31.10.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Oktober 2024

Schadensersatz bei fehlender Zielvereinbarung?

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 03.07.2024 - 10 AZR 171/23 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt klar, dass Arbeitgeber ihre vertragliche Pflicht verletzen, wenn sie es unterlassen, mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung zu verhandeln. Eine Klausel zur einseitigen Zielvorgabe durch den Arbeitgeber für den Fall, dass keine Zielvereinbarung zwischen den Vertragsparteien zustande kommt, erachtet das BAG darüber hinaus als unwirksam. 

Sachverhalt

Der Kläger war als Development Director bei einer Schiffsholding beschäftigt und hatte laut Arbeitsvertrag Anspruch auf eine variable Vergütung, die von der Erreichung von Zielvorgaben abhängig war. Die Zielvorgaben sollten jedes Jahr zwischen dem Kläger und der beklagten Arbeitgeberin vereinbart werden. Falls keine Vereinbarung zustande kommen sollte, sah die vertragliche Regelung vor, dass die Arbeitgeberin die Ziele nach billigem Ermessen einseitig vorgeben könne. 
Für das Jahr 2020 kam es zu keiner Zielvereinbarung, da die Parteien sich nicht einig werden konnten. Die Arbeitgeberin legte daraufhin einseitig Ziele fest, die der Kläger für unangemessen hielt. Der Kläger kündigte Ende 2020 das Arbeitsverhältnis und machte gegenüber seiner Arbeitgeberin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von ca. 100.000,00 Euro brutto wegen entgangener variabler Vergütung für das Jahr 2020 gerichtlich geltend.

Inhalt der Entscheidung

Das BAG gab dem Kläger Recht und verurteilte die Arbeitgeberin zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von 83.000,00 Euro brutto. 

Nach Ansicht des BAG habe die Arbeitgeberin ihre vertragliche Pflicht, mit dem Kläger über eine Zielvereinbarung zu verhandeln und ihm Einfluss auf die Festlegung der Ziele zu ermöglichen, verletzt. 

Das BAG stellte klar, dass eine Klausel, die der Arbeitgeberin für den Fall gescheiterter Verhandlungen über eine Zielvereinbarung die Möglichkeit einräumt, die Ziele einseitig vorzugeben, wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam sei. Die Klausel ermögliche es der Arbeitgeberin, die vertraglich vereinbarte Rangfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu unterlaufen. So könne die Arbeitgeberin – die Wirksamkeit der Klausel unterstellt – die Verhandlungen über eine Zielvereinbarung grundlos verweigern oder abbrechen. Die Konkretisierung und Gewichtung der Ziele oblägen in diesem Fall ausschließlich der Arbeitgeberin. Der Arbeitnehmer habe keine Möglichkeit, dies zu verhindern. Hierin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass Verträge und die sich aus ihnen ergebenden Verpflichtungen für jede Seite bindend seien. Zudem führe die Klausel bereits im Vorfeld einer Verhandlung zu einem unangemessenen Druck für den Arbeitnehmer, zur Vermeidung einer einseitigen Zielvorgabe durch die Arbeitgeberin deren Vorschläge auch dann zu akzeptieren, wenn die eigenen Vorstellungen davon abweichen, so das BAG.

Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ging das BAG davon aus, dass der Kläger die vereinbarten Ziele erreicht hätte, da keine entgegenstehenden Anhaltspunkte ersichtlich gewesen seien. 

Praxishinweis

Die Entscheidung des BAG zeigt eindrücklich, dass eine Umgehung der Verhandlungspflicht zu Zielvereinbarungen durch einseitige Zielvorgaben des Arbeitgebers auch dann nicht möglich ist, wenn der Arbeitgeber sich dies vertraglich ausdrücklich vorbehält. 

Sieht der Arbeitsvertrag eine Zielvereinbarung vor, hat der Arbeitgeber – möchte er Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers vermeiden – mit diesem ernsthaft und zeitnah über die zu erreichenden Ziele zu verhandeln und dies zu dokumentieren. Im Rahmen dieser Verhandlungen muss dem Arbeitnehmer eine angemessene Mitwirkungsmöglichkeit eingeräumt werden. Sollte der Arbeitnehmer sich auf Vorschläge zu realistischen Zielen nicht einlassen, so kann dieses Verhalten im Rahmen einer möglichen gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen als Entlastungsnachweis für den Arbeitgeber dienen.

Alternativ können Arbeitgeber bereits arbeitsvertraglich eine einseitige Zielvorgabeklausel vereinbaren, die dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB einräumt. Diese einseitige Leistungsbestimmung unterliegt aber der vollständigen gerichtlichen Kontrolle.

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