Update Compliance 12/2021
Bundestag beschließt Lieferkettengesetz – mit Pflicht zur Einführung eines Hinweisgebersystems
Der Bundestag hat am heutigen Freitag, 11. Juni 2021, den Gesetzentwurf der Bundesregierung über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung angenommen. Ziel ist es, Menschenrechte und Umwelt in der globalen Wirtschaft besser schützen. Bestandteil des Gesetzes ist die Pflicht zur Einführung eines Hinweisgebersystems.
Während das geplante Verbandssanktionengesetz und das geplante Hinweisgeberschutzgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden, führt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wesentliche Compliance-Pflichten für Unternehmen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt ein (siehe Update Compliance Nr. 6/2021).
Anforderungen an ein Hinweisgebersystem durch das neue Gesetz
Die verpflichteten Unternehmen müssen ihr Compliance Management-System auf die Lieferkette ausweiten. Darüber hinaus müssen sie ein Hinweisgebersystem einführen: Gem. § 8 Abs. 1 des Gesetzes haben Unternehmen dafür zu sorgen, dass ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren eingerichtet ist. Dieses Beschwerdeverfahren soll es Personen ermöglichen, auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken sowie auf Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder eines unmittelbaren Zulieferers entstanden sind. Hierzu muss das Unternehmen eine Verfahrensordnung festlegen, die öffentlich zugänglich ist. Die vom Unternehmen mit der Durchführung des Verfahrens betrauten Personen müssen unparteiisch und weisungsunabhängig agieren. Zudem müssen sie den Hinweisgeber ausreichend darüber informieren, dass der Hinweis eingegangen ist und geprüft wird, es sei denn, der Beschwerdekanal wird missbräuchlich in Anspruch genommen.
Das Lieferkettengesetz tritt am 01. Januar 2023 in Kraft. Es ist anwendbar auf Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland haben und in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland haben. Außerdem ist das Lieferkettengesetz anzuwenden auf Unternehmen, die eine Zweigniederlassung im Inland haben und in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen.
Ab dem 01. Januar 2024 ist das Lieferkettengesetz auch anwendbar auf Unternehmen im oben genannten Sinne mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern. Innerhalb von Konzernen ist die Anzahl der Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften maßgeblich.
Weitere Anforderungen durch Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie zu erwarten
Bis zum 17. Dezember 2021 müssen die EU-Mitgliedstaaten zudem die EU-Whistleblower-Hotline umsetzen. Vor diesem Hintergrund ist Unternehmen bereits heute anzuraten, ein Hinweisgebersystem einzuführen, das nicht nur die Vorgaben des Lieferkettengesetzes, sondern auch die Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie erfüllt (siehe Update Compliance Nr. 7/2021).
Die Vorteile eines Hinweisgebersystems liegen in seiner "Frühwarnfunktion" für Unternehmen bzgl. interner kritischer Sachverhalte. Die Unternehmensleitung erfährt frühzeit von ggf. haftungsträchtigen Sachverhalten, z. B. Mitarbeiterstraftaten oder Verletzungen von Compliance-Regeln, und kann reagieren. Whistleblower finden in einem effektiv und angemessen geführten Hinweisgebersystem einen "Abnehmer" für ihre Informationen und wenden sich zunächst nicht an Behörden oder die Medien. Hinweisgebersystem fungieren zudem als Kontrolle für die Compliance-Funktion des Unternehmens und sind unverzichtbarer Bestandteil der Unternehmenskultur. Nicht zuletzt dienen sie die positiven Außendarstellung der Integrität der Gesellschaft.
Als Meldekanäle sollten das persönliche Gespräch, Telefonate, E-Mail-Kommunikation, Briefpost sowie webbasierte Whistleblowerplattformen vorgehalten werden. Im Unternehmen muss eine geeignete Stelle die eingehenden Hinweise vertraulich bewerten und die erforderlichen Schritte - weitere Ermittlung des Sachverhalts, Abstellen des Missstands, Verhinderung weiterer Schäden, Strafanzeigeerstattung, Prüfung und Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche, Prüfung von Melde- und Anzeigepflichten gegenüber Aufsichtsbehörden - einleiten.