Update Arbeitsrecht Februar 2024
Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung
LAG Hessen 6.11.2023 – 16 TA BV GA 179/23
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens insbesondere über die Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen zum Thema „Betriebsratsvorsitzende und Stellvertreter Teile 1-3". Antragsteller sind der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende, der an den Schulungen teilnehmen möchte. Der Arbeitgeber beabsichtigt, den Betrieb in einen größeren Betrieb einzugliedern.
Der Arbeitgeber ist mit der Schulungsteilnahme nicht einverstanden, insbesondere hält er die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden für nicht erforderlich. Dieser übe das Amt schon seit dem Jahr 2018 aus, davor sei er auch schon stellvertretender Betriebsratsvorsitzender gewesen. Er verfüge dadurch und durch die wahrgenommenen Grundschulungen über das erforderliche Wissen. Die Amtszeit des Betriebsrates ende zudem demnächst aufgrund der vorgesehenen Eingliederung in einen größeren Betrieb. Darüber hinaus biete ein anderer Veranstalter eine vergleichbare Schulung um EUR 200,00 günstiger und vor Ort an.
Das LAG Hessen folgte in seinem Beschluss vom 6. November 2023 den Anträgen des Betriebsrats und des Betriebsratsvorsitzenden. Die Teilnahme an der Schulung sei erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG. Sie vermittle notwendige Kenntnisse für die Betriebsratstätigkeit, über die der Betriebsratsvorsitzende nicht durch andere Schulungen oder die praktische Ausübung des Amtes verfüge. Es gebe nur geringe Überschneidungen des Inhaltes dieser Schulungen mit dem Inhalt der streitgegenständlichen Schulung. Dass der Betriebsratsvorsitzende sich gewisse Fähigkeiten für die Wahrnehmung seines Amtes „on the job“ angeeignet habe, mache die Teilnahme an der Schulung nicht entbehrlich. Sie vermittele nämlich sowohl rechtliches Wissen als auch arbeitsorganisatorische Kompetenzen und im erforderlichen Umfang auch kommunikationspsychologische Kenntnisse.
Die Schulung sei auch nicht deswegen nicht erforderlich, weil der Betrieb nach Vorstellung des Arbeitgebers in einen größeren Betrieb eingegliedert werden solle. Es sei nicht abzusehen, ob und wann das Amt des Betriebsratsvorsitzenden dadurch tatsächlich erlösche. Bis dahin sei er im Amt und benötige die Kenntnisse, die in der Schulung vermittelt würden. Davon, dass er in seiner verbleibenden Amtszeit diese Kenntnisse nicht mehr benötigen würde, könnte nicht ausgegangen werden.
Das LAG Hessen weist darauf hin, dass einem Betriebsrat bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Schulungsteilnahme zwar ein Beurteilungsspielraum zustehe. Die Richter in Frankfurt am Main machen – unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – jedoch auch deutlich, dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung (§ 40 Abs. 1 BetrVG) unter dem im Betriebsverfassungsgesetz normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) steht. Die Entscheidung über die Schulungsteilnahme darf der Betriebsrat daher nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Von ihm wird vielmehr verlangt, dass er die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Der Betriebsrat ist verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf. Er hat demnach die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht.
In dem Zusammenhang ist gleichwohl zu beachten, dass der Betriebsrat nicht gehalten ist, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen. In dem vom LAG Hessen zu entscheidenden Fall war dieser Beurteilungsspielraum nach Auffassung der Richter nicht verletzt, da unter anderem die Seminargebühren der gebuchten Schulung im Rahmen des Marktüblichen lagen.
Konsequenzen für die Praxis
Der Beschluss des LAG Hessen zeigt einmal mehr, welch hohe Anforderungen die Rechtsprechung an einen Arbeitgeber stellt, der die Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an einer Betriebsratsschulung für nicht erforderlich hält. Die Tatsache allein, dass das Amt des zu schulenden Betriebsratsmitgliedes demnächst endet, reicht nicht. Es muss sicher sein, dass die in der Schulung zu vermittelnden Kenntnisse tatsächlich nicht mehr benötigt werden. Dass das Betriebsratsmitglied schon über die Kenntnisse verfügt, die in der Schulung vermittelt werden sollen, muss im Einzelnen detailliert dargelegt werden. Zu beachten ist dabei, dass die bloß praktische Tätigkeit theoretische Kenntnisse, die in einer Schulung auch vermittelt werden, wohl nicht ersetzen können. Gleichwohl ist auch auf Seiten des Betriebsrats zu beachten, dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung unter dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit steht. Die Entscheidung über die Schulungsteilnahme darf der Betriebsrat daher nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat (i.) die betrieblichen Verhältnisse und (ii.) die sich ihm stellenden Aufgaben zu berücksichtigen. Der Betriebsrat ist demnach verpflichtet, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken.