29.11.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht November 2024

Konzernprivileg bei andauernder Arbeitnehmerüberlassung

BAG, Urteil vom 12.11.2024 – 9 AZR 13/24

Die Arbeitnehmerüberlassung unterliegt strengen Vorschriften. Für Unternehmen desselben Konzerns gibt es aber Erleichterungen. Dieses sogenannte Konzernprivileg greift für das entleihende, konzernverbundene Unternehmen aber nicht immer, wie ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt. Das Konzernprivileg ist eine besondere Regelung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), die es Unternehmen innerhalb eines Konzerns ermöglicht, Arbeitnehmer unter bestimmten Bedingungen zu verleihen, ohne dass die strengen Regelungen der Arbeitnehmerüberlassung vollständig zur Anwendung kommen. Diese Erleichterung soll die Flexibilität und Effizienz innerhalb eines Konzerns fördern. Allerdings gibt es auch hier Grenzen und Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit das Konzernprivileg greift.

Das Bundesarbeitsgericht hat am 12. November 2024 klargestellt, dass das Konzernprivileg nicht greift, wenn ein Arbeitnehmer seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses von einem konzernangehörigen Unternehmen über mehrere Jahre hinweg überlassen wird. In solchen Fällen sei regelmäßig davon auszugehen, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers zum Zweck der Überlassung erfolgt ist.

Sachverhalt

Ein Mitarbeiter war von Juli 2008 bis Ende April 2020 bei einer GmbH als Sitzefertiger angestellt. Bereits vom ersten Tag an verrichtete er seine Arbeit auf dem Werksgelände eines anderen Unternehmens der Automobilindustrie. Beide Unternehmen gehörten während der Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers demselben Konzern an. Streitpunkt war, ob zwischen dem verliehenen Mitarbeiter und dem entleihenden Industrieunternehmen der Automobilindustrie ein Arbeitsvertrag gemäß §§ 10 Abs. 1, 9 Abs. 1 AÜG zustande gekommen war.

Der Mitarbeiter ging davon aus. Er sei von Anfang an bei dem Entleihunternehmen als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden – unter Verletzung der Vorgaben des AÜG. Das Unternehmen, auf dessen Betriebsgelände der Mitarbeiter de facto rund zwölf Jahre gearbeitet hatte, sah hingegen keine Arbeitnehmerüberlassung, sondern eine vertragliche Zusammenarbeit dienst- oder werkvertraglicher Natur zwischen ihm und der konzernangehörigen GmbH.

Entscheidung

Die Vorinstanzen gaben dem Unternehmen Recht. Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zurück. Es stellte klar, dass das Konzernprivileg nur dann unanwendbar sei, wenn eine Einstellung „und“ Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgen. Die Konjunktion „und“ in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG sei als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers komme das Konzernprivileg auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt „oder“ beschäftigt werde. Dies sei regelmäßig dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beschäftigungsbeginn über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt werde. Denn eine solche Praxis indiziere einen entsprechenden Beschäftigungszweck.

Das LAG Niedersachsen muss nun die Tatsachen feststellen, die erforderlich sind, um die Frage beantworten zu können, ob eine Arbeitnehmerüberlassung gegeben war und das AÜG anzuwenden ist. Dies hängt laut Bundesarbeitsgericht davon ab, ob der Kläger tatsächlich in der Arbeitsorganisation des Industrieunternehmens eingegliedert war und dessen Weisungen unterlag oder ob allein die GmbH ihm gegenüber weisungsbefugt war.

Praxistipp

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat weitreichende Bedeutung für Unternehmen, die Mitarbeiter innerhalb eines Konzerns überlassen. Sie sollten beachten, dass das Konzernprivileg nicht greift, wenn die Beschäftigung des Mitarbeiters gerade zum Zweck der Überlassung erfolgt. Dies gilt insbesondere, wenn der Mitarbeiter seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses über mehrere Jahre hinweg als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Unternehmen sollten daher prüfen, ob die Voraussetzungen des Konzernprivilegs tatsächlich vorliegen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Es ist zu erwarten, dass das Bundesarbeitsgericht in Zukunft noch häufiger mit derartigen Problematiken konfrontiert wird, insbesondere in Zeiten, in denen flexible Arbeitszeitmodelle und konzernübergreifende Zusammenarbeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Arbeitgeber sollten sich daher frühzeitig mit den rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut machen und entsprechende Vorkehrungen treffen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

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