zuerst erschienen in Arbeit und Arbeitsrecht 9/2017
Die Betriebsratswahl 2018 naht - Ablauf und Wahlanfechtung
Insbesondere wegen der Komplexität der Regelungen des BetrVG und der hierzu erlassenen Wahlordnung (WO) ist die Durchführung der Betriebsratswahl fehleranfällig. Ohne optimale Vorbereitung (und Begleitung) sind die Risiken groß. Aber selbst wenn Fehler unterlaufen, führt dies nicht immer zu rechtlichen Konsequenzen.
1 Zeitpunkt und Vorbereitung
Die regelmäßige Wahl des Betriebsrats steht gem. § 13 Abs. 1 BetrVG alle vier Jahre an. Durch die Fokussierung auf einzelne Jahre soll es u. a. Gewerkschaften und Gerichten erleichtert werden, sich administrativ auf die Wahlen und etwaige Anfechtungsverfahren einzurichten. Für die Fußballbegeisterten hat dies immerhin den Vorteil, dass der regelmäßige Wahltermin leicht festzustellen ist – er findet i. d. R. immer im Jahr einer Fußballweltmeisterschaft statt. Außerhalb des Vier-Jahres-Zeitraums darf nur unter den engen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 BetrVG gewählt werden.
Der Betriebsrat kann grundsätzlich selbst entscheiden, mit welchem zeitlichen Vorlauf er die Wahl einleitet. Gesetzlich ist das Gremium dazu verpflichtet, spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit die Wahleinleitung durch Bestellung des Wahlvorstands vorzunehmen, § 16 Abs. 1 BetrVG. Sowohl der Vorstand als auch die Wahlbewerber unterfallen dem besonderen Kündigungsschutz des § 15 KSchG bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
PRAXISTIPP 1 Unternehmen sollten Personalrestrukturierungsmaßnahmen – unbeschadet der Besonderheiten des § 15 Abs. 4 KSchG bei Betriebsstilllegung – deutlich vor den regelmäßigen Betriebsratswahlen einleiten, um den besonderen Kündigungsschutz des Wahlvorstands und der Bewerber zu vermeiden.
2 Das Wahlrecht
Das aktive Wahlrecht (Wahlberechtigung) kommt allen Arbeitnehmern des Betriebs zu, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Passiv wahlberechtigt (Wählbarkeit) sind alle Mitarbeiter, die dem Betrieb sechs Monate angehören. Die Bestimmung des aktiven und passiven Wahlrechts ist für die konkrete Durchführung der Wahl – und zur Vermeidung einer späteren Anfechtbarkeit – von entscheidender Bedeutung.
Gerade bei folgenden Personengruppen kann es in Bezug auf das Wahlrecht immer wieder leicht zu Missverständnissen kommen:
- Leitende Angestellte sind weder aktiv noch passiv wahlberechtigt.
- Leiharbeitnehmer sind schon aktiv wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Sie sind erst passiv wahlberechtigt, wenn sie im Anschluss an ihren Einsatz in ein Arbeitsverhältnis beim Entleiher übernommen werden. In diesem Fall wird die im Rahmen der Überlassung abgeleistete Einsatzzeit auf die Mindestbetriebszugehörigkeitvon sechs Monaten angerechnet.
- Elternzeit: Beschäftigten in Elternzeit steht während der gesamten Elternzeit das aktive sowie passive Wahlrecht zu.
- Gekündigte Arbeitnehmer: Sind bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aktiv und passiv wahlberechtigt. Einem ordentlich gekündigten Mitarbeiter steht das aktive Wahlrecht nach Ablauf der Kündigungsfrist nur dann zu, wenn er Kündigungsschutzklage erhebt und während des Prozesses weiterbeschäftigt wird. Einem fristlos Gekündigten steht das passiveWahlrecht zu, sofern er (rechtzeitig) Kündigungsschutzklage erhebt.
- Kranke bzw. beurlaubte Beschäftigte und ruhende Arbeitsverhältnisse: Aktiv und passiv wahlberechtigt sind kranke, beurlaubte und solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vorübergehend ruht.
- Altersteilzeit: Kein Wahlrecht haben die in Altersteilzeit befindlichen Mitarbeiter, sobald die Freistellungsphase begonnen hat.
- Beschäftigte im Ausland/in einem anderen Betrieb: Aufgrund der immer engeren Verzahnung der Arbeitsabläufe treten zunehmend Fallgestaltungen auf, in denen die Zuordnung fraglich wird, bspw. wenn
- ein Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland entsandt wird,
- ein Mitarbeiter (einer anderen Konzerngesellschaft), der einem Betrieb im Ausland angehört, gegenüber Arbeitnehmern im deutschen Betrieb weisungsbefugt ist oder
- ein Beschäftigter, der – sei es, weil er in mehreren Betrieben regelmäßig vor Ort arbeitet, sei es, weil er gegenüber Arbeitnehmern in mehreren Betrieben weisungsbefugt ist – zu mehreren deutschen Betrieben zugeordnet werden könnte.
In all den genannten Fällen hängt die Wahlbeteiligung davon ab, ob und in welchem(n) Betrieb(en) der Mitarbeiter „eingegliedert“ ist. Eingliederung in dem Sinne meint faktische Umstände, wonach ein Arbeitnehmer Teil einer betrieblichen Organisation und auch Weisungskette ist. So ist ein Vorgesetzter bspw. schon dann in einen Betrieb (in dem er physisch nie anwesend ist) eingegliedert, wenn er Leitungs- und Führungsfunktion gegenüber Beschäftigten in diesem Betrieb ausübt und seine Leitungsfunktion dem arbeitstechnischen Zweck dieses Betriebs dient (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.5.2014 – 4 TaBV 7/13, AuA 2/15, S. 122). Umgekehrt werden auch Außendienstmitarbeiter dadurch in einen Betrieb eingegliedert, dass sie den Weisungen der dortigen Organisation (sprich: Vorgesetzten) unterworfen sind.
- Bei entsandten Arbeitnehmern bleibt die Eingliederung in den „Heimatbetrieb“ i. d. R. dann aufrechterhalten, wenn sie in keine betriebliche Organisation im Ausland eingegliedert werden (z. B. bei Montagearbeitern). Aber selbst eine Eingliederung in einen Auslandsbetrieb steht der fortbestehenden Eingliederung und damit Wahlberechtigung im Heimatbetriebdann nicht entgegen, wenn die Entsendung nur zeitlich beschränkter Natur ist.
- Der – gerne in der Matrixstruktur – im Ausland sitzendeVorgesetzte von Mitarbeitern eines deutschen Betriebs ist nach der neueren Rechtsprechung auch als Arbeitnehmer des deutschen Betriebs zu werten. Dabei ist die Frage, ob er „leitender Angestellter“ ist, übrigens nicht nach seiner Rolle im Gesamtkonzern, sondern nur bezogen auf das jeweilige Unternehmen zu bewerten. Es kann also gut sein, dass ein „hohes Tier“ aus dem Ausland als normaler Arbeitnehmer im deutschen Betrieb – mit vollem aktiven und passiven Wahlrecht – gilt.
- Schließlich ist es auch ohne Weiteres denkbar, dass ein Beschäftigter mehreren deutschen Betrieben angehört und damit auch in diesen jeweils über das Wahlrecht verfügt. Dazu muss nur nach den vorgenannten Kriterien für jeden einzelnen Betrieb geprüft werden, ob eine „Eingliederung“ in den jeweiligen Betrieb vorliegt.
3 Sonderfall: Leitende Angestellte
Gem. § 5 Abs. 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach seinem Anstellungsvertrag und der Stellung im Unternehmen/Betrieb
- zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb/in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG),
- Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG) oder
- regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidung im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei der Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG).
Leitende Angestellte der dritten Gruppe gem. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG erfüllen nach ihrem Arbeitsvertrag Aufgaben, die
- besondere Bedeutung für das Unternehmen/den Betrieb haben,
- besondere Kenntnisse und Erfahrungen erfordern und
- die der Arbeitnehmer im Wesentlichen frei von Weisungen selbst treffen kann.
Erfasst werden damit Mitarbeiter, die wegen ihrer Stellung der Unternehmensleitung besonders nahe stehen und zumindest in Teilbereichen unternehmerische Aufgaben bewältigen. Der Betreffende muss dabei die Entscheidungen nicht selbstständig und alleine treffen. Es genügt vielmehr, wenn er Entscheidungen der Unternehmensleitung zumindest maßgeblich beeinflusst (vgl. BAG, Beschl. v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/08). Somit kommen insbesondere „Stabsangestellte“ für die dritte Gruppe in Betracht. § 5 Abs. 4 BetrVG weist zudem einige Auslegungsregelungen auf, deren Erfüllung für die Charakterisierung eines Arbeitnehmers als leitenden Angestellten i. S. d. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG spricht.
4 Durchführung und Ablauf der Betriebsratswahl
Das normale Wahlverfahren lässt sich in fünf Hauptabschnitte unterteilen:
- Bestellung des Wahlvorstands,
- Aufstellen der Wählerliste,
- Bekanntmachen des Wahlausschreibens,
- Einreichung, Überprüfung und Bekanntmachung der Vorschlagslisten,
- Durchführung des eigentlichen Wahlvorgangs sowie Auszählung der Stimmen und Bekanntmachung des Wahlergebnisses.
Bei der Bestellung des Wahlvorstands, als zentrales wahlverfassungsrechtliches Organ, kommt es darauf an, ob bereits ein Betriebsrat besteht oder nicht. Dem Gremium obliegt die gesetzliche Pflicht zur Bestellung des Vorstands, § 16 BetrVG. Sofern der Betriebsrat dieser Pflicht nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, kann der Wahlvorstand entweder durch den Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat oder durch das Arbeitsgericht bestellt werden. In Betrieben, in denen ein Betriebsrat nicht besteht, kann der Wahlvorstand unmittelbar vom Gesamt- oder Konzernbetriebsrat, alternativ in einer Betriebsversammlung gewählt oder durch das Arbeitsgericht bestellt werden, § 17 BetrVG. Ist der Vorstand einmal gewählt oder bestellt, hat er die Pflicht, die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen.
Zu Beginn der Betriebsratswahl muss der Wahlvorstand eine Liste der Wahlberechtigten – die Wählerliste – erstellen, § 2 WO. Diese ist getrennt nach Geschlechtern zuführen und hat Name, Vorname und Geburtsdatum in alphabetischer Ordnung zu beinhalten. Ferner ist kenntlich zu machen, wer nur aktiv wahlberechtigt ist, wem also die passive Wahlberechtigung fehlt (z. B. Leiharbeitnehmer). Bei der späteren Wahl sind nur die Beschäftigten – aktiv wie passiv – wahlberechtigt, die auf der Wählerliste aufgeführt sind. Daher kommt ihrer Richtigkeit besondere Bedeutung für den weiteren Fortgang der Wahl zu. Nachdem die Liste aufgestellt ist, muss der Wahlvorstand sie vom Tag der Einleitung der Wahl bis zum Abschluss der Stimmabgabe an geeigneter Stelle zur Einsicht im Betrieb auslegen. Alternativ oder kumulativ kommt auch eine Zurverfügungstellung im Intranet bzw. per E-Mail in Betracht. Gegen die Wählerliste kann binnen zwei Wochen nach Erlass des Wahlausschreibens schriftlich beim Wahlvorstand Einspruch eingelegt werden. Dazu ist jeder Arbeitnehmer des Betriebs berechtigt, nicht hingegen der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft, § 4 WO.
PRAXISTIPP 2 Wahlanfechtungen werdenhäufig erfolgreich auf die Fehlerhaftigkeit der Wählerliste gestützt. Im Zweifel sollte der Arbeitgeber den Wahlvorstand bei der Erstellung der Liste deshalb uneingeschränkt unterstützen.
Sodann erlässt der Wahlvorstand das Wahlausschreiben, welches mit Blick auf den Umfang der Mindestangaben in der Praxis sehr fehleranfällig ist und daher in der Praxis häufig Anlass zur Anfechtung bietet. Insbesondere die Angabe der Mindestsitze für das Minderheitengeschlecht im Betrieb kann häufig zu Fehlern führen. § 15 Abs. 2 BetrVG schreibt vor, dass das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein muss, wenn dieser aus drei oder mehr Mitgliedern besteht. Daher muss der Wahlvorstand feststellen, wie viele Beschäftigte zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens dem jeweiligen Geschlecht angehören. Das Ausschreiben muss ferner die Anzahl der notwendigen Stützunterschriften für die einzelnen Vorschlagslisten enthalten. Jeder Mitarbeiter darf nur für eine Liste kandidieren und auch nur eine unterstützen.3
PRAXISTIPP 3 In der Praxis kann es sinnvoll sein, dem Wahlvorstand eine finale (rechtliche) Überprüfung der Wählerliste und des Wahlausschreibens anzubieten, um hier anfechtungsträchtige Fehler zu vermeiden.
Sobald das Wahlausschreiben aushängt, können Vorschlagslisten eingereicht werden, § 6 WO. Zwingender Inhalt einer Vorschlagsliste sind:
- Auflistung der einzelnen Bewerber unter Angabe von Familienname, Vorname, Geburtsdatum und Art der Beschäftigung im Betrieb,
- Angabe der Bewerber in erkennbarer Reihenfolge unter fortlaufender Nummer,
- schriftliche Zustimmung jedes einzelnen Bewerbers zur Aufnahme in die Vorschlagsliste,
- Nennung eines Listenvertreters, der gegenüber dem Wahlvorstand zur Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen berechtigt und verpflichtet ist und
- Beifügung der notwendigen – auf dem Wahlausschreiben angegebenen – Stützunterschriften.
Wird nur eine Vorschlagsliste eingereicht, findet eine Mehrheits-, also Personenwahl zwischen den Kandidaten dieser Liste statt. Bei mehreren konkurrierenden Vorschlagslisten erfolgt hingegen eine Verhältniswahl.
Bei der anschließenden (eigentlichen) Stimmabgabe muss gewährleistet sein, dass die Wahlrechtsgrundsätze eingehalten werden. Die Stimmauszählung erfolgt öffentlich. Anschließend sind die Sitze im Betriebsrat zu bestimmen, wobei man an das Mindestquorum für das Minderheitengeschlecht denken muss. Das Ergebnis der Wahl wird sodann in einer Wahlniederschrift festgelegt und vom Vorsitzenden des Wahlvorstands und einem weiteren Mitglied unterzeichnet. Im Anschluss daran sind die Gewählten über ihre Wahl zu unterrichten, die Wahlergebnisse bekannt zu machen und der Betriebsrat zur konstituierenden Sitzung zu laden.
Nach § 14a BetrVG können Kleinbetriebe ein vereinfachtes Wahlverfahren (ein- oder zweistufig) durchführen.
5 Wahlanfechtung
Die Anfechtung ist in § 19 BetrVG geregelt. Danach kann die Wahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften verstoßen worden ist. Doch was sind wesentliche Vorschriften über Wahlrecht, Wählbarkeit oder Wahlverfahren? Und welcher Verstoß kann zumindest potenziell das Wahlergebnis beeinflussen? Genügt jede hypothetische Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung oder muss das Wahlergebnis tatsächlich beeinflusst worden sein?
Folgende Verstöße haben bereits zur Anfechtung der Betriebsratswahl geführt:
- Verkennung des Betriebsbegriffs (vgl. ArbG Bielefeld, Beschl. v. 24.1.2017 – 2 BV 128/16),
- Zulassung von Nichtwahlberechtigten oder NichtzulassungWahlberechtigter (vgl. BAG, Beschl. v. 25.6.1974 – 1 ABR 68/73; v. 20.3.1996 – 7 ABR 34/95).
- fehlerhafte Bestimmung der Zahl der Betriebsratsmitglieder (vgl. BAG, Beschl. v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, AuA 11/13, S. 675),
- Bestellung des Wahlvorstands durch einen nicht mehr amtierenden Betriebsrat (vgl. BAG, Beschl. v. 2.3.1976 – 1 ABR 19/54),
- Zulassung nicht ordnungsgemäßer Wahlvorschläge und Nichtzulassung ordnungsgemäßer Wahlvorschläge (etwa wegen fehlender Stützunterschriften),
- fehlerhafte Verteilung der Sitze für das Minderheitsgeschlecht,
- Verstöße gegen das Wahlgeheimnis (vgl. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2016 – 9 TaBV 85/16),
- Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen,
- Verletzung gegen den Grundsatz der freien Wahl und Chancengleichheit der Wahlbewerber (vgl. BAG, Beschl. v. 6.12.2000 – 7 ABR 34/99),
- nichtöffentliche Stimmauszählung.
6 Stolperfallen
Die erfolgreiche Anfechtung einer Betriebsratswahl setzt eine zumindest hypothetische Auswirkung des Fehlers im Wahlverfahren auf das Ergebnis voraus; folgerichtig bestehen die größten Stolperfallen da, wo das Wahlrecht selbst, die Kandidatur und die Stimmabgabe/-zählung betroffen sind. In dem Zusammenhang ist daher insbesondere auf die folgenden Aspekte zu achten:
- Fremdsprachige Mitarbeiter: Nach § 2 Abs. 5 WO ist der Wahlvorstand dazu verpflichtet, fremdsprachige Beschäftigte, die der deutschen Sprache nicht (hinreichend) mächtig sind, in deren Fremdsprache (oder jedenfalls einer von diesen hinreichend gut verstandenen Sprache) vor Einleitung der Betriebsratswahl über Verfahren, Aufstellung der Wählerund Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise zu unterrichten (BAG, Beschl. v. 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, AuA 3/05, S. 177). Hier helfen bspw. die Gewerkschaften, die auf ihren Websites kostenlos entsprechende Erklärungen in einer Vielzahl von Sprachen zum Download anbieten.
- Zahlen, Daten, Adressen: Der Wahlvorstand muss eine Vielzahl von Fristen, Zahlen und Berechnungen beachten und Daten sowie Adressen (bspw. zur Wahl) unmissverständlich kommunizieren. All dies ist fehlerträchtig – umso mehr, wenn die Mitglieder des Wahlvorstands in ihrem beruflichen Alltag nicht mit solchen Formalitäten zu tun haben.• Wählerliste, Kandidaten, Stützunterschriften: Die genaue Überprüfung der Wählerliste (aktive und passive Wahlberechtigung) sowie der Vorschlagslisten ist dringend angeraten. Zu leicht werden hier Arbeitnehmer vergessen, doppelt gezählt oder berücksichtigt, obwohl sie gar kein Wahlrecht (mehr) haben.
- Keine Inkompatibilität der Ämter: Im Betrieb könnenaktive und weiterhin kandidierende Betriebsratsmitglieder auch Mitglied des Wahlvorstands sein und damit über die Wahlberechtigung/Vorschlagsliste der „Opposition“ entscheiden. Der damit verbundenen Versuchung kann nicht jeder widerstehen. In größeren Betrieben hat es sich daher durchaus bewährt, wenn ein oder zwei Mitarbeiter (auch aus der Personalabteilung) über mehrere Wahlperioden hinweg das Amt des Wahlvorstands – und nur dieses – ausüben.
- Wahlurne: Die Sicherheit der Wahlurne und der Ausschluss von Manipulationsmöglichkeiten daran sind ein Kernbereich des Wahlschutzes. Nicht nur bei Wahlen in fern entlegenen Ländern liegt daher ein Schwerpunkt auf der Beobachtung der Urnen. In Betrieben wird hier manchmal zu vertrauensselig vorgegangen. Da nimmt ein Wahlvorstandsmitglied die Urne (allein) mit nach Hause, bevor am nächsten Tag die Wahl in einer anderen Betriebsstätte (Teilbetrieb) fortgesetzt wird oder die Urne wird nachts – vor der Auszählung – in einen Raum gebracht, zu dem viele Beschäftigte unkontrolliert Zugang haben. Hier ist nicht nur Sensibilisierung vorab, sondern auch Kontrolle danach angebracht.
- Stimmabgabe, Briefwahl und -auszählung: Schließlich ist auch die Stimmabgabe selbst Gegenstand vieler Fehler. Das betrifft nicht nur die Frage, wie man sicherstellt, dass ein Arbeitnehmer nur einmal seine Stimme abgibt (nicht in einer Excel-Liste; vgl. BAG, Beschl. v. 12.6.2013 – 7 ABR 77/11). Eine Wahlbeeinflussung bzw. ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften kann auch schon dann vorliegen, wenn der Vorstand – mit der Absicht, die Wahlbeteiligung auf diese Weise zu erhöhen – zu großzügig zur Briefwahl einlädt (Hess. LAG Beschl. v. 17.4.2009 – 9 TaBV 163/07). Schließlich ist auch die Stimmauszählung fehleranfällig. Sowohl die Bewertung der einzelnen Stimmzettel (Ist ein mit „Strichen“ versehener Stimmzettel noch gültig?) als auch Ort und Zeit der Stimmauszählung (Wie frei zugänglich ist der Raum der Stimmauszählung?, vgl. BAG, Beschl. v. 15.2.2006 – 7 ABN 75/05) bergen Risiken.
7 Wahlnichtigkeit
Streng von der Anfechtbarkeit der Wahl ist deren Nichtigkeit zu unterscheiden. Denn Fehler bei der Wahl, die zur Nichtigkeit führen, können noch lange nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses und von jedermann angegriffen werden. Eine Betriebsratswahl ist nichtig, wenn ein so grober und offensichtlicher Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts vorliegt, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gegeben ist. Die Nichtigkeit ist nur in extremen Ausnahmesituationen anzunehmen und wurde bislang etwa in folgenden Fällen bejaht:
- Betriebsratswahl ohne Wahlvorstand (vgl. LAG München, Beschl. v. 16.6.2002 – 11 TaBV 50/08),
- Fälschung von Briefwahlunterlagen,
- Terrorisierung der Belegschaft während des Wahlakts (vgl. BAG, Beschl. v. 8.3.1957 – 1 ABR 5/55),
- Durchführung einer Betriebsratswahl in einem Betrieb, der offensichtlich nicht dem BetrVG unterliegt (vgl. BAG, Beschl. v. 9.2.1982 – 1 ABR 36/80). Liegt ein Fall der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl vor, hat das weitreichende Konsequenzen. Es ist nämlich dann in allen Fragen so zu entscheiden, als habe nie ein Betriebsrat bestanden.
8 Fazit
Die gesetzlichen Vorgaben zu Durchführung und Ablauf der Betriebsratswahl sind höchst komplex. Gerade wegen der vielen kleinen Stolperfallen sowie des daraus resultierenden Risikos einer Anfechtung und teuren Wiederholung der Wahl ist den Arbeitgebern oft eine aktive Unterstützung des Wahlvorstands – auch durch rechtlichen Sachverstand – anzuraten. Ohnehin muss dieser die erforderlichen Kosten der Wahl tragen, § 20 Abs. 3 BetrVG. Dazu gehören neben den eigentlichen Wahlunterlagen (Stimmzettel, Wahlurne etc.) auch die Kosten der Schulung des Wahlvorstands, ggf. seiner rechtlichen Unterstützung bei der Wahl und der mit der Wahl verbundenen Aufwendungen (bspw. Reisekosten zu Betriebsteilen). Ein solches Miteinander von Unternehmen und Wahlvorstand bei der Wahl kann für den Arbeitgeber nicht nur Kosten schonen, sondern zugleich Vertrauenskapital für die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat aufbauen ...