Update Compliance 7/2021
Bundesjustizministerium legt Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes vor
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat seinen – seit geraumer Zeit erwarteten – Entwurf eines Gesetzes zum Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) vorgelegt. Danach müssen Unternehmen ab 50 Mitarbeitern eine Whistleblower-Hotline einrichten. Zugleich soll mit dem Entwurf die EU-Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, – also Hinweisgebern – umgesetzt werden.
Hintergrund
Whistleblower tragen immer wieder zur Aufdeckung von Missständen in Unternehmen bei und sorgen für (negative) Schlagzeilen. Auch im Falle redlicher Absichten sehen sich hinweisgebende Personen aber regelmäßig Nachteilen wie etwa Mobbing, Einschüchterung bis hin zur Kündigung ausgesetzt. Gesetzliche Regeln über die Einrichtung von Whistleblower-Hotlines und den arbeitsrechtlichen Schutz von Hinweisgebern gibt es in Deutschland und der EU allenfalls rudimentär. Das soll mit der EU-Richtlinie 2019/1937 anders werden. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Persönlicher Anwendungsbereich
Der persönliche Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes ist – entsprechend den Vorgaben der Hinweisgeberschutzrichtlinie – weit gefasst. Neben Arbeitnehmern können sich Beamte, Selbstständige, Auszubildende, Anteilseigner sowie Mitarbeiter von Lieferanten, aber auch natürliche Personen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, auf den Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes berufen.
Geschützt werden die vorgenannten Personengruppen insbesondere dann, wenn sie Informationen zu Verstößen gegen das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht offenlegen. Hier geht der Referentenentwurf des BMJV sogar über die Hinweisgeberschutzrichtlinie der EU, die lediglich einen Schutz bei der Meldung von Verstößen gegen Unionsrecht vorsieht, hinaus.
Wahlrecht des Whistleblowers
Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht zwei Meldewege für hinweisgebende Personen vor, die gleichberechtigt nebeneinanderstehen und zwischen denen Whistleblower frei wählen können: die interne und externe Meldestelle. Dies bedeutet, dass sowohl interne Meldesysteme auf der Ebene eines Unternehmens oder einer Behörde als auch externe Meldesysteme auf Ebene des Bundes beispielsweise beim Bundesdatenschutzbeauftragten oder der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen eingerichtet werden müssen. Ergänzend hierzu haben zudem die Länder die Möglichkeit, externe Meldestellen einzurichten. Um das neue Hinweisgeberschutzsystem nicht zu überlasten, sind weder interne noch externe Meldestellen verpflichtet, anonyme Hinweise zu bearbeiten bzw. diesen nachzugehen.
Hinweisgeber, die Informationen gegenüber der Presse offenlegen, werden nur dann geschützt, wenn das externe Meldesystem nicht ordnungsgemäß funktioniert und andernfalls eine Gefährdung des öffentlichen Interesses droht.
Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen für Unternehmen und Dienststellen mit mehr als 50 Beschäftigten
Interne Meldesysteme sind von Unternehmen und Dienststellen mit mehr als 50 Beschäftigten einzurichten. Einige Unternehmen wie beispielsweise Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Datenbereitstellungsdienste, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute müssen sogar unabhängig von der Zahl der Beschäftigten ein internes Hinweisgebersystem einrichten. Diese Pflicht trifft Unternehmen und Dienststellen mit mindestens 250 Mitarbeitern bereits ab Inkrafttreten des HinSchG (geplant Ende 2021). Lediglich für Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern sieht das Gesetz eine zweijährige Übergangsfrist vor.
Im Rahmen der Einrichtung einer internen Meldestelle ist von den betroffenen Unternehmen und Dienststellen Folgendes zu beachten:
- Die Hinweisgeberstelle muss allen Beschäftigten zugänglich sein und von entsprechend geschultem Personal geführt werden.
- Meldungen sind zu dokumentieren und auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, um anschließend entsprechende Folgemaßnahmen, wie etwa interne Untersuchungen oder die Abgabe an eine zuständige Stelle, einzuleiten.
- Spätestens nach sieben Tagen muss dem Whistleblower gegenüber der Eingang seiner Meldung bestätigt werden, und spätestens nach drei Monaten muss eine Rückmeldung bezüglich ergriffener oder geplanter Folgemaßnahmen sowie den Gründen hierzu erfolgen.
Den betroffenen Unternehmen steht es frei, ob sie eine interne Organisationseinheit oder Dritte wie beispielsweise externe Rechtsanwälte oder Ombudspersonen mit der Einrichtung und Betreibung einer internen Meldestelle betrauen.
Schutz des Hinweisgebers
Hinweisgebende Personen werden bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen umfangreich vor Repressalien geschützt, Hierzu werden alle ungerechtfertigten Nachteile wie beispielsweise Kündigung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing gezählt, die ein Whistleblower infolge einer Meldung oder Offenlegung erleidet. Entgegen der üblicherweise im Zivilrecht geltenden Beweislastregeln muss aber nicht der Whistleblower nachweisen, dass er diese Nachteile erfährt. Vielmehr muss der Arbeitgeber belegen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen beruht und nicht eine Folge der Meldung oder Offenlegung ist, sog. Beweislastumkehr.
Sanktionsbedrohte Zuwiderhandlungen
Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Dies gilt für das Verhindern von Meldungen, das Ergreifen von Repressalien, das Nichterfüllen von Auskunftspflichten gegenüber einer externen Meldestelle sowie für Verstöße gegen den Schutz der Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen. Im Falle einer solchen Zuwiderhandlung drohen den Handelnden Bußgelder bis zu EUR 100.000. Sofern auch gegen das Unternehmen ein Bußgeld verhängt wird, kann sich dieses sogar verzehnfachen.
Whistleblower, die wissentlich falsche Informationen offenlegen, können sich unter anderem wegen des Vortäuschens einer Straftat (§ 145d StGB), falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) sowie Verleumdung (§ 187 StGB) strafbar machen.
Praxishinweis
Obwohl die Einrichtung von internen Meldestellen frühestens Ende des Jahres – bei kleineren Unternehmen infolge der zweijährigen Schonfrist voraussichtlich noch später – verpflichtend wird, sollten sich die Adressaten des geplanten Hinweisgeberschutzgesetzes bereits jetzt mit den Rahmenbedingungen vertraut machen. Denn dessen Folgen für Unternehmen und Behörden sind weitreichend: Es gilt, geeignete Hinweisgebersysteme zu konzipieren und zu implementieren bzw. bereits vorhandene Systeme zu überprüfen. Zugleich muss sichergestellt werden, dass eingehende Meldungen sachgerecht bearbeitet und Folgemaßnahmen ergriffen werden. Dies wird vor allem kleine und mittlere Unternehmen (sog. KMU) vor personelle und finanzielle Herausforderungen stellen. Umgekehrt ist die frühzeitige Kenntnis von Mitarbeiterverfehlungen, auch solche zum Schaden des Unternehmens, immens wichtig, um Vermögensnachteile frühezeitig abzuwenden.