Update Immobilien & Bau 2/2025
Textformerfordernis für langfristige Gewerberaummietverträge! Und nun?
Seit dem 1. Januar 2025 gilt für ab diesem Datum geschlossene gewerbliche Mietverträge, die für länger als ein Jahr abgeschlossen werden, die Textform (hierzu: Update Immobilien & Bau Nr. 4/2024). Bei Nichteinhaltung gilt eine unbestimmte Laufzeit des Mietvertrages und damit die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfristen, frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Mietgegenstandes, auch wenn die Vertragsparteien eine längere Festlaufzeit unter Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit vereinbart hatten.
Während somit die Rechtsfolge gegenüber Verstößen gegen die bislang geltende Schriftform unverändert geblieben ist, verbleiben für die Vertragsgestaltung ungeklärte Fragen, insbesondere zu den Voraussetzungen der Textform und der Übertragbarkeit der bislang geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Schriftformverstößen.
Unterschiede zwischen Text- und Schriftform
Die Textform erfordert im Gegensatz zur Schriftform (nur) drei Dinge: Eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, die Nennung der Person des Erklärenden und die Erkennbarkeit des Abschlusses der Erklärung.
Während die Schriftform eine eigenhändig unterschriebene Urkunde verlangt, genügt für die Textform ein geeigneter Datenträger, z. B. in Form von E-Mail, SMS/Messengerdienste, Speicherkarte oder Fax. Um die für eine Urkunde grundsätzlich erforderliche körperlich feste Verbindung mittels Bindung, Öse oder Schnur und Siegel müssen sich die Vertragsparteien künftig nicht mehr den Kopf zerbrechen.
Allerdings ist die Frage, wie künftig die Zuordnung von Anlagen zum Hauptvertragstext sichergestellt werden kann, derzeit noch unbeantwortet. Die Literatur geht davon aus, dass der Gesetzgeber durch den Wechsel zur Textform eine Erleichterung bezweckt habe und daher nicht dieselben strengen Maßstäbe wie für die Schriftform gelten können (Kranzkowski, MietRB 2024, 367 (369)). Im Zweifel ist den Vertragsparteien zu empfehlen, Hauptvertrag und Anlagen in einer Datei zu verarbeiten oder jedenfalls eine hinreichende Bezugnahme der Anlagen auf den Hauptvertrag – wie bislang auch – sicherzustellen.
Mit der Abkehr von der Schriftform entfällt das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift. Der Unterschriftenumlauf, der überwiegend als bürokratisch und – je nach Standort der unterzeichnenden Personen – logistisch aufwendig empfunden wird, ist mit der Textform nicht mehr notwendig.
Derzeit ist noch unklar, ob Vertretungsverhältnisse der Vertragsparteien innerhalb der Erklärung in Textform weiterhin kenntlich zu machen sind. Da die die Textform die Nennung der Person des Erklärenden voraussetzt, spricht vieles dafür, auch künftig Vertreter ausdrücklich als solche zu kennzeichnen (Kranzkowski, MietRB 2024, 367 (370)).
Die Textform führt auch dazu, dass Vertragsabschlüsse und -änderungen schneller und vielleicht auch unbewusst, etwa durch den bloßen Austausch von E-Mails, herbeigeführt werden. Es ist daher ratsam, Disclaimer in E-Mails anzubringen, um einen ungewünschten Erklärungsgehalt zu vermeiden.
Da sich die Textform auf einen Vertrag bezieht, müssen nach überwiegender Ansicht beide zum Vertragsschluss erforderlichen Willenserklärungen dem Textformerfordernis genügen (vgl. Messerschmidt/Voit/Lenkeit, 4. Aufl. 2022, BGB § 650i Rn. 33).
Nachträge und Ergänzungen
Die seit dem 1. Januar 2025 geltende Textform findet auch auf danach abgeschlossene Nachträge und Ergänzungsvereinbarungen zu bestehenden Mietverhältnissen Anwendung. Hierbei ist es grundsätzlich unerheblich, ob der bereits abgeschlossene Mietvertrag selbst noch der Schriftform unterfiel.
Bislang mussten Nachträge – wollten sie die Schriftform einhalten – nach der Auflockerungsrechtsprechung des BGH zumindest eine lückenlose Bezugnahme auf alle bisherigen mietvertraglichen Vereinbarungen sicherstellen; insbesondere also den Mietvertrag selbst und alle bis dahin abgeschlossene Nachträge in Bezug nehmen (BGH, Urt. v. 09.04.2008 - XII ZR 89/06 = NZM 2008, 484; Urt. v. 26.02.2020 - XII ZR 51/19 = NZM 2020, 429). Ob diese Bezugnahme auch bei Nachträgen und Ergänzungsvereinbarungen gilt, die der Textform unterfallen, ist noch offen (dagegen wohl Kranzkowski, MietRB 2024, 367 (371)).
Da der Formzweck nach allgemeiner Ansicht voraussetzt, dass sich die Beteiligten zuverlässig über den Inhalt der Erklärung informieren können, sprechen Sinn und Zweck der Textform für eine Übertragung des Grundsatzes der Einheitlichkeit. Wenn nicht der gesamte Vertragsinhalt in einer Erklärung enthalten sein müsste, ließe sich dies nicht gewährleisten. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung sollte Mietparteien vorsorglich daher empfohlen werden, die ausreichende Bezugnahme auf den Mietvertrag und etwaige bislang abgeschlossene Nachträge z. B. im Betreff oder im Einleitungsteil einer E-Mail sicherzustellen.
Schriftformklauseln
Es bleibt den Parteien unbenommen, vertraglich eine gegenüber der Textform strengere Form zu vereinbaren (§ 127 Abs. 1 BGB). Möchten die Parteien durch vertragliche Vereinbarung und auf vermeintlich einfachem Wege zur gewohnten Schriftform zurückkehren, müssen Sie allerdings beachten, dass bei Verstößen gegen die (nun vertragliche) Schriftform nicht die bisherige Rechtsfolge der unbestimmten Laufzeit und Möglichkeit der ordentlichen Kündigung greift, sondern nach § 125 Satz 2 BGB – jedenfalls ohne weitergehende Regelungen – regelmäßig die Nichtigkeit (hierzu: Update Immobilien & Bau Nr. 1/2025).
Die rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Schriftform oder einer anderen strengeren Form als der Textform ändert grundsätzlich auch nichts daran, dass eine spätere formfreie Individualvereinbarung die formularvertraglich vereinbarte Form wieder aufheben kann (hierzu: Update Immobilien & Bau Nr. 2/2017).
Heilungsklauseln
Ob Heilungsklauseln durch die neue Formanforderung eine ungeahnte Renaissance erleben, wird derzeit in der Literatur diskutiert. Der Bundesgerichtshof hatte der Wirksamkeit regelmäßig vereinbarter Schriftformheilungsklauseln im Jahr 2017 eine Absage erteilt (BGH, Urt. v. 27.09.2017 – XII ZR 114/16 = NZM 2018, 38; hierzu: Update Immobilien & Bau Nr. 4/2017). Der Bundesgerichtshof begründete dies maßgeblich damit, dass Schriftformheilungsklauseln mit der unabdingbaren Regelung des § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam seien.
Ob diese Erwägungen auch für nun naheliegende Textformheilungsklauseln gelten, ist zumindest fraglich. Mit Verweis auf die Gesetzesbegründung, wonach die Abschwächung der Formerfordernisse auf die Textform gar nicht mehr in der Lage ist, den Schutzzweck des § 550 BGB zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten, lässt sich gut vertreten, dass Textformheilungsklauseln mit der Einschränkung, dass diese einen Grundstückserwerber nicht binden, (wieder) wirksam vereinbarten werden können (Neumann, NZM 2024, 931 (932)).
Einigkeit dürfte zumindest dahingehend bestehen, dass die Vereinbarung von Textformheilungsklauseln, soweit diese als selbstständige und von dem übrigen Vertragstext abgesetzte Regelungen entworfen werden, jedenfalls keine negativen Auswirkungen haben dürften. Im schlimmsten Fall sind sie analog zur Rechtsprechung zu Schriftformheilungsklauseln unwirksam.
Übergangszeitraum für Altverträge
Innerhalb eines Übergangszeitraums von zwölf Monaten seit Inkrafttreten der Neuregelung, können Mietverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2025 abgeschlossen worden sind, noch wegen eines Schriftformverstoßes gekündigt werden. Nach Ablauf des Übergangszeitraums setzt die vorzeitige ordentliche Kündigung einen Verstoß gegen die Textform voraus. Ob sich die in der Praxis teilweise geäußerte Befürchtung, im Jahr 2025 folge eine Kündigungswelle zu unliebsam gewordenen Mietverhältnissen aufgrund von Schriftformverstößen, bleibt abzuwarten (Hofele, NZM 2024, 363 (371)).
Fazit
Der Wechsel von Schrift- zu Textform vereinfacht auf den ersten Blick vieles; allerdings stellt er Vermieter und Mieter auch vor neue Herausforderungen, die in Mietverhältnissen nun zu regeln sind.
Vertragsschlüsse und -änderungen können unbeabsichtigt im täglichen Geschäftsverkehr herbeigeführt werden. Um dies zu verhindern, muss eine entsprechende Sensibilität geschaffen und geeignete Maßnahmen getroffen werden. Zwar steht es den Parteien frei, weiterhin die Schriftform vertraglich zu vereinbaren. Für den Fall von Verstößen sollten dann jedoch entsprechende Regelungen zum Umgang mit diesen Verstößen getroffen werden.
Sinnvoll dürfte sicher die Aufnahme von Textformheilungsklauseln in Mietverträgen sein. Ob solche Klauseln, jedenfalls solange sie einen Grundstückserwerber nicht binden, wirksam vereinbart werden können, ist noch ungeklärt. Eine Unwirksamkeit hätte allenfalls zur Folge, dass sich die Parteien nicht darauf berufen könnten.
Abzuwarten bleibt, inwieweit die zur Schriftform gemäß § 550 BGB ergangene Rechtsprechung auf die Textform übertragen werden kann. Dies ist überwiegend noch ungeklärt, weshalb die bislang zur Schriftform aufgestellten Grundsätze allenfalls als Orientierung dienen können.