Internationale Sanktionen treffen auch gewerbliche Mietverträge
Der Beitrag wurde in der Immobilien Zeitung, Ausgabe 40-41/2024, erstveröffentlicht.
Der Ukrainekrieg hat viele Unternehmen gezwungen, ihre Geschäftsaktivitäten zu ändern. Die Immobilienbranche ist davon nicht verschont geblieben. Die Sanktionen von EU und USA gegen Russland zeigen, dass die langfristige Absicherung gewerblicher Mietverträge mit Blick auf internationale Maßnahmen wichtig geworden ist.
Problematisch wird es insbesondere, wenn internationale Sanktionsregelungen weiter greifen als die von der EU verhängten Restriktionen. Schließt eine deutsche Gesellschaft als Vermieterin einen gewerblichen Mietvertrag mit einem russischen Unternehmen ab, das nach US-Recht sanktioniert wird, ohne dass synchron die EU Sanktionen verhängt, birgt dies hohe Risiken. Es stellt sich die Frage, ob die Überlassung des Mietgegenstands für den deutschen Vermieter Konsequenzen nach US-Recht hat und – wenn ja – welche Möglichkeiten der Vermieter hat, die Risiken mit Blick auf die US-Sanktionen zu minimieren.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die EU die Sanktionen gegen Russland in inzwischen 14 Sanktionspaketen erweitert. Beschränkungen für die Eingehung oder Durchführung von Gewerbemietverhältnissen ergeben sich vor allem aus den Finanzsanktionen, die sich gegen die auf den„schwarzen Listen“ genannten Personen und Firmen richten.
Ein Mietgegenstand ist eine wirtschaftliche Ressource
Das bedeutet für den Geschäftsverkehr mit sanktionierten Parteien, dass Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden, die Eigentum oder Besitz sanktionierter Parteien sind oder von mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden. Zudem gilt das sogenannte Bereitstellungsverbot: Sanktionierten Personen und mit diesen in Verbindung stehenden Personen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.
Unter den weit gefassten Begriff der wirtschaftlichen Ressource fällt auch das Bereitstellen von gewerblichen Mietobjekten. Infolgedessen ist es verboten, sanktionierte Parteien per gewerblichem Mietvertrag Flächen zu überlassen. Verstöße gegen EU-Sanktionen können mit empfindlichen Haftstrafen und Bußgeldern gegen die Handelnden selbst, die Unternehmen und deren Geschäftsführung geahndet werden.
US-Primärsanktionen gelten bei US-Nexus
Auch US-Sanktionen können für die Durchführung von gewerblichen Mietverträgen relevant werden. Unterschieden werden muss zwischen US-Primär- und Sekundärsanktionen.
Die US-amerikanischen Primärsanktionen gelten grundsätzlich für US-Bürger, Personen mit ständigem Wohnsitz in den USA, nach US-Recht gegründete Gesellschaften und Personen, die sich in den USA befinden. Nicht-US-Personen können gegen US-Sanktionsvorschriften verstoßen, wenn das betroffene, für US-Personen verbotene Geschäft, einen sogenannten US-Nexus aufweist. Zur Begründung eines US-Nexus kann es bereits ausreichend sein, dass an einem Geschäft US-Personen, etwa ein US-Geschäftsführer, beteiligt sind, es in US-Dollar oder über eine Bank in den USA abgewickelt wird.
Einfallstore für die US-Primärsanktionen können für gewerbliche Mietverträge also dann bestehen, wenn US-Personen oder Unternehmen eingebunden sind. In der Praxis sind in die Verwaltung internationaler Immobilienportfolios oft international tätige Asset-Manager einbezogen. Diese können den für die Geltung des US-Rechts erforderlichen Nexus begründen. Verstöße gegen US-Primärsanktionen können mit empfindlichen Geld- und Haftstrafen geahndet werden.
US-Sekundärsanktionen greifen direkt
US-Sekundärsanktionen gelten hingegen extraterritorial und damit auch für Nicht-US-Personen und Unternehmen, auch wenn ein Geschäft keinen US-Nexus aufweist. Danach ist es verboten, bestimmte Transaktionen und Geschäfte mit den auf US-Sanktionslisten – zum Beispiel auf der Liste der Specially Designated Nationals des Office of Foreign Assets Control, kurz SDN-Liste der OFAC – genannten Personen und Unternehmen zu tätigen. Sofern ein (potenzieller) Mieter vor Abschluss oder während der Dauer eines gewerblichen Mietverhältnisses auf einer US-Sanktionsliste steht, kann die Überlassung des Mietobjekts verboten sein.
Verstöße gegen US-Sekundärsanktionen können dazu führen, dass das verstoßende Unternehmen selbst auf eine US-Sanktionsliste aufgenommen wird. Dann werden die in den USA befindlichen Vermögenswerte dieses Unternehmens eingefroren. In der Folge ist es US-Personen und Unternehmen untersagt, mit dem Unternehmen Geschäfte zu tätigen. Vergangene Fälle zeigen, dass auch international tätige Banken keine Geschäfte mehr mit nach US-Recht sanktionierten Personen und Unternehmen durchführen konnten. Zudem nicht zu unterschätzen: Es drohen den sanktionierten Parteien erhebliche Reputationsschäden, da die Sanktionierung nach US-Recht veröffentlicht werden kann.
Rechtsfolgen für Mietverträgen bei Sanktionen
Während die Einhaltung von Sanktionen bei Lieferbeziehungen einfach umgesetzt werden kann, ist das Befolgen von Sanktionen bei Mietverträgen als Dauerschuldverhältnissen deutlich aufwändiger. Faktisch müsste der Mietgegenstand zur Vermeidung von Sanktionsverstößen zurückgegeben werden. Da von Sanktionen betroffene Mieter regelmäßig die überlassenen Räumlichkeiten nicht freiwillig verlassen werden, ist eine Räumungsklage erforderlich.
Sofern ein Mietverhältnis von EU-Sanktionen betroffen ist, die die Überlassung des Mietgegenstands an eine sanktionierte Partei verbieten, kann der Mietvertrag entweder ab dem Zeitpunkt der Sanktionierung unwirksam werden oder es besteht zumindest die Möglichkeit, diesen außerordentlich zu kündigen.
Anders stellt sich die Lage dar, wenn der Mieter ausschließlich nach US-Recht sanktioniert ist. Die Rechtslage ist in derartigen Konstellationen schwierig. Nach US-Recht muss der Vermieter das US-Sanktionsrecht beachten und darf den Mietgegenstand dem sanktionierten Mieter nicht mehr überlassen. Es drohen bei Verstößen empfindliche Strafen, die existenzbedrohende Ausmaße annehmen können.
Deutsche Gerichte wenden US-Recht nicht unmittelbar an, sondern berücksichtigen das US-Sanktionsrecht und potenzielle Auswirkungen einer Bestrafung nur im Rahmen von Generalklauseln. Die Strafen nach US-Recht für den Vermieter wären vom Gericht im Rahmen der Interessenabwägung einer außerordentlichen Kündigung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen. Eine gefestigte Rechtsprechung, nach der Vermietern auch bei drohenden Sanktionierungen nach US-Recht ein Kündigungsrecht zusteht, gibt es nicht.
Risikominimierung durch Klauseln im Mietvertrag
Daher könnte die für deutsche Vermieter missliche Lage eintreten, dass zwar einerseits eine Räumungsklage, die sich auf die Verbote unter US-Recht stützt, von deutschen Gerichten abgelehnt wird, andererseits aber der Verstoß des Vermieters gegen US-Sanktionsrecht von dortigen Behörden bestraft wird.
Die Parteien gewerblicher Mietverträge sollten daher vertragliche Lösungen für die Folgen der Sanktionierung ihres jeweiligen Vertragspartners anstreben. Derartige Klauseln in Mietverträgen galten sicherlich vor dem Ukrainekrieg nicht als Marktstandard. Es sollte gegebenenfalls geprüft werden, ob diese per Nachtrag in den Vertrag eingebracht werden können.
Vereinbaren die Mietvertragsparteien ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass US-Sanktionen gegen den Mieter greifen, hätte eine Kündigung erheblich größere Erfolgsaussichten.
Für die Zukunft gilt: Bei der Ausgestaltung von gewerblichen Mietverträgen ist – entsprechend einer Risikoanalyse – darauf zu achten, dass Sanktionsklauseln bei den Sonderkündigungsrechten von gewerblichen Mietverträgen aufgenommen werden. An dieser Schnittstelle zwischen Sanktions- und Mietrecht ist es maßgeblich, zweckmäßige Loslösungsmöglichkeiten für die Parteien zu etablieren, die rechtssicher und im Hinblick auf Sanktionsrisiken schnell umsetzbar sind.
Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit unserer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Lea Pilone, erstellt.