Update Compliance 6/2018
EU-Kommission kündigt Initiative zum Whistleblower-Schutz an
Die Europäische Kommission hat eine neue Richtlinie zur Stärkung des Schutzes von Hinweisgebern, sogenannten “Whistleblowern”, in der gesamten EU vorgeschlagen. Sie reagiert damit auf die jüngsten Skandale wie Dieselgate, Luxleaks, Panama Papers und Cambridge Analytica, die die Bedeutung von Whistleblowern bei der Aufdeckung rechtswidriger Handlungen nochmals in den Fokus gerückt haben.
Zum Schutz von Hinweisgebern bestehen derzeit in der EU uneinheitliche Regelungen. Einen uneingeschränkten Schutz von Whistleblowern haben nur zehn EU-Staaten etabliert.
Durch den von der Kommission vorgelegten Vorschlag sollen Hinweisgeber, die Verstöße gegen das EU-Recht melden, durch EU-weite Mindeststandards besser geschützt werden. Allseits wird auf die große Bedeutung der Aufdeckungen durch die Hinweisgeber verwiesen im Kampf gegen Korruption, Steuervermeidung, Umweltsünden usw. Dazu korrespondierend sollen nun die Rechte der Hinweisgeber als auch die Meinungs-und Medienfreiheit und letztlich die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa gestärkt werden, indem das Risiko, dass die Hinweisgeber auf sich nehmen, durch die neuen Regelungen minimiert wird.
Umfang des neuen Schutzes
Die neuen Regelungen sollen in sämtlichen Bereichen des EU-Rechts einen zuverlässigen Mindestschutz für die Hinweisgeber bieten. Ziel der neuen Richtlinie ist es, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen sowohl innerhalb einer Organisation als auch an Behörden zu schaffen. Dazu sollen alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von mehr als EUR 10 Mio. sowie alle Landes- und Regionalverwaltungen und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern ein internes Verfahren für den Umgang mit Meldungen von Hinweisgebern einführen müssen. Folgendes sollen die erforderlichen Schutzmechanismen umfassen:
Klare Meldekanäle zur Wahrung der Vertraulichkeit
Ein dreigliedriges Meldesystem bestehend aus internen Meldekanälen, Meldungen an die zuständigen Behörden und Meldungen in der Öffentlichkeit bzw. den Medien
Rückmeldepflicht innerhalb von drei Monaten
Vermeidung von Vergeltungsmaßnahmen und wirksamer Schutz.
Vom Schutz sollen nur solche Hinweisgeber erfasst werden, die auch tatsächlich im öffentlichen Interesse handeln wollen. Zur Vermeidung von missbräuchlichen Meldungen hält der Vorschlag der Kommission Sicherungsmaßnahmen vor.
Bedeutung der Richtlinie für das deutsche Recht
Die Richtlinie bezieht sich ausschließlich auf das Aufdecken von Unionsrechtsbrüchen auf bestimmten Gebieten. Die Rechte deutscher Arbeitnehmer, die in einem Ermittlungsverfahren als Zeuge gegen ihren Arbeitgeber aussagen oder Unterlagen übergeben, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2001 gestärkt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ließ in einem Urteil aus dem Jahr 2011 die Unternehmsinteressen hinter dem öffentlichen Interesse an Information zurückstehen. Inwieweit die Initiative der EU-Kommission und die darin formulierten Mindeststandards sich auf deutsches Recht auswirken, bleibt abzuwarten.
Hinweisgebersysteme sind unverzichtbarer Bestandteil eines Compliance-Management-Systems
Mit Hinweisgebersystemen stellen Unternehmen sicher, dass sie frühzeitig von Missständen, schlimmstenfalls unternehmensbezogenen Straftaten, erfahren und schnell reagieren können. Ein Hinweisgebersystem ist unverzichtbarer Bestandteil eines effektiven Compliance-Management-Systems.
Eine flächendeckende Verpflichtung zur Einrichtung einer Whistleblower-Hotline besteht derzeit noch nicht, doch nationale und internationale Vorschriften im Kapitalmarktrecht (§ 25a KWG, § 80 WpHG), im Sarbanes Oxley Act oder im Deutschen Corporate Governance Kodex sehen bereits punktuell die Pflicht vor, Hinweisgebersysteme einzurichten.
Der Verzicht auf ein Hinweisgebersystem führt nicht dazu, dass Whistleblowing unterbleibt: Der Hinweisgeber wird sich dann eine andere Stelle suchen, an die er sich wenden kann – die Presse, eine Aufsichtsbehörde oder die Staatsanwaltschaft.