04.08.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2015

BAG kippt übliche „Spätehenklausel“

BAG, Urteil vom 4.8.2015 – 3 AZR 137/13
PM Nr. 40/15

Eine Regelung, nach der eine Hinterbliebenenrente nur dann beansprucht werden kann, wenn der verstorbene Mitarbeiter die Ehe vor Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat, ist wegen Altersdiskriminierung unwirksam.

Viele Versorgungsordnungen zur betrieblichen Altersversorgung enthalten so genannte „Spätehenklauseln“. Danach soll eine Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen sein, wenn die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft in hohem Alter – z. B. nach Vollendung des 60. Lebensjahres des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers – geschlossen wurde. Der Sinn einer solchen Regelung liegt auf der Hand: Mit dem höheren Alter steigt das Todesfallrisiko. Heiraten Arbeitnehmer in fortgeschrittenem Alter eine – oftmals deutlich jüngere – Frau, kommen auf Arbeitgeber im Todesfall signifikante Zahlungsverpflichtungen für die Hinterbliebenenversorgung zu. Es ist ein legitimes Ziel des Arbeitgebers, die Kosten der Hinterbliebenenversorgung in Grenzen zu halten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat „Spätehenklauseln“ bislang anerkannt. Diese Rechtsprechung hat der zuständige 3. Senat mit der bisher nur als Pressemitteilung veröffentlichten Entscheidung gekippt.

Der Sachverhalt

Geklagt hatte die Witwe eines 2010 verstorbenen Mannes. Dessen ehemaliger Arbeitgeber hatte sich geweigert, der Frau eine Hinterbliebenenrente zu zahlen. Dabei berief er sich auf die „Spätehenklausel“ in der Pensionsregelung. Nach dieser Regelung ist zusätzliche Voraussetzung für die Zahlung der Witwenrente, dass der versorgungsberechtigte Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat. Diese Voraussetzung erfüllte der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht. Die Ehe hatte der Mann erst im Alter von 61 und damit zu spät geschlossen, so die Ansicht des beklagten Arbeitgebers, die auch die Vorinstanzen teilten. Erst auf die Revision der Witwe hin entschieden die Bundesrichter in ihrem Sinne und sprachen der Witwe die Hinterbliebenenversorgung zu.

Wie der 3. Senat nun entschied, ist die „Spätehenklausel“ nach § 7 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unwirksam, weil sie den verstorbenen Ehemann unmittelbar wegen des Alters benachteilige. Diese Diskriminierung sei auch nicht nach anderen Vorschriften des AGG gerechtfertigt. Zwar lässt § 10 S. 3 Nr. 4 AGG bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Unterscheidungen nach dem Alter unter erleichterten Voraussetzungen zu. Diese Vorschrift erfasst aber nach ihrem Wortlaut, soweit es um Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geht, nur die Alters- und Invaliditätsversorgung und nicht die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwen-/Witwerversorgung. Eine Rechtfertigung nach dieser Vorschrift kommt daher weder direkt noch analog in Betracht. Die „Spätehenklausel“ führe zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, so das Urteil. Das BAG verpflichtete den Arbeitgeber daher, an die Witwe eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.

Fazit

„Spätehenklauseln“ sind in der Praxis weit verbreitet. Zur Vermeidung unerwarteter Zahlungsverpflichtungen ist Arbeitgebern zu empfehlen, die eigene Versorgungsordnung zu prüfen und ggf. anzupassen. Das legitime Ziel des Arbeitgebers, die Kosten der Hinterbliebenenversorgung in Grenzen zu halten und „Versorgungsehen“ auszuschließen, kann durch Altersabstandsklauseln und Regelungen zur Mindestdauer der Ehe erreicht werden.

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