29.07.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juli 2024

BGH zum rückwirkenden Verfall der Karenzentschädigung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eines GmbH-Geschäftsführers

BGH, Urteil vom 23.04.2024 – II ZR 99/22

In seiner Entscheidung vom 23. April 2024 (Az.: II ZR 99/22) setzte sich der Bundesgerichtshof (BGH) abermals mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auseinander und entschied im Rahmen dessen erstmalig zum rückwirkenden Verfall einer Karenzentschädigung.

Sachverhalt

Der BGH hatte noch über die Widerklage des Beklagten zu entscheiden, mit der dieser die Klägerin unter anderem auf Zahlung von Karenzentschädigung in Anspruch nahm. 

Der Beklagte war Geschäftsführer der klagenden GmbH und unterlag einem zweijährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gegen Zahlung einer Karenzentschädigung. Daneben vereinbarten die Parteien im Anstellungsvertrag den Wegfall der Karenzentschädigung ex tunc (von Anfang an) für den Fall, dass der Beklagte gegen das Wettbewerbsverbot verstoße. Zudem sah die Vereinbarung für den Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot vor, dass der Beklagte die bereits gezahlte Karenzentschädigung an die Klägerin zurückzuzahlen habe.

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 31. Mai 2012 rief die Klägerin den Beklagten als Geschäftsführer ab. Zeitgleich widersprachen die Gesellschafter der Klägerin einer Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses mit dem Beklagten und erklärten vorsorglich dessen ordentliche Kündigung. Die seit dem 31. Mai 2012 monatlich fällig werdenden Entschädigungszahlungen leistete die Klägerin nicht. Ab dem 17. Juni 2013 war der Beklagte als Geschäftsführer für ein Konkurrenzunternehmen im Sinne der Verbotsklausel tätig.

Das Landgericht Berlin hatte die Widerklage vollständig abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Kammergericht der Widerklage teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht stellte fest, dass der Beklagte zwar gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe, der rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung jedoch gegen das Übermaßverbot verstoße.

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit der Revision.

Die Entscheidung des BGH

Der II. Zivilsenat des BGH hat das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt und die Widerklage des Beklagten vollumfänglich abgewiesen. Mit dem Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei auch der Anspruch auf die Karenzentscheidung rückwirkend entfallen.

Zunächst stellt der BGH in aller Kürze die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes fest. Das streitgegenständliche Wettbewerbsverbot unterliege keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass es sich bei dem Wettbewerbsverbot um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele.

Auch der rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung belaste den Beklagten nach Auffassung des Senats nicht unbillig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bestehe keine Verpflichtung, dem Geschäftsführer einer GmbH, mit dem ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wird, eine Karenzentschädigung zu zahlen. Wird eine solche Karenzentschädigung dennoch versprochen, könnten die Parteien deren Höhe frei vereinbaren. Konsequenterweise könne dann auch der rückwirkende Wegfall einer versprochenen Karenzentschädigung wirksam für den Fall vereinbart werden, dass der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt.

Eine anderweitige Betrachtung ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass die Karenzentschädigung – so der Beklagte – als Einkommensersatzleistung ausgestaltet sei, die billigerweise nicht rückwirkend genommen werden dürfe. Einem solchen Verständnis stehe jedenfalls – so wie im vorliegenden Fall – eine vertragliche Regelung entgegen, nach der es der Gesellschaft erlaubt sei, einseitig auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten.

Hiervon abgesehen sei eine geltungserhaltende Reduktion der vertraglichen Bestimmung, nach der nur der rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung unwirksam, das Wettbewerbsverbot und die Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung im Übrigen aber wirksam wäre, unzulässig. Denn im Wege der geltungserhaltenden Reduktion könne ausschließlich ein die zeitlichen Schranken übersteigendes Wettbewerbsverbot auf das noch zu billigende zeitliche Maß zurückgeführt werden.

Zudem wäre bei Nichtigkeit des rückwirkenden Wegfalls der Karenzentschädigung entsprechend § 139 BGB im Zweifel auch das gesamte nachvertragliche Wettbewerbsverbot hinfällig. Denn es fehle an der Feststellung, dass die Parteien das Wettbewerbsverbot auch ohne die Verfallsregelung vereinbart hätten.

Letztlich führe auch die Nichtleistung der monatlich fälligen Entschädigungszahlungen nicht dazu, dass sich die Klägerin nach Treu und Glauben nicht auf den rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung berufen könne. Anderes könne nur gelten, sofern die Klägerin den Beklagten durch ernsthafte und endgültige Zahlungsverweigerung zur Aufnahme der Konkurrenztätigkeit „herausgefordert“ hätte.

Auswirkungen für die Praxis

Der II. Zivilsenat des BGH bestätigt mit dieser Entscheidung – trotz zahlreicher entgegenstehender Stimmen in der Literatur – seine bisherige Rechtsprechung, nach der bei der Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für GmbH-Geschäftsführer keine Verpflichtung besteht, die Zahlung einer Karenzentschädigung vorzusehen. Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, den rückwirkenden Verfall einer – freiwillig vereinbarten – Karenzentschädigung im Falle eines Verstoßes gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot für wirksam zu erachten.

Hierdurch werden die bei der Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote von Geschäftsführern ohnehin bestehenden großzügigen Gestaltungsspielräume nochmals erweitert. Die Vereinbarung des rückwirkenden Verfalls bei einem Verstoß könnte hierbei je nach Verhandlungsverlauf eine geeignete Kompromisslösung darstellen. Jedenfalls sollten Unternehmen für den Fall, dass die Zahlung einer Karenzentschädigung vereinbart wird, künftig darauf hinwirken, auch eine Regelung zum rückwirkenden Verfall bei Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mitaufzunehmen.   

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