27.07.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juli 2023

Arbeitgeber muss private Anschriften und dienstliche E-Mail-Adressen der Belegschaftsmitglieder an den Wahlvorstand herausgeben

LAG Berlin-Brandenburg, 21. April 2023 (26 TaBVGa 436/23)

Das LAG Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung vom 21. April 2023 (26 TaBVGa 436/23) mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Arbeitgeber dem Wahlvorstand zur Durchführung einer Briefwahl die privaten Anschriften und dienstlichen E-Mail-Adressen sämtlicher Belegschaftsmitglieder herausgeben muss. Hierbei entschied das LAG, dass dies der Fall ist.

Wahlvorstand beschloss Durchführung einer Briefwahl

Die Arbeitgeberin vertreibt Brillen über ein Internetportal und beschäftigt insgesamt knapp 400 Personen. In ihren ca. 183 Filialen sind jeweils ein bis zwei Arbeitnehmer tätig. In der Zentrale in Königs Wusterhausen sind zwischen 100 und 120 Personen beschäftigt. Weiterhin gibt es eine Verwaltungsstelle mit weniger als fünf Beschäftigten in Bayreuth und ein Entwicklungszentrum in Wuppertal. Ein Teil der Belegschaftsmitglieder ist mit Telearbeitsplätzen oder in mobiler Arbeit beschäftigt. Jeder Arbeitnehmer verfügt über eine eigene dienstliche E-Mail-Adresse.

Zur Durchführung der Betriebsratswahl beschloss der Wahlvorstand für die ganz überwiegende Anzahl der Betriebsstätten und für alle im Homeoffice bzw. in Telearbeit Beschäftigten die Durchführung der Betriebsratswahl als Briefwahl.

Wahlvorstand fordert private Post- und dienstliche E-Mail-Adressen

Zur Durchführung der Briefwahl forderte der Wahlvorstand die Arbeitgeberin auf, ihr die Privatanschriften und dienstlichen E-Mail-Adressen der in Heimarbeit, Telearbeit oder im Homeoffice Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Weiterhin forderte er die Information darüber, welche Beschäftigten ab dem voraussichtlichen Erlass des Wahlausschreibens bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Wahl wegen einer bereits bekannten Arbeitsunfähigkeit, Urlaubs, Mutterschutzes, Elternzeit oder aus anderen Gründen nicht im Hauptbetrieb anwesend sein werden. 

Zur Begründung trug der Wahlvorstand vor, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm die E-Mail-Adressen vorzulegen, da er diese zur Bekanntgabe der Wählerliste und des Wahlausschreibens benötige. Die postalischen Adressen würden benötigt, um die Briefwahlunterlagen entsprechend verschicken zu können. 

Die Arbeitgeberin lehnte die Forderungen des Wahlvorstandes bzgl. der Mitteilung der Privatanschriften und E-Mail-Adressen ab. Der Wahlvorstand sei in der Lage die, aus dem ersten Buchstaben des Vornamens und dem Nachnamen gebildeten, E-Mail-Adressen anhand der Personalliste selbst zu erstellen. Außerdem könnten die Belegschaftsmitglieder über die Filialen und Niederlassungen postalisch erreicht werden. Darüber hinaus käme das pauschale Zur-Verfügung-Stellen der Postadressen einer unzulässigen Vorratsspeicherung gleich. 

Arbeitsgericht stützt Auffassung des Wahlvorstandes

In seinem Beschluss vom 13.04.2023 (3 BVGa 5/23) folgte das Arbeitsgericht Cottbus der Argumentation des Wahlvorstandes und gab der Arbeitgeberin auf die geforderten Informationen zur Verfügung zu stellen.

Hiergegen hat die Arbeitgeberin Beschwerde zum LAG Berlin-Brandenburg eingelegt.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Das LAG Berlin-Brandenburg kam zu dem Ergebnis, dass die Arbeitgeberin die privaten Anschriften und dienstlichen E-Mail-Adressen aller Beschäftigten an den Wahlvorstand herausgeben müsse. Weiterhin müsse die Arbeitgeberin auch Unterlagen darüber zur Verfügung stellen, welche Beschäftigten regelmäßig mobil im Homeoffice oder auf Telearbeitsplätzen arbeiten. 

Arbeitgeber ist nach Wahlordnung zur Herausgabe verpflichtet

Nach Ansicht des LAG sei die Arbeitgeberin hier gemäß § 24 Abs. 3 S. 2 WO iVm. § 24 Abs. 2 S. 2 WO zur Herausgabe der Privatanschriften und dienstlichen E-Mail-Adressen verpflichtet soweit der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe beschlossen hat. 

Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn die Arbeitgeberin geltend machen könne, dass eine nichtige Betriebsratswahl betrieben werde. Ein solcher Ausnahmefall liegt nur vor, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen wird, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. 

So lag der Fall vorliegend nicht. Vielmehr war der Wahlvorstand bereits gemäß § 24 Abs. 3 S. 2 WO iVm. § 24 Abs. 2 S. 1 WO verpflichtet den betroffenen, abwesenden Belegschaftsmitgliedern die Unterlagen unaufgefordert zuzusenden. Hierfür benötige er die entsprechenden Informationen seitens der Arbeitgeberin, um zu überprüfen bei welchen Wahlberechtigten bekannt sei, dass diese zum Zeitpunkt der Wahl nicht im Betrieb anwesend sein werden. Da der Wahlvorstand auf Verlangen der übrigen Belegschaftsmitglieder ebenfalls verpflichtet sei die Wahlunterlagen sehr kurzfristig zu übersenden, treffe die Arbeitgeberin auch bezüglich der übrigen Belegschaftsmitglieder eine Herausgabepflicht. Dem Wahlvorstand könne nicht zugemutet werden bzgl. jedes einzelnen Antrages bei der Arbeitgeberin vorstellig zu werden.

Herausgabe datenschutzrechtlich zulässig

Die Herausgabe der Privatanschriften, der dienstlichen E-Mail-Adressen und der Angaben über die Abwesenheit der Mitarbeiter sei nach Ansicht des LAG auch datenschutzrechtlich zulässig. Der Wahlvorstand benötige die Angaben zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WO obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen. Dies mache die Datenübermittlung durch die Arbeitgeberin und die anschließende Datenverarbeitung durch den Wahlvorstand gem. § 26 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BDSG ohne Einwilligung der Beschäftigen datenschutzrechtlich zulässig. Dies gelte auch soweit sensible Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO, wie die Angabe der Arbeitsunfähigkeit, betroffen seien. 

Fazit

Die Entscheidung begründet überzeugend die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Herausgabe der notwendigen Informationen an den Wahlvorstand. Insoweit lobenswert ist auch die obligatorische Auseinandersetzung mit den datenschutzrechtlichen Implikationen. Die Entscheidung hilft Streitpunkte im Vorfeld einer Briefwahl auszuräumen und trägt so zu einer zügigen und ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratswahl im Interesse aller Beteiligten bei. Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber, bei denen die Durchführung einer Briefwahl wahrscheinlich ist, Vorkehrungen treffen, um etwaige Auskunftsverlangen des Wahlvorstandes bearbeiten zu können.

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