Update Arbeitsrecht Juli 2021
Anrechnung anderweitigen Verdienstes bei unwiderruflicher Freistellung nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages
BAG 23.02.2021 - 5 AZR 314/20
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in einem jüngeren Fall über die Frage zu entscheiden, ob sich ein Arbeitnehmer nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages in der Phase einer unwiderruflichen Freistellung von seiner Arbeitspflicht etwaige, im Rahmen einer anderweitigen Tätigkeit erzielte Einkünfte auf eine vom Arbeitgeber fortgezahlte Vergütung anrechnen lassen muss. Das BAG hat hierzu eine für Arbeitgeber günstige Entscheidung getroffen.
Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer einigte sich mit der beklagten Arbeitgeberin nach dem Austausch zweier Vertragsentwürfe Mitte September 2018 auf einen Aufhebungsvertrag. In diesem Vertrag war die unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung seiner bisherigen Vergütung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2019 vorgesehen. Gleichzeitig sollten alle noch offenen Urlaubsansprüche sowie Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto angerechnet werden. Gemäß einer ebenfalls im Aufhebungsvertrag vereinbarten „Sprinterklausel“ hatte der Arbeitnehmer daneben das Recht, sich zu einem selbst gewählten Zeitpunkt mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen vor dem 30. April 2019 vorzeitig vom Arbeitsvertrag zu lösen. Soweit der Arbeitnehmer dieses Recht in Anspruch nähme, wurde der Arbeitgeber zur Zahlung einer im Vergleich zur Vergütung durchschnittlich geringeren Abfindung verpflichtet. Während der Zeit der Freistellung nahm der Kläger eine Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen auf und zeigt dies gegenüber der Beklagten an, ohne von der „Sprinterklausel“ Gebrauch zu machen. Die Beklagte stellte die Gehaltszahlungen ein, da sie der Auffassung war, dass sich der Kläger den anderweitig erzielten (höheren) Verdienst anrechnen lassen müsse. Das Landesarbeitsgericht (LAG) als Vorinstanz gab der daraufhin erhobenen Vergütungsklage des Klägers statt.
Entscheidung des Gerichts
Unter Zurückweisung der Sache an das LAG führte das BAG aus, dass die Beklagte trotz Fehlens einer ausdrücklichen Vereinbarung in der Aufhebungsvereinbarung eine Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes auf den Vergütungsanspruch vornehmen dürfe. Hierfür spreche im Besonderen die „Sprinterklausel“. Zum einen wollten die Parteien aufgrund dieser Klausel vorrangig Urlaubsansprüche erfüllen. Zum anderen könne aufgrund dieser Klausel auch ein anderweitiger Verdienst angerechnet werden. Durch die Aufnahme einer „Sprinterklausel“ sei die Beklagte dem Kläger entgegengekommen, indem sie ihm eine Art Sonderkündigungsrecht für den Fall der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit einräume. Hielte man die Anrechnung der durch die Aufnahme der anderweitigen Tätigkeit erzielten (höheren) Vergütung des Klägers für nicht notwendig, führte dies zu dem aus Sicht des Gerichts nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass es für den Kläger überhaupt keinen Anlass gäbe, von der „Sprinterklausel“ Gebrauch zu machen, weil sich seine Vergütung aufgrund der Zahlung der gegenüber seinem Gehalt geringeren Abfindung insgesamt reduzierte. Außerdem seien die Interessen der Parteien zu berücksichtigen. Dem Kläger werde über die Aufnahme der „Sprinterklausel“ Handlungsfreiheit und die freie Berufswahl bei finanzieller Absicherung belassen und die Beklagte werde durch die sie allein treffenden wirtschaftlichen Belastungen der Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung nicht übervorteilt.
Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des BAG verdient methodisch vollends Zustimmung. Denn dass sich die Arbeitgeberseite auf ein Sonderkündigungsrecht mit kurzer Frist bei Wunsch des Arbeitnehmers zur Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit einließe, aber bei Nichtgebrauch von der Klausel die Vergütung an den freigestellten Arbeitnehmer trotz anderweitigem Verdienst weiterzahlen wollte, ist abwegig.
Die Entscheidung ist aber nicht nur für die „juristischen Feinschmecker“ wegen der schulbuchmäßigen Ausführungen des BAG zur Auslegung von Vertragsklauseln interessant, sondern hat auch praktische Auswirkungen. So zeigt sie, dass selbst bei Fehlen einer Vereinbarung zur Anrechnung von Arbeitsentgelt die Arbeitgeberseite im Falle von freigestellten Arbeitnehmern die Vergütung unter Umständen nicht weiterzahlen muss, sofern eine ergänzende Vertragsauslegung eine Anrechnung anderweitiger Vergütungen zulässt.
Freilich sollten sich Arbeitgeber niemals auf die Unsicherheiten einer ergänzenden Vertragsauslegung einlassen. Zum einen wird es sich in der Praxis bei Klauseln in Aufhebungsverträgen nahezu ausschließlich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte, vom Arbeitgeber einseitig zur Verfügung gestellte Vertragsbedingungen (sog. Allgemeine Geschäftsbedingungen) handeln. Insoweit scheint die Übertragbarkeit der hiesigen Entscheidung zweifelhaft, weil zurückbleibende Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen von Gesetzes wegen zu Lasten des die Klausel verwendenden Arbeitgebers gehen. Zum anderen kann bei der Vertragsgestaltung ohne Weiteres vereinbart werden, dass „anderweitiger in der Freistellungsphase erzielter Verdienst angerechnet“ wird.