18.03.2019Fachbeitrag

Update Compliance 4/2019

BGH hält Übergangsvorschrift zur Vermögensabschöpfung für verfassungswidrig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hält eine Übergangsvorschrift des vor zwei Jahren eingeführten Gesetzes zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung für verfassungswidrig und hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen. Im Kern geht es um die Frage, ob Erträge aus Straftaten rückwirkend eingezogen werden dürfen, obwohl die Straftat bereits vor dem Inkrafttreten der Reform verjährt war.

Das Landgericht Oldenburg hatte zwei Angeklagte von Vorwürfen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz freigesprochen. Allerdings hatte es gegen die beiden von den Angeklagten geleiteten Unternehmen die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Zwar hätten sich die beiden Angeklagten gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG bzw. der Beihilfe hierzu strafbar gemacht. Die Straftaten seien aber aufgrund der ab dem 31. Juli 2016 eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht mehr verfolgbar. Gleichwohl sei gegen die nebenbeteiligten Unternehmen der Angeklagten auf die Einziehung von Taterträgen zu erkennen. Denn seit dem Inkrafttreten der neuen Regelungen zur Vermögensabschöpfung mit Wirkung zum 01. Juli 2017 können Gerichte und Staatsanwaltschaften auch Erträge aus verjährten Straftaten einziehen. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB sei das neue Recht auch auf solche Taten anwendbar, die vor dem Inkrafttreten begangen worden und verjährt seien.

Nach dem alten Recht hingegen war die Einziehung des Tatertrages nur dann zulässig, wenn wegen der Straftat eine bestimmte Person noch verurteilt werden konnte. Andernfalls schied die Einziehung aus.

Mit der Regelung des Art. 316h Satz 1 EGStGB wollte der Gesetzgeber erreichen, dass sich Straftäter auch dann nicht ihrer Beute sicher sein können, wenn die Tat strafrechtlich bereits verjährt ist und nicht mehr verfolgt werden kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte das sogar für solche Fälle gelten, in denen die Straftat bereits vor dem Inkrafttreten der Reform verjährt war.

Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass er an der Neuregelung keine grundsätzlichen Zweifel habe. Lediglich die Regelung, dass Vermögen aus Straftaten eingezogen werden kann, die bei Inkrafttreten der Reform bereits verjährt waren, verstoße nach Auffassung des BGH gegen das in der Verfassung verankerte Verbot echt rückwirkender Gesetze. Das Ziel, das der Gesetzgeber mit dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht verfolge, strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen zukunftsbezogen zu beseitigen, eröffne ihm einen weiten – freilich nicht unbegrenzten – Gestaltungsspielraum. Dieses Ziel legitimiere indes für sich noch kein echt rückwirkendes Gesetz. Deshalb hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und die Übergangsvorschrift zur Vermögensabschöpfung (§ 316h Satz 1 EGStGB) dem BVerfG vorgelegt. Das BVerfG wird nunmehr über die Verfassungsmäßigkeit der Norm entscheiden müssen.

Eine Rechtsnorm entfaltet „echte“ Rückwirkung, wenn der Gesetzgeber rückwirkend in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingreift, die Rechtsfolgen des Gesetzes also für einen vor der Verkündung beendeten Tatbestand gelten sollen. Die echte Rückwirkung ist grundsätzlich ausgeschlossen und nur in streng umrissenen Ausnahmefällen zulässig. Nur zwingende Gründe des Gemeinwohls oder ein nicht mehr vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen können eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Rückwirkung von Gesetzen rechtfertigen.

Praxishinweis

Die Übergangsvorschrift des § 316h Satz 1 EGStGB hat in der Praxis schon vor der Entscheidung des BGH erhebliche Kritik erfahren. Der BGH hat sich der Kritik angeschlossen und seine Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Regelung geäußert. Jetzt liegt es am BVerfG zu entscheiden, ob die Einziehung von Taterträgen aus Straftaten, die bereits Mitte 2017 verjährt waren, zulässig ist. Die Entscheidung ist nicht nur für die Täter, sondern auch für Dritte wie etwa Unternehmen, die unter Umständen wirtschaftlich von der Tat profitiert haben, von enormer Bedeutung. Sollte das BVerfG die Regelung als verfassungsgemäß ansehen, dürfen sowohl Gerichte als auch Staatsanwaltschaften Taterträge aus den vergangenen 30 Jahren einziehen. Dies stellt ein signifikantes – teilweise sogar existenzgefährdendes Risiko – für Unternehmen dar, selbst wenn einzelne Unternehmen gegen den Täter schon (arbeits-, straf- und/oder zivilrechtliche) Konsequenzen ergriffen haben.

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