Jahr geschlossen werden, dem Schriftformerfordernis unterliegen. Ein Verstoß gegen diese Formvorschrift führt dazu, dass der Mietvertrag trotz der vereinbarten Laufzeit als unbefristet gilt und jederzeit mit den gesetzlichen Kündigungsfristen beendet werden kann. Die Schriftform umfasst dabei alle wesentlichen Vertragsbestandteile, einschließlich Anlagen, die von beiden Parteien auf derselben Urkunde unterzeichnet werden müssen. Auch Nachträge zu Gewerbemietverträgen unterfielen dem Schriftformerfordernis; die Nichteinhaltung der Schriftform bei Abschluss eines Nachtrags konnte den ursprünglichen Mietvertrag „infizieren“. In der Praxis hat dies häufig zu Komplikationen und Rechtsunsicherheiten geführt.

Das BEG IV sieht nun vor, die bislang erforderliche Schriftform durch die Textform zu ersetzen. Der bisherige Verweis auf § 550 BGB über § 578 Abs. 1 BGB wird gestrichen und dafür wird ein neuer Satz 2 angefügt: „§ 550 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.“ Zur Wahrung der Textform (§ 126b BGB) muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Damit könnten langfristige Mietverträge künftig beispielsweise per E-Mail oder sogar per Messenger abgeschlossen und angepasst werden.

Chancen: Mehr Flexibilität und Digitalisierung

Die Abschaffung der Schriftform soll vor allem den digitalen Geschäftsverkehr fördern. Gewerbemietverträge können – soweit die Textform eingehalten ist – ohne die bisherigen höheren Hürden abgeschlossen und nachträglich geändert werden. Diese Vereinfachung soll nicht nur Zeit und Ressourcen sparen, sondern auch die Digitalisierung der Vertragsabwicklung vorantreiben. Der Verwaltungsaufwand für Vermieter und Mieter wird reduziert, indem Verträge unkompliziert in elektronischer Form geschlossen und verwahrt werden können.

Risiken: Rechtliche Unsicherheiten trotz Erleichterungen

Trotz der geplanten Vereinfachungen bleiben erhebliche rechtliche Risiken bestehen; neue Risiken treten hinzu.

Der Schutz eines Grundstückserwerbers dürfte durch die Abschaffung des Schriftformerfordernisses beeinträchtigt werden. Der bisherige § 550 BGB bot die Sicherheit, dass alle wesentlichen Vereinbarungen schriftlich dokumentiert und für Dritte nachvollziehbar sind oder den Erwerber jedenfalls nicht unverhältnismäßig lange binden konnten. Mit der Abschaffung dieses Formerfordernisses besteht die Gefahr, dass Absprachen oder Änderungen, die per E-Mail oder Messenger vereinbart wurden, nicht vollständig dokumentiert und für den Käufer schwer nachvollziehbar sind. Ein Erwerber wäre gleichwohl an diese in Textform abgeschlossenen Vereinbarungen gebunden. Ein Risiko, dass insbesondere die Informationstransparenz und die Vertragsgestaltung zwischen Verkäufer und Erwerber eines vermieteten Grundstücks auf den Prüfstand stellen wird. Für Verkäufer wird das Haftungsrisiko jedenfalls dann steigen, wenn es mehrere Voreigentümer gab. Die lückenlose digitale Vertragsdokumentation wird daher in der Praxis weiter an Bedeutung gewinnen.

Insbesondere umfangreiche E-Mail-Korrespondenzen können zu erheblichen Unsicherheiten führen. Dies gilt umso mehr, wenn Korrespondenz über einen bevollmächtigten Verwalter erfolgt, die dem Eigentümer bzw. Vermieter nicht immer im Detail bekannt ist. Bei längeren Verhandlungen, die sich über mehrere Nachrichten erstrecken, besteht die Gefahr, dass Vereinbarungen unklar werden oder wesentliche Punkte nicht eindeutig festgehalten werden.

Auch das Schutzbedürfnis von Banken, die Immobilienkäufe finanzieren, könnte durch die Abschaffung der Schriftform beeinträchtigt werden.

Erfordernis der Einheitlichkeit des Mietvertrags bleibt auch bei Textform bestehen

Zudem ist zu beachten, dass das Erfordernis der „Einheitlichkeit der Urkunde“ auch bei der Textform weiterbesteht. Diese durch den Bundesgerichtshof entwickelte Rechtsprechung besagt, dass alle wesentlichen Vertragsinhalte eindeutig in Bezug zueinander stehen müssen. Während die körperliche Verbindung der Dokumente (wie eine feste Bindung) nicht zwingend erforderlich ist, muss die Einheitlichkeit durch fortlaufende Bezugnahmen und klare Verweise gewährleistet sein. Besonders bei Vertragsänderungen in E-Mail-Form könnte es jedoch schwierig werden, eine lückenlose Dokumentation sicherzustellen. Inwieweit die zahlreichen weiteren Kriterien, die die Rechtsprechung bislang zur Schriftform in Gewerbemietverträgen aufgestellt hat, auf die Textform übertragen werden (können), muss sich erst noch zeigen.

All das wird dazu führen, dass Prüfungsumfang und -tiefe im Rahmen der juristischen Due Diligence steigen werden, um zu gewährleisten, dass die mietvertraglichen Vereinbarungen vollständig offengelegt werden.

Lösungen für die Praxis

Zur Vermeidung dieser Unsicherheiten bedarf es in Zukunft klarer vertraglicher Regelungen auf diversen Ebenen. In Gewerbemietverträgen wird es erforderlich, eigenständige Formvorschriften zu vereinbaren, wobei insbesondere qualifiziert elektronische Signaturen eine große Rolle spiele dürften. Im Rahmen von Erwerbsvorgängen werden Garantien und Vollständigkeitserklärungen wieder mehr Bedeutung zukommen.

Fazit: Vereinfachung mit potenziellen Risiken

Die geplante Abschaffung des Schriftformerfordernisses für Gewerbemietverträge im Rahmen des BEG IV birgt einige Risiken. Während die Textform zwar mehr Flexibilität bietet und den digitalen Wandel unterstützt, bleibt das Risiko bestehen, dass wichtige Vertragsinhalte nicht ausreichend dokumentiert werden.

Ob der Gesetzgeber mit dieser Reform tatsächlich die gewünschte Bürokratieentlastung erreicht, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sollten Vermieter und Mieter auch künftig sorgfältig darauf achten, dass wesentliche Vertragsinhalte klar und nachvollziehbar dokumentiert werden, um rechtliche Risiken zu minimieren. Die Praxis wird zeigen, ob die Textform den bisherigen Schutzstandards gerecht wird oder ob nachträglich Anpassungen erforderlich sein werden.

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