Update Compliance 7/2016
Bundestag verabschiedet neue Vorschriften gegen Korruption im Gesundheitswesen
Der Bundestag hat heute das Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen verabschiedet. Für mehrere Generationen von Ärzten und anderen Heilberuflern bedeutet dies, dass sie Altbekanntes und Altbewährtes hinter sich lassen müssen. Bislang als üblich angesehenes, strafloses Verhalten wird künftig nach den Paragrafen 299a und 299b des Strafgesetzbuches sanktioniert.
Gut vier Jahre, nachdem der Bundesgerichtshof klargestellt hat, dass niedergelassene Ärzte für korruptes Verhalten nicht belangt werden können, schiebt der Gesetzgeber dem „Sponsoring“ von niedergelassenen Ärzten und Angehörigen von Heilberufen einen Riegel vor. Im Update Compliance 23/2015 haben wir bereits über den Hintergrund und den damals geplanten Inhalt der Neuregelung informiert.
Durch die neugeschaffenen Straftatbestände will der Gesetzgeber nicht nur eine unsachgemäße Verteuerung medizinischer Leistungen verhindern bzw. stoppen. Ziel ist auch, das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen zu stärken.
Künftig sollen Angehörige von Heilberufen gemäß § 299a StGB mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bzw. fünf Jahren in besonders schweren Fällen bestraft werden, wenn sie für die Verordnung, die Abgabe oder den Bezug von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder für das Zuführen von Patienten Vorteile fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Spiegelbildlich wird gemäß § 299b StGB auch derjenige bestraft, der den Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt.
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung wurde vom Bundestag mit zwei wesentlichen Änderungen beschlossen:
- Keine Bestrafung der Verletzung berufsrechtlicher Pflichten: Ursprünglich sollte auch der Verstoß gegen berufsrechtliche Pflichten unter Strafe gestellt werden. Da diese Pflichten aber landesrechtlich geregelt sind, hätte eine solche Regelung zur Folge haben können, dass bestimmtes Verhalten nur in bestimmten Bundesländern strafbar gewesen wäre. Diese Änderung wird von vielen Seiten kritisiert, die Wahrung berufsrechtlicher Pflichten diene in erster Linie dem Patientenschutz. Entgegen der Gesetzesbegründung würden die neuen Straftatbestände aber primär den Wettbewerb schützen.
- Kein Strafantragserfordernis: Eine wesentliche Änderung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist auch darin zu sehen, dass das Antragserfordernis zur Strafverfolgung weggefallen ist. § 299a und § 299b StGB sind nunmehr als Offizialdelikte ausgestaltet worden. Somit muss die Staatsanwaltschaft gegen korruptes Verhalten im Gesundheitswesen von Amts wegen vorgehen.
Der Gesetzesentwurf wird in den nächsten Wochen noch den Bundesrat passieren müssen. Die Neuregelung tritt dann am Tag nach ihrer Verkündung durch den Bundespräsidenten in Kraft.
Kritik: An dem Gesetz zur Korruption im Gesundheitswesen wird vor allem bemängelt, dass bislang als zulässige erachtete berufliche Kooperationen zwischen den Unternehmungen im Gesundheitswesen weiterhin straffrei bleiben. Auch wenn eine solche Zusammenarbeit dem Wohle des Patienten dient, eröffne diese Ausnahme zugleich eine lukrative Einnahmequelle. Insbesondere werden Ärzte von Pharmaunternehmen weiterhin (hohe) Honorare für sogenannte Anwendungsbeobachtungen annehmen dürfen. Auch erscheint die Grenzen zwischen einer „zulässigen“ und einer „unzulässigen“ beruflichen Kooperation schwer bestimmbar. Beispielsweise werden künftig Zahlungen von Krankenhäusern an Ärzte für die Zuweisung von Patienten unter Strafe gestellt; die vertragliche Regelung, dass ein niedergelassener Arzt in einem bestimmten Krankenhaus ambulant operiert, aber nicht. Zudem wird kritisiert, dass Vorteile in nicht unerheblicher Höhe ohne nachweisbare Gegenleistung auch künftig nicht sanktioniert werden. Hierunter könnten zum Beispiel Weihnachtspräsente, kostenlose Computer-Software oder die Teilnahme an gesponserten Kongressen fallen.
Praxishinweis
Ärzte, Apotheker, Pharmaunternehmen und andere Unternehmungen im Gesundheitswesen müssen trotz der Lockerung durch die Streichung des Verweises auf Standesrecht ihre bisherige „Unternehmenspolitik“ ändern. Provisionen von Pharmaunternehmen für die Verschreibung eines bestimmten Präparates, Zuweisungsprämien für Patienten, Berater- und Referentenverträge zwischen Ärzten und Pharmaunternehmen sowie die Patientenzuführung bei Beteiligung an einem Unternehmen können von nun an mit Geld- oder Freiheitsstrafen bestraft werden.