Update Arbeitsrecht Juni 2024
Anforderungen an eine Freistellungserklärung bei Urlaubsgewährung
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.03.2024 – 5 Sa 68/23
In der Praxis kommt es häufiger vor, dass Arbeitgeber Arbeitnehmer freistellen wollen, um mit der Freistellung den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Hierbei können aus Arbeitgebersicht Probleme auftreten, die dazu führen, dass gegebenenfalls trotz Freistellung der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt wird. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte sich jüngst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwieweit noch ein Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers abzugelten ist, weil zuvor keine ordnungsgemäße Freistellungserklärung durch den Arbeitgeber erfolgte.
Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer war beim Beklagten als Friseur in einem Barbershop beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden vor. Es bestand der gesetzliche Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30.06.2022 gekündigt.
Der Kläger machte zur Abgeltung des noch offenen Urlaubs einen Betrag in Höhe von € 1.178,40 nebst Zinsen geltend. Dies entsprach insgesamt 30 Urlaubstagen. Er führte in diesem Zusammenhang an, dass er während der Dauer des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub erhalten habe.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und führte als Begründung hierfür an, dass der darlegungs- und beweisbelastete Arbeitgeber nicht vorgetragen habe, wann dem Kläger welche Urlaubstage gewährt worden sind.
Die hiergegen vom Arbeitgeber eingelegte Berufung blieb erfolglos. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg- Vorpommern stellte fest, dass der Urlaubsanspruch des Klägers nicht durch die Gewährung von Urlaubstagen ganz oder teilweise erloschen ist.
Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Eine Freistellung von der Arbeitspflicht ist nicht zwangsläufig als Gewährung von Urlaub zu verstehen, sondern kann verschiedene Ursachen haben. Die Freistellungserklärung ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will. Die bloße Erklärung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer könne zu Hause bleiben oder sei von der Arbeitspflicht entbunden genügt nicht, um den Urlaubsanspruch zum Erlöschen zu bringen. Die zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeitspflicht befreit wird. Beginn und Ende des Urlaubs sind festzulegen. Nur dann ist es dem Arbeitnehmer möglich, die ihm auf Grund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt selbstbestimmt zu nutzen. Das ist nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer während der Freistellung jederzeit damit rechnen muss, wieder zur Arbeit gerufen zu werden.
Beruft sich der Arbeitgeber auf die Erfüllung des Urlaubsanspruchs, so muss er im Streitfall im Einzelnen darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er gegenüber dem Arbeitnehmer eine entsprechende Freistellungserklärung abgegeben hat und diese Erklärung dem Arbeitnehmer zugegangen ist.
Vorliegend habe die Beklagte keine, diesen Maßstäben genügende urlaubsrechtliche Freistellungserklärung abgegeben. Vielmehr habe die Beklagte nur behauptet, der Kläger habe an bestimmten Tagen frei gehabt. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass damit die Gewährung des Urlaubsanspruchs einhergehen sollte. Dies sei weder schriftlich, elektronisch noch in sonstiger Weise dokumentiert worden. Dabei müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass der Kläger teilweise auch Überstunden geleistet habe, so dass die Freistellung dementsprechend auch zur Abgeltung der Überstunden dienen konnte. Folglich ging diese Auslegung zu Lasten des darlegungs- und beweisbelasteten Arbeitgebers.
Praxistipp
Aus Arbeitgebersicht ist zwingend darauf zu achten, dass bei einer Urlaubsgewährung eine klare Formulierung gegenüber dem Arbeitnehmer gewählt wird. Aus der Erklärung muss hinreichend deutlich werden, dass die Befreiung von der Arbeitspflicht dazu dienen soll, einen noch offenen Urlaubsanspruch zu erfüllen. Zweifel bei der Auslegung einer entsprechenden Erklärung eines Arbeitgebers gehen zu seinen Lasten. Folglich sollten Arbeitgeber vor Abgabe einer entsprechenden Erklärung genau überprüfen, dass keine Zweifel bei der Auslegung der Erklärung auftreten können.