20.08.2021Fachbeitrag

Update Compliance 15/2021

BGH zur Einziehung von Gewinnen bei Aktiengeschäften durch Marktmanipulation

Bei rein informationsgestützter Marktmanipulation umfasst das vom Staat einzuziehende „Erlangte“ lediglich die durch die Manipulation verursachte Wertsteigerung. Bei handelsgestützter Marktmanipulation ist hingegen der gesamte Erlös aus nachfolgenden Aktienverkäufen abzuschöpfen. Das hat der BGH mit Beschluss vom 25. Februar 2021 (Az. 1 StR 423/20) entschieden.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Angeklagten hatten in den Jahren 2010 und 2011 Aktien durch unrichtige Angaben bewerben lassen und dadurch einen Anstieg des Börsenpreises der Aktien erzielt. Die Angeklagten veräußerten die Aktien anschließend gewinnbringend.

Das Landgericht Mannheim hatte die beiden Angeklagten jeweils wegen sogenannter „informations- und handlungsgestützter“ Marktmanipulation nach §§ 38 Abs. 2 Nr. 1, 39 Abs. 2 Nr. 11, 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG a.F. zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und acht Monaten beziehungsweise von zwei Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes der Taterträge von über EUR 2,6 Mio. bzw. EUR 400.000,00 angeordnet. Die eingezogenen Werte entsprachen den Erlösen, die die Angeklagten durch Veräußerung der Aktien im Nachgang zur Marktmanipulation erzielten. Hiergegen legten die Angeklagten erfolgreich Revision ein.

Der BGH reduzierte die Einziehungsentscheidung auf knapp EUR 850.000,00 bzw. EUR 65.000,00. Dem Senat zufolge sei nur bei einem Verstoß gegen das Verbot handelsgestützter Marktmanipulation (§§ 38 Abs. 2 Nr. 1, 39 Abs. 1 Nr. 1, 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a.F.) der gesamte Verkaufserlös der Aktien einzuziehen. In Fällen der informations- oder handlungsgestützter Marktmanipulation sei allein die Wertsteigerung der Aktien im Vermögen der Tatbeteiligten infolge ihrer strafbaren Einwirkung auf den Markt abzuschöpfen. Der anschließende Aktienverkauf sei hingegen nicht mehr tatbestandlich. Die Wertsteigerung könne jedoch regelmäßig durch den Veräußerungsgewinn bestimmt werden.

Grund für diese Differenzierung sei der Zweck der Einziehung, welcher in der Abschöpfung gerade des Vermögens liege, welches durch die Tat erlangt wurde.

Einordnung der Entscheidung

Der Senat hat mit seinem Beschluss die vom BGH schon länger verfolgte Richtung der Wertermittlung von Vermögensvorteilen, die durch strafbare Marktmanipulationen erlangt wurden, weiter bekräftigt. Bereits im Beschluss vom 14.10.2020, Az. 5 StR 229/19, hatte der BGH durch den 5. Senat ausführlich hierzu Stellung genommen.

Die aus einer Straftat einem Täter entstandenen materiellen Vorteile werden nach den §§ 73 ff. StGB eingezogen, um sie ihm zu entziehen und die Schäden, die Opfer ggf. erlitten haben, auszugleichen. Von der Einziehung sollen die Vorteile erfasst werden, die der Täter oder Teilnehmer nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht hätte erlangen und behalten dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterliegen die Vermögensvorteile der Abschöpfung, die dem Täter gerade durch die strafbedrohte Handlung zugeflossen sind (Vgl. BGH, Urt. vom 27.11.2013 - 3 StR 5/13).

Die Vermögensvorteile sind dem Täter oder Tatbeteiligten durch die rechtswidrige Tat zugeflossen, wenn die Tat nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die strafrechtliche Bereicherung durch den Vermögensvorteil entfiele. Fließen dem Täter Vermögensvorteile erst durch weitere, nicht mehr tatbestandsmäßige Handlungen oder Rechtsgeschäfte zu, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang. Der Senat unterscheidet insofern bei der Bestimmung des durch Marktmanipulation „Erlangten“ im Rahmen der Vermögensabschöpfung danach, auf welche Weise der Täter den Vermögensvorteil erlangt hat.

Bei der sogenannten informationsgestützten Marktmanipulation besteht die strafbare Handlung in der Veröffentlichung falscher und irreführender Informationen oder Gerüchte, z.B. durch übertriebene Werbung, Scalping, falsche Ad hoc-Mitteilungen oder die Veröffentlichung falscher Jahresabschlüsse oder Gewinnerwartungen. Handlungsgestütze Manipulation bezeichnet solche Handlungen, die auf tatsächliche Umstände wie die Stilllegung der Produktion eines Unternehmens zur vorübergehenden Senkung des Aktienwertes einwirken und dadurch den Markt beeinflussen.

In den Fällen informations- und handlungsgestützter Marktmanipulation ist die rechtswidrige Einwirkung auf den Aktienpreis durch Falschinformation oder Einflussnahme auf äußere Umstände ursächlich für den dadurch erreichten höheren Wert der Aktien. Deshalb soll (nur) die eingetretene Wertsteigerung der Aktien beim Täter eingezogen werden.

Der BGH argumentiert, der anschließende Verkauf der Aktien sei jedoch keine Manipulationshandlung mehr, sodass kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verkaufserlös und der rechtswidrigen Tat angenommen werden kann. Daher sei der Verkaufserlös nicht mehr einzuziehen.

Anders sieht es der BGH in den Fällen sogenannter handelsgestützter Marktmanipulation. Handelsgestützte Manipulation meint marktmanipulatives Verhalten, bei dem allein aufgrund tatsächlichen Handelsverhalten (Ordereinstellungen, Käufe und Verkäufe) auf den Marktpreis eingewirkt wird. So kauft und verkauft beispielsweise ein Investor bei einem „Wash Trade“ gleichzeitig dasselbe Finanzinstrument, um den Eindruck zu erwecken, das Finanzinstrument sei begehrter als es tatsächlich ist. Auch "Layering", "Spoofing", das stetige Einsetzen zu hoher oder zu niedriger Preise ohne Handelsabsicht, "Cornering" oder das Einstellen einer Vielzahl von Geboten ohne Handelsabsicht („painting the tape“) zählen dazu. Die rechtswidrige Manipulationshandlung liegt bei Aktiengeschäften dann im Verkauf der Aktien, sodass der Täter erst hierdurch die strafrechtliche Bereicherung erlangt. Der Verkauf kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Bereicherung in Form des Verkaufserlöses entfiele. Daher unterliegt in diesen Fällen der gesamte Erlös aus den Aktienverkäufen der Einziehung.

Der BGH macht dadurch deutlich, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Vermögensvorteil und Tathandlung erforderlich ist. Nur der Vermögenswert soll eingezogen werden, der gerade durch die strafbare Handlung erlangt wurde. Vermögensvorteile, die zwar mit der Straftat in Zusammenhang stehen, jedoch dem Täter durch Tätigkeiten zufließen, die erst nach der Tathandlung vorgenommen wurden und selbst nicht mehr strafbar sind, unterliegen aufgrund des fehlenden Kausalzusammenhangs zwischen Tathandlung und Bereicherung nicht der Vermögensabschöpfung.

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