28.05.2014Fachbeitrag

Update Compliance 175

Deutschland liefert Unionsbürger wegen des Verdachts der Preisabsprachen an die USA aus

Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung eines italienischen Staatsbürgers an die USA durch deutsche Behörden wegen des Verdachts der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen (§ 298 StGB) für zulässig erklärt.

Die USA hatten im August 2013 um die Auslieferung des Antragstellers, eines italienischen Staatsangehörigen, ersucht, gegen den wegen des Verdachts von wettbewerbsbeschränkenden Submissions- und Preisabsprachen ermittelt wurde.

Teilnahme an Preisabsprachen bei 131 Verträgen

Der Beschuldigte soll sich mit anderen Personen seit mindestens 1999 bis Ende 2006 zu einer Gruppe zusammengeschlossen haben, die gegenüber ölfördernden Unternehmen bei Ausschreibungen die Preise für Gummischläuche abgesprochen und dadurch den Wettbewerb beschränkt habe. Er soll so am Zustandekommen von 131 Verträgen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 73 Millionen US-Dollar beteiligt gewesen sein. Bei einer Zwischenlandung in Deutschland wurde der Beschuldigte am 17. Juni 2013 in Frankfurt am Main festgenommen.

„Deutschenprivileg“ ist nicht auf Unionsbürger anwendbar

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Auslieferung des  italienischen Staatsangehörigen für zulässig erklärt. Der anwaltlich vertretene Beschuldigte sah sich durch den Beschluss in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, insbesondere dem Grundrecht auf Gleichbehandlung i.V. mit dem Grundsatz, dass kein Deutscher ans Ausland ausgeliefert werden darf (Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes), und dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes) verletzt. Als Unionsbürger müsse er denselben Schutz wie ein deutscher Staatsangehöriger genießen. Die Andersbehandlung verstoße gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot. Zudem liege ein Verstoß gegen das Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit vor. Dieses Prinzip besagt, dass das in Rede stehende Verhalten sowohl nach dem Recht des um Auslieferung ersuchenden Staates als auch nach dem Recht des ersuchten Staates strafbar ist.

Bundesverfassungsgericht bestätigt die Auffassung des OLG

Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Antrag einer einstweiligen Anordnung ab, weil die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg habe.

Praxishinweis

Die Auslieferung des Beschuldigten in die USA war möglich, weil Submissionsabsprachen – ein Sonderfall anonsten nur bußgeldbedrohter Kartellabsprachen – sowohl in den USA als auch in Deutschland (nicht aber in Italien) strafbar sind. Die "spiegelbildliche" Strafbarkeit der Tat sowohl im um Rechtshilfe ersuchten als auch im ersuchenden Staat ist Voraussetzung für jegliche Art internationaler Rechtshilfe - nicht nur der Auslieferung, sondern auch der Durchführung von Durchsuchungen oder Vernehmungen.

Bemerkenswert ist hier der Umstand, dass deutsche Behörden wegen der Strafbarkeit von Submssionsabsprachen sowohl in Deutschland als auch in den USA einen italienischen Staatsbürger ausgeliefert haben. In Italien wäre seine Tat nämlich nicht mit Strafe bedroht. Dies hielt das Bundesverfassungsgericht für irrelevant.

Die Vorschrift des § 298 StGB bestraft wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreiben mit Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren, in besonders schweren Fällen sogar bis zu 10 Jahren. Bei anderen Kartellverstoßen drohen hingegen allein empfindliche Geldbußen gegen die Täter und die betroffenen Unternehmen.

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