29.06.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juni 2022

Anspruch des Betriebsrats auf ein Tablet oder Notebook zur Ermöglichung der Teilnahme an Betriebsratssitzung mittels Videokonferenz

LAG Hessen, 16 TaBV 143/21 – Beschluss vom 14.03.2022

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber zur Ermöglichung der Teilnahme seiner Mitglieder an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz die Überlassung von je einem Tablet oder Notebook je Betriebsratsmitglied verlangen, sofern die Voraussetzungen des § 30 Absatz 2 BetrVG vorliegen.

Sachverhalt

In dem vom Hessischen Landesarbeitsgericht am 14. März 2022 entschiedenen Verfahren haben die beteiligten Parteien – ein Betriebsrat und sein Arbeitgeber – darüber gestritten, ob der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, dem Betriebsrat zur Abhaltung von Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen drei Tablets oder Laptops kostenpflichtig zur Verfügung zur stellen.

Nach Auffassung des Betriebsrats habe dieser einen Anspruch auf Zurverfügungstellung der besagten Elektrogeräte gegenüber seinem Arbeitgeber. Der Betriebsrat habe sich eine Geschäftsordnung gegeben, welche die näheren Voraussetzungen des Abhaltens von Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen regelt. Da der Betriebsrat beabsichtige, künftig derartige Videokonferenzen abzuhalten, müsse der Arbeitgeber ihm die hierfür erforderlichen Elektrogeräte zur Verfügung stellen, da der Betriebsrat andernfalls seine Betriebsratstätigkeit nicht ordnungsgemäß ausüben könne. 

Der Arbeitgeber vertrat hingegen die Ansicht, dass er dem Betriebsrat die gewünschten Geräte nicht zur Verfügung stellen müsse und die dauerhafte Überlassung auch unverhältnismäßig wäre. Es bestehe kein Vorrang der Video- vor der Telefonkonferenz, sodass der Betriebsrat seine geplanten Sitzungen auch per Telefonkonferenz abhalten könne. Auch würde die Zurverfügungstellung von Tablets oder Laptops für den Arbeitgeber zu unverhältnismäßigen Kosten führen. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich der Betriebsrat von sachfremden Motiven leiten ließe und hierdurch gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoße, weil die Zurverfügungstellung von Notebooks die Betriebsratstätigkeit unnötig in die Länge ziehen würde. Unzulässig sei auch, dass Betriebsratsmitglieder ihre Betriebsratstätigkeit von zuhause via Videokonferenz ausüben. Schließlich ermögliche § 30 Abs. 2 BetrVG zwar die Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz, gleichwohl statuiere diese Vorschrift keine Verpflichtung zu einer derartigen Durchführung. 

Entscheidung

Das Hessische Landesarbeitsgericht ist – wie bereits die Vorinstanz – der Auffassung des Betriebsrates gefolgt und hat einen Anspruch des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber auf Zurverfügungstellung der geforderten Geräte angenommen.

Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat nach § 40 Abs. 2 BetrVG für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung vom Arbeitgeber in erforderlichem Umfang die Zurverfügungstellung von Informations- und Kommunikationstechnik verlangen.

Das Gericht führt dabei aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Betriebsrat die Prüfung obliegt, zu überprüfen, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Zwar darf er die Entscheidung hierüber nicht allein nach seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten, sondern muss auch die betrieblichen Verhältnisse und die sich stellenden Aufgaben berücksichtigen, indem er das Interesse des Betriebsrates an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamtes mit den berechtigten Interessen des Arbeitgebers abwägt. 

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Hessische Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Betriebsrat im vorliegenden Fall diesen Anforderungen gerecht wurde. Der Betriebsrat hat – wie in § 30 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorausgesetzt – eine Geschäftsordnung beschlossen, welche die Voraussetzungen einer Betriebsratssitzung in Form von Videokonferenzen unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzungen festlegt. 

Auch müsse der Betriebsrat sich nicht auf Telefonkonferenzen verweisen lassen, weil der Wortlaut des § 30 Abs. 2 BetrVG Videokonferenzen ausdrücklich zulasse. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Telefonkonferenzen kostengünstiger wären.

Schließlich sind nach Auffassung des Gerichts die für den Arbeitgeber durch die Zurverfügungstellung der Elektrogeräte entstehenden Kosten auch zumutbar. Das Hessische Landesarbeitsgericht hebt dabei hervor, dass es nicht auf die für den Arbeitgeber entstehenden Gesamtkosten ankommt, sondern auf die Kosten, die dem Arbeitgeber je Betriebsratsmitglied entstehen. Hiervon ausgehend, sind die Kosten für den Arbeitgeber im vorliegenden Fall verhältnismäßig und auch zumutbar. 

Zum Schluss betont das Hessische Landesarbeitsgericht, dass die gewünschten Elektrogeräte dem Betriebsrat auch dauerhaft zur Verfügung zu stellen sind. Insbesondere kann der Betriebsrat nicht darauf verwiesen werden, jeweils beim Arbeitgeber um die Aushändigung der Tablets oder Notebooks zu bitten, wenn er diese benötigt. Die Erforderlichkeit einer Videokonferenz kann sich sehr kurzfristig ergeben, so dass nicht immer gewährleistet ist, dass der betreffende Ansprechpartner auf Seiten des Arbeitgebers, der die Geräte verwahrt, diese sogleich herausgeben kann. Dies gilt umso mehr, wenn diese nicht lediglich verwahrt, sondern von anderen Mitarbeitern in der täglichen Arbeit tatsächlich genutzt werden.

Praxistipp

Die Frage, ob und in welcher Höhe der Arbeitgeber die dem Betriebsrat durch seine Tätigkeit entstehenden Kosten zu tragen und ihm entsprechende Sach- oder Personalmittel zur Verfügung zu stellen hat, ist eine sowohl in der Praxis als auch in der juristischen Literatur immer wiederkehrende Problematik. Durch die Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Digitalisierung der Betriebsratstätigkeit hat diese Frage noch einmal an Bedeutung gewonnen. 

Die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts zeigt erneut, dass der Anspruch des Betriebsrates auf Übernahme der durch seine Tätigkeit entstehenden Kosten aus § 40 Abs. 1 BetrVG sowie auf Zurverfügungstellung von sachlichen Mitteln, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal aus § 40 Abs. 2 BetrVG von der Rechtsprechung nicht sehr restriktiv angewandt wird. Dies zeigt sich insbesondere dadurch, dass dem Betriebsrat die Überprüfung zugestanden wird, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsaufgaben erforderlich ist. 

Da der Betriebsrat bei dieser Überprüfung jedoch auch die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers berücksichtigen muss und die Entscheidungsfindung des Betriebsrates der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist es für Arbeitgeber empfehlenswert, im Falle eines zweifelhaften Verlangens von Betriebsräten auf Kostenübernahme oder Zurverfügungstellung von Sach- und Personalmitteln zu überprüfen, ob diese sich noch in einem angemessenen Rahmen befinden. Die Kasuistik ist in diesen Fragen sehr umfangreich, sodass es sich für Arbeitgeber empfiehlt, bei Zweifeln zur Kostentragungspflicht anwaltlichen Rat aufzusuchen.

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