Update Arbeitsrecht März 2022
Eine jährliche „Performance-Beurteilung“ ist kein Arbeitszeugnis
LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 9. Dezember 2021 – 5 Sa 149/21
Die Erteilung einer jährlichen „Performance-Beurteilung“ folgt nicht den gleichen Maßstäben wie die eines Arbeitszeugnisses gemäß § 109 Abs. 1 GewO, weshalb auch die Regelungen über die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses nicht auf der Beurteilung anwendbar sind. Lediglich der Vorgang, der zu der Beurteilung führt, ist gerichtlich auf die Überschreitung des dem Arbeitgeber zustehenden Beurteilungsspielraums überprüfbar.
Sachverhalt
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Januar 2000 als regionaler Vertriebsleiter beschäftigt. Anlass des Streits zwischen den Parteien war die Gewährung von Aktienoptionen durch die in der in USA ansässige Muttergesellschaft der Beklagten an den Kläger. Der Kläger und die Beklagte in Deutschland schlossen zudem für das Jahr 2019 eine Zielvereinbarung, für die am Ende des Jahres eine „Performance-Beurteilung“ durch die Beklagte erfolgte. Die Beklagte beurteilte die Leistung des Klägers im Jahr 2019 eine Stufe schlechter als die durchschnittliche Bewertungsstufe. In den beiden Vorjahren war die Leistung des Klägers jeweils mit der durchschnittlichen Gesamtbewertung bewertet worden. Die Muttergesellschaft der Beklagten gewährte dem Kläger für 2019 weniger Aktien als im Jahr 2018. Der Kläger vermutete einen Zusammenhang zwischen der niedrigeren „Performance-Beurteilung“ und der niedrigeren Gewährung von Aktienoption aus dem Long Term Incentive Plan durch die Muttergesellschaft.
Mit Klage vor dem Arbeitsgericht Lübeck (Urteil vom 10. März 2021 – 4 Ca 1765/20) machte der Kläger die unmittelbare Gewährung der Differenz zwischen den 2018 und 2019 gewährten Aktien geltend, blieb jedoch erfolglos. Das Arbeitsgericht begründete die Abweisung der Klage mit der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten.
Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein begehrte der Kläger klageerweiternd, die Gesamtbewertung seiner jährlichen „Performance Beurteilung“ – die die Höhe der gewährten Aktien beeinflusse – zu seinen Gunsten zu korrigieren.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Die zulässige Berufung des Klägers hat das LAG als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte müsse die Gesamtnote der „Performance-Beurteilung“ nicht neu beurteilen oder zu Gunsten des Klägers anheben.
Der darlegungsbelastete Kläger habe keine Beurteilungsfehler der Beklagten – insbesondere keinen Verstoß gegen ihre eigenen Beurteilungsvorgaben – darlegen können. Bei der „Performance-Beurteilung“ handle es sich um eine dienstliche Beurteilung, welche in aller Regel einem innerbetrieblichen Zweck diene. Aus diesem Grund folge sie auch nicht den gleichen Grundsätzen wie die Erteilung eines Arbeitszeugnisses gemäß § 109 Abs. 1 GewO und unterliege damit insbesondere nicht den Regelungen der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur Darlegungs- und Beweislast bei Zeugnisbewertungen. Dies zeige bereits die begriffliche Unterscheidung zwischen Beurteilung und Zeugnis. Bei einer Beurteilung handle es sich um einen Akt wertender Erkenntnis, bei welchem dem Beurteilenden ein Beurteilungsspielraum zusteht. Dagegen sei ein Zeugnis als Unterlage für die künftige berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers und damit zur Information möglicher zukünftiger Arbeitgeber vorgesehen. Die Richtigkeit der Beurteilung an sich könne nicht gerichtlich überprüft werden. Nur der Beurteilungsvorgang als solcher sei einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers sei erst dann überschritten, wenn der Arbeitgeber seine Beurteilung auf sachfremde Erwägungen stützt oder allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe außer Acht lässt. Eine solche Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch einen Verfahrensfehler der Beklagten oder eine falsche Tatsachengrundlage habe der Kläger nicht darlegen können. Insbesondere läge kein Widerspruch zwischen der kommentierenden Bewertung und der Gesamtnote vor.
Hinweise
Dem Urteil des LAG ist beizupflichten. Die Regelung des § 109 Abs. 1 GewO bezieht sich ausdrücklich und eindeutig auf die Erteilung von Arbeitszeugnissen. Die Notwendigkeit der Einhaltung der Vorgaben des § 109 GewO für Arbeitszeugnisse ist dem Zweck der Verwendung gegenüber Dritten – also im außerbetrieblichen Bereich – geschuldet. Hiervon unterscheidet sich eine rein innerbetrieblich relevante jährliche Leistungsbeurteilung, die keinerlei Relevanz für Dritte entfaltet. Dem Arbeitgeber ist aus diesem Grund ein weiterer Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Denklogisch kann das Ergebnis dieser wertenden Beurteilung nicht gerichtlich als richtig oder falsch beurteilt werden, sondern lediglich auf Fehler in der Vorgehensweise bei der Beurteilung überprüft werden.
Ein weiteres Learning aus der Entscheidung ist, dass auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein der Linie des Bundesarbeitsgerichts folgt, dass bei der Gewährung von Aktienoptionen durch eine andere Konzerngesellschaft (in der Praxis häufig die Muttergesellschaft in den USA) regelmäßig kein Anspruch gegen den jeweiligen deutschen Arbeitgeber besteht. Bei der Gestaltung von Vergütungspaketen, die auch die Gewährung von Aktien oder Aktienoptionen enthalten sollen, sollte diese sehr vorteilhafte Regelungskonstruktion stets erwogen werden. Bei der praktischen Ausarbeitung von solchen Vergütungsmodellen beraten wir Sie gerne.
Daneben sollte die Entscheidung als Appell an die tägliche Praxis dienen, bei der nicht ständig anwaltlicher Rat eingeholt werden kann : Bei der Bewertung der Zielerreichung, etwa im Rahmen der Gewährung von Ermessensboni, müssen stets die Grenzen des Bewertungsspielraums einzuhalten. Insbesondere dürfen keine sachfremden Erwägungen angestellt werden. Die tatsächlichen Leistungen des Mitarbeiters sind stets angemessen zu berücksichtigen.