Update Compliance 17/2021
BGH: Zahlung an die Anteilseigner eines Unternehmens ist keine Bestechung
Wer einem Angestellten oder Beauftragten für die Bevorzugung im geschäftlichen Verkehr „schmiert“, macht sich nicht wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr strafbar, wenn die Gesellschafter des Unternehmens damit einverstanden sind. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Sachverhalt
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der geschäftsführende Alleingesellschafter einer Holzhandelsfirma wurde vom Landgericht Hamburg wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) in 46 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Angeklagte hatte an die Vorstände von afrikanischen Forstunternehmen als „Provisionen“ bezeichnete Gelder gezahlt. Die Aktionäre der Forstunternehmen, die jeweils als Aktiengesellschaften ausgestaltet waren, waren überwiegend Mitglieder einer Familie, zu der der Angeklagte in einer engen Beziehung stand. Die gesellschaftlichen Verhältnisse waren ihm auch bekannt. Der Angeklagte zahlte die „Provisionen“, um den Handel zu sichern und gegenüber Konkurrenten bevorzugt zu werden.
Das Landgericht führte in seiner Entscheidung aus, die handelnden Organe einer Gesellschaft seien mit dieser nicht identisch, sodass es sich verbiete, die Organe einer Aktiengesellschaft im Kontext des § 299 StGB als Unternehmensinhaber anzusehen. Es sei unerheblich, ob sämtliche Gesellschafter der familiengeführten Firmen mit den Provisionszahlungen einverstanden gewesen seien. Die Pflichtwidrigkeit der Handlung sei kein Tatbestandsmerkmal, sodass eine Einwilligung auch keine rechtfertigende Wirkung haben könne.
Die Entscheidung
Der 1. Strafsenat des BGH hob das Urteil weitestgehend auf und nahm seine Entscheidung zum Anlass, Stellung zu zwei grundsätzlichen Fragestellungen zu nehmen: Zum einen stellt der Senat klar, dass Inhaber des Betriebs im Sinne des § 299 StGB a.F. (bzw. des Unternehmens i.S.d. § 299 StGB n.F.) bei juristischen Personen die Anteilseigner seien. Außerdem führt er aus, dass, wer einem Angestellten oder Beauftragten einer juristischen Person einen Vorteil für seine Bevorzugung im geschäftlichen Verkehr gewähre, sich nicht wegen Bestechung strafbar mache, wenn die Anteilseigner mit dieser Zuwendung – vergleichbar den zur Untreue (§ 266 StGB) entwickelten Grundsätzen – einverstanden seien.
Der BGH begründet die Aufhebung des Strafausspruchs damit, das Landgericht habe sich nicht mit der naheliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte die Provisionen an die Holzlieferanten in deren Stellung als Aktionäre mit jeweiliger Zustimmung der anderen Anteilseigner, die sämtlich Familienmitglieder seien, und nicht als „beauftragte“ Leitungsorgane geleistet habe. In diesem Fall wären die Zuwendungen an die Geschäftsinhaber gegangen und wären somit keine rechtswidrigen und strafbaren Handlungen gewesen. § 299 Abs. 2 StGB stellt nur die Vorteilszuwendung an einen Angestellten oder Beauftragten des Unternehmens unter Strafe. Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber sind vom Gesetzeswortlaut nicht erfasst. Der Senat führt aus, der Geschäftsinhaber dürfe nach dem Prinzip der Privatautonomie innerhalb der der Vertragsfreiheit gesetzten Grenzen Verträge nach Belieben schließen, bestimmte Anbieter bevorzugen und sich dabei von unsachlichen Motiven leiten lassen. Schließe er selbst die Geschäfte ab, sei seine Entscheidungsfreiheit nicht verletzt. § 299 StGB schütze den Geschäftsherrn davor, dass der für ihn tätig werdende Bestochene nicht mehr nach wettbewerblichen Kriterien, sondern zu seinem Nachteil handele. Der Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber könne daher als geschützte Person nicht zugleich Täter sein.
Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber sei derjenige, dem der Betrieb gehöre. Bei einer Einzelfirma sei das der Einzelkaufmann, bei einer Personengesellschaft die Gesellschafter. Geschäftsinhaber einer Aktiengesellschaft seien die Aktionäre, da durch ihre Mehrheitsbeschlüsse die Grundlagenentscheidungen für die juristische Person getroffen und bestimmt werden. Die rechtliche Selbständigkeit der AG, die selbst Vermögensträgerin ist, stehe dem nicht entgegen.
Der BGH bezieht sich hierzu auf seine Rechtsprechung zur Untreuestrafbarkeit zu Lasten einer Aktiengesellschaft bzw. GmbH, wonach das Einverständnis der Gesamtheit der Gesellschafter die Tatbestandsmäßigkeit einer für die Gesellschaft nachteiligen Handlung bis zur Grenze des für die Gesellschaft wirtschaftlich Vertretbaren ausschließt. Gleiches gelte im Rahmen der Bestechungsstrafbarkeit.
Einordnung der Entscheidung
Der Senat hat mit seiner Entscheidung die Schutzrichtung des § 299 StGB verdeutlicht und die Strafbarkeit auf die Fälle beschränkt, die der Gesetzgeber bei Schaffung des Straftatbestands sanktionieren wollte. Das Verbot der Bestechung im geschäftlichen Verkehr dient in erster Linie dem Schutz des freien Wettbewerbs. Mit Erweiterung des Tatbestands um die pflichtenbezogene Korruption (Ziffer 2 in Absatz 1 und Absatz 2) wurde eine Parallele zum Untreuetatbestand geschaffen, wodurch zunächst unklar war, ob durch § 299 StGB auch die Vermögensinteressen des Dienstherrn geschützt werden sollen, wie es bei der Untreue der Fall ist. Hierzu bezieht der BGH nun deutlich Stellung und hebt in seiner Entscheidung hervor, dass § 299 StGB auch dem Schutz des Geschäftsherrn vor unlauteren Handeln seiner Beschäftigten diene.
Mit seiner Entscheidung engt der BGH die Anwendbarkeit des Tatbestandes insgesamt ein, indem er es in die Dispositionsbefugnis des Unternehmensinhabers stellt, ob dieser das „Schmierenlassen“ seiner Mitarbeiter duldet oder eben nicht. In der Verfolgungspraxis hat sich bereits seit Längerem die Ansicht herausgebildet, dass Zuwendungen an Mitarbeiter in Kenntnis des Geschäftsherrn jedenfalls die „Unlauterkeit“ als strafbegründendes Merkmal entfallen ließen. Damit wird das „Schmieren“ von Mitarbeitern in Kenntnis des Unternehmensinhabers ebenso straflos gestellt wie das „Schmieren“ des Unternehmensinhabers selbst.
Diese Gleichstellung ist vor dem Hintergrund der Privatautonomie und des Vermögensschutzes zugunsten des Unternehmensinhabers zu begrüßen. Nicht zu verkennen ist allerdings, dass der Wettbewerbsschutz durch § 299 StGB mit dieser Entscheidung des BGH deutlich in den Hintergrund tritt.
Compliance-Praxishinweis
Die Entscheidung stellt zwar klar, dass der Unternehmensinhaber entscheiden soll, ob seine Mitarbeiter in strafbarer Weise bestochen werden können oder nicht. Ob der Unternehmensinhaber, insbesondere im Zweifel alle Gesellschafter, im Einzelfall allerdings der Vorteilszuwendung an die eigenen Mitarbeiter zustimmt, weiß man zumeist nicht vorher. Insoweit bestehen in der Praxis erhebliche Unsicherheiten, ob die Zuwendung im Einzelfall zulässig ist oder sogar strafbar. Strategisch müssen sich Unternehmen ohnehin entscheiden, ob sie Zuwendungen, wie sie der besprochenen Entscheidung des BGH zugrunde lagen, überhaupt zulassen möchten. Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr unterliegen ohnehin vergleichsweise hohen Anforderungen, insbesondere im Vergleich zur Amtsträgerkorruption. Für die Corporate Compliance ist die Entscheidung des 1. Strafsenats also rechtlich durchaus kein "Freibrief" für Einladungen, Geschenke und sonstige Zuwendungen im geschäftlichen Verkehr.