24.10.2018Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht 2018

„Freikaufen“ von Betriebsratsmitgliedern zulässig: BAG, Urteil vom 21. März 2018 – 7

Ein Unternehmen begünstigt ein Betriebsratsmitglied mit einem Aufhebungsvertrag in der Regel auch dann nicht in unzulässiger Weise, wenn darin besonders attraktive finanzielle Konditionen enthalten sind, die ein Mitarbeiter ohne Betriebsratsamt im Trennungsfall nicht erhalten hätte. Die – zulässige – Begünstigung beruht regelmäßig auf dem besonderen Kündigungsschutz des Betriebsratsmitglieds, ohne dass es darauf ankommt, ob die in dem Aufhebungsvertrag vereinbarten Leistungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen sind.

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1983 bei der Beklagten beschäftigt und seit 2006 Betriebsratsvorsitzender. Im Juli 2013 leitete die Beklagte beim Arbeitsgericht unter Berufung auf verhaltensbedingte Gründe ein Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ein. Nachfolgend schlossen die Parteien außergerichtlich einen Aufhebungsvertrag, in welchem unter anderem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2015, eine Freistellung unter Vergütungsfortzahlung und die Zahlung einer Abfindung von 120.000 Euro netto vereinbart wurde. Nachdem der Kläger Ende Juli 2013 vereinbarungsgemäß von seinem Betriebsratsamt zurücktrat und die vereinbarte Abfindung und monatliche Vergütung an ihn geleistet wurden, machte der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2015 hinaus gerichtlich geltend. Als Begründung führte der Kläger an, dass der geschlossene Aufhebungsvertrag nach § 134 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG nichtig sei, weil dieser ihn als Betriebsratsmitglied in unzulässiger Weise begünstige. Durch den Aufhebungsvertrag seien Ansprüche begründet worden, die ihm ohne sein Mandat nicht zugekommen wären.

Entscheidung

Nach Ansicht des BAG ist der zwischen den Parteien geschlossene Aufhebungsvertrag nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG wegen unzulässiger Begünstigung des Klägers unwirksam. Der aus § 15 Abs. 1 KSchG und § 103 BetrVG folgende Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder führt zu einer kündigungsrechtlich günstigen Verhandlungsposition, die sich auch auf einen Aufhebungsvertrag auswirken kann. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Begünstigung aufgrund einer gesetzlichen Wertentscheidung. Die Berücksichtigung des Sonderkündigungsschutzes von Betriebsratsmitgliedern im Rahmen eines Aufhebungsvertrages ist Ausdruck der Vertragsfreiheit, die nicht durch das Begünstigungsverbot eingeschränkt werden kann. Eine unzulässige Begünstigung i.S.v. § 78 Satz 2 BetrVG liegt nach Auffassung des BAG nur dann vor, wenn die Besserstellung des Betriebsratsmitglieds nicht aus sachlichen Gründen, sondern ausschließlich aufgrund seiner Amtstätigkeit erfolgt. Eine solche unzulässige Begünstigung sah das BAG vorliegend nicht, weil der Kläger sich im Aufhebungsvertrag mit der Beendigung seines langjährigen Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt und damit seinen besonderen Bestandsschutz aufgegeben hat. Als Kompensation hierfür hat er eine Abfindung erhalten und wurde unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt.

Praxishinweis

Wenn sich ein Unternehmen einvernehmlich von Betriebsratsmitgliedern trennen will, geht es regelmäßig um den „Preis“. § 78 Satz 2 BetrVG verbietet insoweit grundsätzlich keine Aufhebungsverträge mit lukrativen Entlassungsentschädigungen. Das in § 78 Satz 2 BetrVG geregelte Begünstigungsverbot soll zwar der Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern im Rahmen der Amtsausübung dienen. Im einvernehmlichen Trennungsfall kommt es aber nicht darauf an, ob wichtige Gründe für eine Abberufung vom Amt bzw. eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB vorgelegen hätten. Auch dann, wenn ein Unternehmen lediglich ein unliebsames Betriebsratsmitglied „loswerden“ will, darf sich letzteres den Sonderkündigungsschutz „abkaufen“ lassen. Vorsicht ist aber dann geboten, wenn ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 BGB z. B. mit der Einleitung eines Verfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG gedroht und das Betriebsratsmitglied sich insoweit genötigt sieht, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Dann könnte das Betriebsratsmitglied den Aufhebungsvertrag gegebenenfalls später tatsächlich nach § 123 BGB anfechten. Dies hätte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Zudem bestünde für das Unternehmen das Risiko, dass sein Anspruch auf Rückzahlung der Abfindung nicht einbringlich ist.

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