Update Immobilien & Bau 2/2022
Mindestsätze der HOAI bleiben zwischen Privaten weiter verbindlich!
Deutsche Gerichte sind nicht allein aufgrund des Urteils des EuGH vom 4. Juli 2019 (C.377/17) verpflichtet, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI in einem Rechtsstreit zwischen Privaten nicht anzuwenden (EuGH, Urt. v. 18.01.2022 – C-261/20).
Ausgangspunkt: Unionsrechtswidrigkeit von HOAI Mindest- und Höchstsätzen
Mit Urteil vom 4. Juli 2019 (C-377/17) entschied der EuGH, dass die Mindestsätze der HOAI gegen die sogenannte Dienstleistungsrichtlinie (2006/123 EG) der Europäischen Union verstoßen. Die HOAI 2021 sieht deshalb nur noch unverbindliche Empfehlungen für Mindest- und Höchsthonorare für Architekten vor. Das verbindliche Preisrecht der HOAI schien damit Geschichte.
Auswirkungen auf laufende Rechtstreitigkeiten waren unklar
Ob die Mindestsätze der HOAI aber auch bei laufenden (Aufstockungs-)Klagen zwischen Privaten unangewendet bleiben müssen, zog zuletzt der BGH in Zweifel und legte dem EuGH diese Frage zur Entscheidung vor (Beschl. v. 14.07.2020 – Az. VII ZR 174/19). Der BGH stellte in seinem Beschluss klar, dass er dazu tendiere, dass die Mindestsätze der HOAI bei laufenden Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten weiterhin verbindlich sind. Denn obwohl die Regelungen der HOAI zu verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen für Architektenhonorare gegen die Dienstleistungsfreiheit der Europäischen Union verstoßen, ist dies für das Verhältnis zwischen Privaten ohne unmittelbare Bedeutung. Denn die Dienstleistungsrichtlinie entfaltet zwischen Privaten keine unmittelbare Wirkung und verpflichtet allein die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Europäischen Union.
EuGH: Mindestsätze der HOAI zwischen Privaten weiterhin verbindlich!
Diese Ansicht teilt jetzt auch der EuGH. Der EuGH entschied ausdrücklich, dass Art. 15 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie keine unmittelbare Wirkung zwischen Privaten entfaltet. Deutsche Gerichte sind deshalb nicht verpflichtet, die Regelungen zu den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI allein aufgrund des vorangegangenen Urteils des EuGH vom 4. Juli 2019 (C-377/17) nicht anzuwenden. Die Mindest- und Höchstsätze der HOAI sind deshalb auch in laufenden Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten weiterhin gesetzlich verbindliches Preisrecht. Auftraggeber sind deshalb dazu verpflichtet, an ihre Architekten im Falle von Aufstockungsklagen weiteres Architektenhonorar zu zahlen, sollte die von ihnen mit ihren Planern zunächst abgeschlossene Pauschalpreisvereinbarung das in der HOAI geregelte Mindesthonorar unterschreiten.
Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gegenüber der Bundesrepublik Deutschland
Der EuGH stellte aber auch klar, dass der Auftraggeber, der aufgrund der weiterhin verbindlichen Mindestsätze der HOAI zur Zahlung weiteren Architektenhonorars gegenüber dem klagenden Architekten verurteilt wird, unter Umständen Schadensersatz von der Bundesrepublik Deutschland verlangen kann. Denn die Bundesrepublik Deutschland ist nach geltendem Unionsrecht verpflichtet, keine gegen das Unionsrecht verstoßenden nationalen Regelungen zu beschließen oder aufrechtzuerhalten. Sollte ein Mitgliedsstaat dennoch Regelungen erlassen oder aufrechterhalten, die gegen Unionsrecht verstoßen, hat der Einzelne nach der Rechtsprechung des EuGH einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Mitgliedsstaat selbst.