25.07.2018Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juli 2018

Ausgleichsanspruch für nicht genommenen Urlaub: EuGH Urteil vom 29. November 2017

Der EuGH hat mit Urteil vom 29.11.2017 – C-214/16 (Conley King / Sash Window Workshop Ltd, Richard Dollar) seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht präzisiert. Danach kann ein Arbeitnehmer nicht genommenen Jahresurlaub unbegrenzt auf die Folgejahre übertragen, wenn der Arbeitgeber es ihm nicht ermöglicht, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.

Hintergrund

2009 hat der EuGH entschieden, dass ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht untergeht, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet an der Ausübung des Urlaubs gehindert war (EuGH, 20.01.2009 – C-350, 520/06 – Schulz-Hoff). Nur wenn ein Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht nehmen konnte – mithin den Arbeitgeber kein Verschulden trifft –, soll letzterer vor zu langen Abwesenheitszeiten des Arbeitnehmers geschützt werden. Daher hat der EuGH in der Rs. KHS ein Ansammeln von Urlaubsansprüchen auf 15 zusätzliche Monate begrenzt (EuGH, 22.11.2011 – C-214/10).
Der EuGH-Entscheidung vom 29.11.2017 lag folgender britischer Sachverhalt zugrunde: Herr King arbeitete 13 Jahre bis zu seinem Ruhestand für die „The Sash Window Workshop“ (SWW) auf der Basis eines „Selbständigen-Vertrags ausschließlich gegen Provision“. Für genommenen Jahresurlaub erhielt er keine Bezahlung. Nach Beendigung seines Anstellungsverhältnisses verklagte er SWW auf Vergütung für genommenen, aber nicht bezahlten, und für nicht genommenen Jahresurlaub für die gesamte Dauer seiner Beschäftigung. Vor den britischen Gerichten wurde die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers von den Parteien unstreitig gestellt.
Der EuGH hatte in dem Vorlageentscheidungsverfahren zwei Kern-Fragen zu klären: Zum einen, ob ein Arbeitnehmer erst seinen Urlaub nehmen muss, bevor er feststellen lassen kann, ob er für diesen Urlaub einen Anspruch auf Vergütung hat. Zum anderen sollte geklärt werden, ob der Urlaubsanspruch und damit auch der Ausgleichsanspruch für nicht genommenen Urlaub verfällt, wenn der Arbeitgeber vorwerfbar dem Arbeitnehmer den Urlaub nicht ermöglicht hat.
Nach dem EuGH-Urteil gebietet Art. 7 der RL 2003/88/EG, dass ein Arbeitnehmer Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ansammeln kann, die er in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht ausgeübt hat. Auf vorliegenden Sachverhalt sei die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Übertragbarkeit krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaubs nicht übertragbar. Denn bei langfristiger krankheitsbedingter Abwesenheit des Arbeitnehmers treffe den Arbeitgeber – anders als hier – kein Verschulden bezüglich des nicht genommenen Urlaubs, weshalb er vor einer Ansammlung von Urlaubsansprüchen zu schützen sei. Profitiere aber der Arbeitgeber in ungerechtfertigter Weise davon, dass der Arbeitnehmer keinen Jahresurlaub nehme, sei er vor einer Ansammlung von Urlaubsansprüchen nicht zu schützen. Dem Arbeitgeber obliege vielmehr die Pflicht, sich umfassend über seine Verpflichtungen im Bereich des bezahlten Jahresurlaubs zu informieren. Negative Folgen aus der Verweigerung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub habe der Arbeitgeber dann selbst zu tragen.

Fazit

Für die Praxis bedeutet das Urteil eine weitere Haftungsverschärfung für Arbeitgeber im Bereich der Scheinselbständigkeit. Arbeitgeber sollten sich daher vor dem Abschluss entsprechender Verträge dringend anwaltlich beraten lassen, um die bestehenden Haftungsrisiken zu erkennen und zu minimieren.

 

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