Update Compliance 11/2018
Bundesgerichtshof: Strafzumessungsgrundsätze bei Steuerhinterziehung sind nicht auf Untreue übertragbar
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die für Steuerhinterziehung geltenden Strafzumessungsgrundsätze nicht auf die Untreue anwendbar sind.
Anlass der Entscheidung des 2. Strafsenats (2 StR 416/16) war die Verurteilung von vier Bankmanagern zu Bewährungsstrafen und einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe durch das Landgericht Köln. Als Verantwortliche hätten sie ohne Abstimmung mit den Aufsichtsgremien der A.-AG einen ungesicherten Kredit in Höhe von 20 Millionen Euro gewährt. Zudem hätten sie für die Bank im Rahmen einer Kapitalerhöhung ausgegebene Aktien an der A.-AG im Wert von lediglich 19,1 Millionen Euro für 59,8 Millionen Euro erworben. Sie hätten dabei Kenntnis von der Krise der A.-AG gehabt und gewusst, dass kein Sanierungskonzept vorlag. Darüber hinaus hätten die vier Angeklagten die Bank durch ein ungünstiges Immobiliengeschäft geschädigt.
Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revision die verhängten Strafen vor allem mit Blick auf die verursachten Schäden zu niedrig beanstandet. Sie verwies dabei auf die vom Bundesgerichtshof entwickelte Rechtsprechung, wonach bei Hinterziehungsbeträgen von mehr als einer Million Euro die Verhängung von Bewährungsstrafen in der Regel ausscheidet (BGH, Beschl. v. 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08; vgl. dazu Update Compliance Nr. 1).
Der 2. Strafsenat hat die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen. Das Landgericht habe ohne Rechtsfehler zahlreiche Milderungsgründe zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt. Zunächst stellte es klar, dass Organisationsmängel in einem Unternehmen strafmildernd wirken können, wenn dadurch ein Täter in die Lage versetzt wird, sein Vorhaben ohne die gebotene Kontrolle umzusetzen.
Zudem seien die Grundsätze der Strafzumessung bei Steuerhinterziehung auf Untreuetaten nicht übertragbar, weil sich Vermögensdelikte in vielfacher Weise von Verstößen gegen die Abgabenordnung unterscheiden. Fälle der Steuerhinterziehung seien regelmäßig und typischer Weise von einem eigennützigen Gewinnstreben getragen, wobei häufig der Hinterziehungsbetrag in seiner Größenordnung absehbar sei. Es bestehe daher hohe Kongruenz zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht. Demgegenüber könne der Untreuetatbestand auf ganz unterschiedliche Lebenssachverhalte im Wirtschaftsleben Anwendung finden, so dass sich die in Betracht kommenden Fallgestaltungen einer generalisierenden Betrachtung entziehen. Der Tatbestand des § 266 StGB erfasse etwa auch Risikogeschäfte mit nicht ohne Weiteres der Höhe nach vorhersehbaren Schäden. In solchen Fällen wiege das Handlungsunrecht deutlich weniger schwer, obwohl es zu großen Schadensbeträgen und damit einem hohen Erfolgsunrecht führt. Deshalb sei eine schematische Betrachtungsweise, wie sie die Rechtsprechung zur Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung vorsieht, bei der Untreue nicht angebracht.
Praxishinweis
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass die für die Steuerhinterziehung geltenden engen und schematischen Strafzumessungskriterien, von denen nur bei gewichtigen Gründen abgewichen werden darf, nicht auf andere Straftaten – hier: Untreue – übertragbar ist. Damit trägt er der Vielgestaltigkeit von Untreuestraftaten Rechnung: Der Tatbestand des § 266 StGB kann eben nicht nur dann erfüllt sein, wenn der Täter ihm anvertrautes Vermögen „in die eigene Tasche“ wirtschaftet, sondern z. B. auch bei unverantwortlichen Risikogeschäften, die am Ende scheitern. Die kriminelle Energie ist in den vorgenannten Fällen höchst unterschiedlich, weshalb der Bundesgerichtshof eine Typisierung sanktionierender Fälle zu Recht ablehnt.
Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Untreue ein für die Protagonisten oft überraschend schnell verwirklichtes und empfindlich sanktioniertes Delikt ist. Zuletzt hatte der BGH (Beschl. v. 20. Juni 2018 – 4 StR 561/17) die Verurteilung des Geschäftsführers eines kommunalen Entsorgungsbetriebes wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden konnte, bestätigt. Hier betrug der Schaden „nur“ 650.000 Euro.
Compliance-Konzepte in Unternehmen dürfen daher nicht nur die Standardthemen, insbes. Kartell und Korruption, aufgreifen, sondern auch Schutzmaßnahmen für das eigene Vermögen vorhalten. Wer dies als Unternehmensleiter unterlässt, muss sich mangelnde Aufsicht und Kontrolle vorwerfen lassen – was wiederum wie im hier besprochenen Urteil – zu einer Strafmilderung bei den Tätern führen kann. Darüber hinaus droht den Aufsichtspflichtigen selbst Sanktionierung, was im hier vorliegenden Beschluss aber keine Rolle spielte.